BMW X7: Big Brother
21.3.2019, 14:16 UhrOh", sagt die sportliche Enddreißigerin und stellt eilig die schicken Shopping-Bags beiseite, um das Smartphone hervorzufingern. "Das wird mein nächstes Auto!" Aus allen Perspektiven lichtet die Texanerin den X7 ab, der in schneeweißer Opulenz in Downtown El Paso parkt. Die Bilder werde sie umgehend ihrem Mann posten, erklärt die Dame, während sie sich fürs Selfie auf dem Fahrersitz einrichtet. Mum von zwei Teenager-Töchtern sei sie, und ein X5 für ihre Lebenssituation "way too small".
Zu klein? Ein BMW X5? Nun ja. Amerika denkt groß in Sachen Auto. Selbst der mächtige X7 verliert zwischen gigantomanischen Toyota Tundras und Cadillac Escalades erstaunlich an Wucht. Die deutschen Maßstäbe aber sind andere. Ihnen zufolge ist der X7 ein Giga-SUV, auf das sich die Feinde der Gattung mit maximaler Ablehnung stürzen dürften: Diese Größe! Dieses Gewicht! Dieser gewaltige Kühlergrill!
Der X7 finanziert die Energiewende
Doch gemach. Punkt eins: Der im BMW-Werk Spartanburg/South Carolina gebaute X7 verbleibt zum überwiegenden Teil in den USA, danach folgt China als zweitgrößter Absatzmarkt. Auch wenn sich BMW für Deutschland einiges verspricht, so dürften nur etwa zehn Prozent der Fertigung bei uns landen. Punkt zwei: Auch BMW steht vor teuren Umbrüchen, das Geld für die Hinwendung zur Elektromobilität muss verdient werden, und die höchsten Erträge fahren nun mal die größten und teuersten Modelle ein. Heißt: Der X7 finanziert die Energiewende mit.
Tatsächlich lässt sich der Erwerb des XXL-Formats nur mit Hilfe eines dick, ja, sehr dick gepolsterten Bankkontos realisieren. Unter 84.300 Euro ist überhaupt nichts zu machen, und wohin die Beschäftigung mit der Aufpreisliste führt, lässt sich erahnen - weit hinauf in die dünne Luft der Sechsstelligkeit.
Für die BMW-SUVs ist der X7 das, was der 7er für die Limousinen darstellt: Chef im Haus und großer Bruder. Mit einer epischen Länge von 5,15 Metern (X5: 4,92 Meter) und zwei Metern Breite baut er sich vor dem Betrachter auf, ein Schwergewicht von 2,4 Tonnen, das optisch aber eleganter und sportlicher rüberkommt, als es die Eckdaten vermuten - oder befürchten? - lassen.
Serienmäßig ein Siebensitzer
Dass sich allein der Radstand auf 3,11 Meter erstreckt, führt im Interieur zu hochherrschaftlichen Platzverhältnissen. Grundsätzlich tritt der X7 als Siebensitzer auf, Mum aus El Paso kann also locker auch die Freundinnen ihrer Mädels mit zum Hockeytraining chauffieren. Als Alternative zur Dreisitzigkeit lässt sich die zweite Reihe mit zwei feudalen Einzel-Sesseln möblieren.
Natürlich sitzt man exzellent im X7, selbst die Passagiere in dritter Reihe müssen keineswegs in bedauernswerter Körperhaltung kauern. Allerdings erfordert der Zustieg nach ganz hinten eine gewisse bergsteigerische Kompetenz. Ob es auch Großonkel Heinz mit der lädierten Hüfte gelingt, den Höhenunterschied zu überwinden, scheint nicht sicher.
Mit zweigeteilter Heckklappe
Der über eine zweigeteilte, elektrische Heckklappe zugängliche Kofferraum stellt selbst bei voller Bestuhlung 326 Liter Laderaum bereit, das ist fast schon so viel wie ein VW Polo aufbietet. Werden sämtliche Sitzplätze in der Great Hall des Fonds flachgelegt, tun sich gar verschwenderische 2120 Liter auf. Um die Befrachtung kräfteschonend zu gestalten oder dem Familienhund den Sprung in seinen Aufenthaltsbereich zu erleichtern, lässt sich die Ladekante um vier Zentimeter absenken.
Der X7 soll vor allem Langstreckenkomfort bieten; eine Aufgabe, der er mit einem hohen Maß an Luxus gerecht wird. Um die Sitze zu verstellen, zu verschieben oder wegzuklappen, genügt ein Tastendruck - vom Fahrersitz oder vom Kofferraum aus, auch an der hinteren Tür findet sich das entsprechende Instrumentarium. Alle sieben Sitze sind serienmäßig beledert, die vorderen auch beheizt. Eine Vierzonen-Klimaautomatik temperiert das Interieur, Ambientelicht sorgt für loungige Stimmung, und über den Häuptern der Insassen spannt sich die unendliche Weite eines dreiteiligen Riesen-Glasdaches.
Weißt du, wie viel Sternlein stehen?
Auf Wunsch verwandeln über 15.000 Lichtpunkte das Panoramadach in einen funkelnden Sternenhimmel (siehe Bilderstrecke). Überhaupt die zahllosen Optionen: Fünfzonen-Klimaautomatik gibt es, Sitzbelüftung für alle drei Sitzreihen, Raumluft-Ionisierung und -Beduftung in acht Duftvarianten, beheiz- und kühlbare Thermo-Cupholder und nicht zuletzt das Bowers & Wilkins Diamond Surround System mit 20 Lautsprechern und 1500 Watt Verstärkerleistung, das zu sündhaft teuren 9500 Euro Konzertsaal-Atmosphäre schafft.
Alles muss man freilich nicht haben, den Automatik-Wählhebel als Swarowski-Glaskörper mit hologrammartig integriertem, beleuchteten "X"-Symbol fanden wir schlicht kitschig, er stört die geschmackvolle Eleganz des Cockpits. Die Chinesen lieben solches Chichi hingegen, sie bekommen die Glasapplikationen deshalb serienmäßig, es sei ihnen gegönnt.
"Hey BMW": Zum Dienst gerufen
Die multimediale Welt des Infotainments versammelt sich im "Live Cockpit Professional" (Serie), zu dem unter anderem eine volldigitale Instrumentenkombi, ein 12,3-Zoll-Display und der "Personal Assist" gehören, den der Zuruf "Hey BMW" zum Dienst ruft und der dann auch natürliche Sprachbefehle versteht. Ebenso serienmäßig soll die Gestiksteuerung weiterhelfen, die aber auch im X7 noch nicht wirklich befriedigend funktioniert.
Dank seiner Siebensitzigkeit ist dem X7 ein Schicksal als Familienauto vorbestimmt. Die Herrschaften im Fond lassen sich über ein Rear-Entertainmentsystem mit zwei 10,2-Zoll-Bildschirmen im Tablet-Stil bespaßen, auch die Navikarte zeigen diese Screens an. Allerlei Anschlüsse (USB, USB-C, HDMI, Kopfhörer) binden, über drei Sitzreihen verteilt, das mediale Zubehör ein.
Aller Luxus hilft freilich nichts, wenn die rollende Lounge beim Fahrkomfort patzt. Einen solchen Lapsus leistet sich der X7 erwartungsgemäß nicht, da hat BMW schon Vorsorge getroffen - beispielsweise, indem es seinem Großformat ein Adaptiv-Fahrwerk mit elektronisch geregelten Dämpfern und eine Zweiachs-Luftfederung mitgibt, serienmäßig.
Sensationeller Fahrkomfort
Und so bleibt festzustellen, dass kein anderes XXL-SUV seine Passagiere so geschmeidig, so seidig, so sanft und doch satt federnd transportiert. Selbst jene Krater im Asphalt, die das Wegenetz von Arizona immer wieder als fiese Überraschung vorhält, fängt der Riese gelassen ab. Besser kann man das kaum machen.
Dass der Fahrzeugführer den X7 enthemmt um die Kurven prügelt, dürfte eher nicht zum Regelfall werden. BMW ist aber BMW, da bleibt ein hohes Maß an Fahrdynamik Pflicht, auch wenn sich die Physik mit einem Dickschiff auseinandersetzen muss. Fairerweise ist zu sagen, dass die zumeist schnurgeraden Asphaltbänder des amerikanischen Westens nur wenige Herausforderungen bereithalten, schon maßvolle Kurven wurden von uns freudig begrüßt, der Erkenntnisgewinn in Sachen Agilität blieb also begrenzt.
Eine Ahnung von den Fähigkeiten des X7 bekamen wir aber dennoch. Für seine stattlichen Dimensionen lässt sich der allradgetriebene 2,4-Tonnen bemerkenswert behände um die Kehren zirkeln, der hohe Schwerpunkt tut solcher Souveränität keinen Abbruch, es ist einfach ein gutes, präzises Gefühl, das der große BMW vermittelt. Wer dennoch glaubt, sich noch mehr Fahrdynamik verschaffen zu müssen, kann sich eine Wankstabilisierung und/oder die Integral-Aktivlenkung mit gleich- oder gegenläufig mitlenkender Hinterachse gönnen.
Was mindestens genauso beeindruckt: Wie perfekt die Geräuschdämmung funktioniert. Nahezu lautlos zieht die Außenwelt vorbei, weder Abrollgeräusche noch Motorlärm oder Fahrtwindrauschen zerschießen die Privatsphäre im Innenraum.
Teilautonome Fahrfunktionen
Natürlich beschäftigt der X7, meist gegen Extra-Salär, umfangreiches elektronisches Dienstpersonal. Serienmäßig an Bord ist ein Tempomat mit Bremsfunktion, die beispielsweise dann eingreift, wenn ein Radfahrer gefährdet ist.
Kostenpflichtig übernimmt ein weiteres System das nervige Stop&Go im Stau, neu ist dabei, dass der Wagen auch nach 30 Sekunden Stillstand noch automatisch anfährt. Vielerlei Systeme sind im Paket "Driving Assistant Professional gebündelt", die Falschfahrerwarner beispielsweise, aber auch der für unseren Geschmack zu energisch eingreifende Lenk- und Spurführungsassistent oder die teilautonomen Fahrfunktionen, die es auch möglich machen, dass der X7 selbstständig überholt.
Allzu lange darf der Fahrer den Wagen freilich nicht sich selbst überlassen. Greifen nicht binnen 30 Sekunden die Hände ans Lenkrad, setzt sich eine Alarmkette aus optischen und akustischen Warnsignalen in Gang, die schließlich im kompletten Herunterbremsen des Fahrzeugs endet. Ab April richtet optional eine Innenraumkamera ihr wachsames Auge auf den Fahrer. Ist sie zufrieden mit dem, was sie an aufmerksamer Kopfhaltung sieht, erweitert sich der autonome Zeitraum auf 60 Sekunden.
Wie sich die Parkplatzsuche in einer engen europäischen Stadt gestaltet, wollen wir freilich lieber nicht wissen. Zumindest wird das Großformat schon ab Werk mit einem Parkassistenten und dem Rückfahrassistenten ausgeliefert, der das Fahrzeug 50 Meter auf exakt dem Weg zurückführt, den es zuvor in Vorwärtsfahrt zurückgelegt hat.
Überhaupt fällt die Serienausstattung recht gut aus, neben den bereits genannten Details umfasst sie unter anderem auch adaptive LED-Scheinwerfer, Head-up-Display, Display Key. Um so unverständlicher erscheint es, dass die Sitzheizung für Reihe zwei und drei 650 Euro extra kostet und BMW fürs Reifenpannenset 50 Euro extra kassiert.
Reihensechszylinder unter der Haube
In Europa beginnt der X7 seine Karriere ausschließlich mit Reihensechszylindern. Im xDrive40i (86.300 Euro) setzt BMW einen Dreiliter-Ottomotor mit 250 kW/340 PS und 450 Nm Drehmoment ein. In überaus flotten 6,1 Sekunden scheucht er das Schwergewicht auf 100 km/h und ermöglicht eine Topspeed von 245 km/h. Den Spritverbrauch beziffert die Werksangabe mit nicht so ganz glaubhaften 8,7 l/100 km.
Diesel-Fans wird zum einen der xDrive 30D vorgesetzt, der sich aus drei Litern Hubraum 195 kW/265 PS holt und aus dem Fundus von 620 Nm schöpft. Hier gelingt der 0-auf-100-Sprint in sieben Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 227 km/h an, und der Verbrauchs-Mix - wieder seien Zweifel erlaubt - soll sich bei 6,5 l/100 km einpendeln. Preis: Ab 84.300 Euro.
Zum dritten können die Freunde sportiven Dieselns auf den M50d zurückgreifen. Der vorerst teuerste X7 (109.900 Euro) macht 294 kW/400 PS locker, rennt in 5,4 Sekunden auf die Hundert und wird bei 250 km/h elektronisch eingebremst.
Noch 2019 kommt ein V8
Noch in diesem Jahr, so sagt BMW, wird ein neuer V8-Benziner die Regentschaft im Motorenregal übernehmen. Vermutlich bietet er rund 500 PS auf und stemmt 700 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Auch mit einem Plug-in-Hybrid dürfte zu rechnen sein.
Mit dem X7 ist BMW ein hervorragendes Nobel-SUV gelungen, das dem, der sich das leisten kann, Platz im Überfluss, jede Menge Luxus und grandiosen Fahrkomfort bietet. Das Segment der Big-Size-SUVs ist Neuland für die Münchner. Der X7 trifft hier auf den Range Rover Long Wheel Base, den neuen Audi Q8 und den Mercedes GLS, der noch 2019 in neuer Version auf den Markt kommt. Das verspricht spannend zu werden. Und Texas-Mum muss womöglich noch ein paar Selfies mehr an Mann und Teenie-Töchter posten.
Ulla Ellmer
BMW X7 in Kürze:
Wann er kommt: Im Mai 2019
Wen er ins Visier nimmt: Mercedes GLS, Audi Q8, Range Rover Long Wheel Base
Was ihn antreibt: Dreiliter-Reihensechszylinder. Benziner mit 250 kW/340 PS, Diesel mit 195 kW/265 PS und 294 kW/400 PS. Alle sauber nach Euro 6d-Temp
Was er kostet: Ab 84.300 Euro
Was noch kommt: Achtzylinder-Benziner, wahrscheinlich ein Plug-in-Hybrid
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