Elektronikmesse CES: Was die Autohersteller in Las Vegas zeigen
10.1.2019, 01:50 UhrVor Jahresfrist stieß Daimler-Chef Dieter Zetsche noch mit Arnold Schwarzenegger im dekorativ verfallenen Michigan Theatre von Detroit auf die neue G-Klasse an. Anfang 2019 aber gibt es keinen Zirbenschnaps in "Motown" mehr, die ehemals glanzvolle Motor Show muss ohne Mercedes auskommen.
Stattdessen haben die Schwaben die Consumer Electronics Show CES von Las Vegas als Premierenbühne für den brandneuen CLA erwählt. Das liegt nicht nur daran, dass das viertürige Coupé ein ganz anderer Typ Auto als der "G" ist, zu dem Zetsches Cowboyhut ebenso gepasst hat wie die benzingeschwängerte Luft von Detroit. Die klassischen Automessen degenerieren zum Auslaufmodell, auch viele andere Hersteller bleiben ihnen fern. selbst der Genfer Salon oder die Pariser "Mondiale" werden nicht mehr von allen besetzt.
Rollende Computer passen zur CES
Obgleich weder das Wort "Auto" noch "Motor" oder "Mobility" im Messenamen CES vorkommen, gilt die Consumer Electronics Show dagegen als wichtige Plattform für die Autobauer. Letztlich eine logische Entwicklung, da die hochgradig digitalisierten Autos immer mehr rollenden Supercomputern gleichen, die vor Highend-Konnektivität und Künstlicher Intelligenz (KI) nur so strotzen. Das passt perfekt ins Portfolio einer Elektronikmesse.
Wer sich durch die Besucherdichte der CES kämpft, fühlt sich allerdings in eine automobile Welt gebeamt, die mit der Realität des Jahres 2019 wenig bis nichts zu hat. Alles elektrisch, alles autonom, der Verbrennungsmotor - der uns definitiv noch über Jahre hinweg begleiten wird - kommt auf den meisten Messeständen ebensowenig mehr vor wie der Autofahrer selbst, der letztlich ein Dasein als bloßer Passagier führt.
Das Auto analysiert die Gefühlswelt
Übel sieht die Zukunft für die Autoinsassen freilich nicht aus. Kia analysiert im "R.E.A.D." ihre Gefühlswelt - sind sie gelangweilt? gestresst? entspannt? - und passt aufgrund dessen das Interieur mit Klimatisierung, Musikprogramm und Ambientelicht an. Hyundai wiederum unterhält die Passagiere mit heiteren Computerspielchen, fahren muss ja keiner mehr.
Ein ähnliches Entertainmentprogramm gönnt Audi den Fondpassagieren des elektronischen e-tron-Prototypen "Marvel's Avengers: Rocket's Run", den die Ingolstädter gemeinsam mit Disney entwickelt haben. Verbaut ist eine Technologie, die virtuelle Inhalte in Echtzeit den Fahrbewegungen des Autos anpasst. Über eine VR-Brille klinken sich die Fondpassagiere in eine Weltraumszenerie ein, der e-tron wird dann zum virtuellen Raumschiff. Wenn das Auto beispielsweise eine enge Kurve nimmt, umkreist der Spieler ein gegnerisches Raumschiff, beschleunigt der Wagen, legt auch das Raumschiff an Tempo zu.
Zukunftsfern ist zumindest das nicht mehr. Und auch anderes stellt sich schon mehr oder weniger real dar. Mercedes zelebriert - wie erwähnt - mit dem CLA die Weltpremiere eines ab Juni erhältlichen Fahrzeugs, das weder vollautonom noch elektrisch fährt. Und bei Audi steht Chef-Lichttechniker Stephan Berlitz in einem dunklen Raum und erklärt die Möglichkeiten seines Faches: Das sogenannte "Shadowing" ist zwar noch eine ferne Perspektive; hier kommuniziert das Auto über seine Außenhaut mit der Umwelt, signalisiert beispielsweise Gefahrensituationen oder fordert den nachfolgenden Verkehr auf, eine Rettungsgasse zu bilden. Noch dieses Jahr soll aber das "Baustellenlicht" auf den Markt gebracht werden, bei dem das Auto Leuchtstreifen auf die Fahrbahn wirft, die sicher durch eine verengte Straßenführung leiten. Und schon 2020 Jahr sollen Kunden per App schicke Lichtsignaturen herunterladen können, vorstellbar als "Geschenkidee zu Weihnachten", wie Berlitz sagt.
Die Zulieferer bauen selber Autos
Auf der CES schlägt aber vor allem die Stunde der Zulieferer. Bosch, ZF, Continental, Schaeffler - sie alle zeigen eigene automobile Konzepte. "Wir wollen kein Automobilhersteller werden", sagt Schaeffler-Vorstand Peter Gutzmer zwar und betont die Notwendigkeit, Kooperationen einzugehen. Und doch hat es angesichts mancher CES-Exponate den Anschein, als könnten sich die Zuliefer zu ernsthaften Konkurrenten ihrer Kunden entwickeln.
Zumeist ranken sich die Zukunftsvisionen um die Thematik der Robo-Taxen und Robo-Transporter, immer fahren die dann autonom und elektrisch, sehen sich aufgrund ihrer Bestimmung ziemlich ähnlich - quaderförmig, hoch aufbauend, von vorne und hinten kaum zu unterscheiden - und sind oft modular aufgebaut. So wie der Schaeffler Mover oder der Rinspeed Micro Snap, die ein Chassis mit verschiedenen, austauschbaren Aufbauten kombinieren, bei denen es sich um Passagierkabinen handeln kann, aber auch um Cargo-Container oder Kühlkomponenten. Eine Idee, die auch Mercedes als etablierter Hersteller aufgegriffen hat, das Ergebnis nennt sich "Urbanetic".
Autohersteller in ungewohnter Nebenrolle
Anders als auf ihrem gewohnten Parkett - IAA, Tokyo Motor Show oder Genfer Automobilsalon - spielen die Autohersteller in Las Vegas aber ersichtlich nicht die Haupt-, sondern ungewohntermaßen nur eine Nebenrolle, die ihnen in gewisser Weise auch zugewiesen wird. "Wer einmal fehlt, bekommt im nächsten Jahr keinen Stand mehr", sagt ein Audi-Sprecher. Die meisten Marken sehen sich in der North Hall untergebracht, ihre Stände fallen zumeist kleiner und weit weniger glamourös aus als auf den klassischen Automessen - und auch schlichter als diejenigen von Samsung, LG & Co., die mit aufwendigsten Installationen die neuesten Bildschirmtechnologien oder Haushaltsgeräte präsentieren. Nicht nur Autofahren, sondern auch das Backen von Muffins oder die Zubereitung der Weihnachtsgans kann nämlich autonom erfolgen - und das nicht erst in einer fernen Zukunft.
Ulla Ellmer
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