Fahrbericht: Honda Jazz e:HEV
20.11.2020, 12:14 UhrWie er aussieht: Mit seinen 4,04 Metern Länge ist der Honda Jazz im Umfeld von VW Polo & Co. angesiedelt. Optisch vermittelt der kleine Kompakte aber eher eine Aura von Minivan, die er – dazu später mehr – durch ein schlaues Raumkonzept untermauert. Kein Aufreger, aber ein gefälliger Fünftürer mit einnehmendem Gesicht, auffallend großen Scheinwerfern und betont schmalen A-Säulen, welche – beispielsweise beim Abbiegen – die Sicht schräg nach vorne verbessern. Wer sich mehr designtechnische Intensität wünscht, bekommt den Jazz auch als "Crosstar"-Variante, mit robuster Beplankung und Dachreling macht sie auf SUV. Der Crosstar ist an die höchste Ausstattungsvariante "Executive" gebunden und kostet 1650 Euro Aufpreis.
Wie er eingerichtet ist: Hell, freundlich und modern. Ein 7-Zoll-Display liefert klar strukturiert die fahrrelevanten Informationen, ausstattungsabhängig visualisiert ein 9-Zoll-Monitor auf der Mittelkonsole das Multimediale, einschließlich Navi, Apps, WLAN-Hotspot, Bedienungsanleitung oder "Personal Assistant", der dank KI auch bei der Reiseplanung helfen kann oder den Wetterbericht liefert, dessen sprachliches Verständnis aber begrenzt ist. Zwei USB-Anschlüsse dienen beispielsweise dem Anschluss des Smartphones, induktives Laden ist nicht möglich. Die bequemen Sitze hat Honda mit einem schönen Stoff-Leder-Mix bezogen, das griffige Multifunktionslenkrad lässt sich sowohl höhen- als auch längs verstellen.
Wie viel Platz er hat: Der Jazz ist ein funktionelles Raumwunder. Das fängt bei den zahlreichen Ablagen an – beispielsweise finden sich in Links- und Rechtsaußenposition auf dem Armaturenträger Cupholder, und gleich zwei Handschuhfächer nehmen allerlei Krimskrams auf.
Als praktisches Detail haben wir die serienmäßigen "Magic Seats" im Fond zu schätzen gelernt. Längs verschiebbar sind sie zwar nicht. Aber: Ihre Sitzfläche lässt sich hochklappen, mit einem Handgriff tut sich somit hinter den Vordersitzen eine Menge luftigen Stauraums auf. Sogar ein Mountainbike mit ausgebautem Vorderrad haben wir dort untergebracht.
Weil die Ladekante sehr niedrig ausfällt und die Heckklappe eine große Öffnung freigibt, ist dem Jazz wunderbar einfach auch voluminöseres Transportgut zuzumuten. Insgesamt passen 304 bis (bei umgeklappten Rücksitzen) 1205 Liter in den Kofferraum, nur eine kleine Stufe im Ladeboden trübt den positiven Eindruck.
Was ihn antreibt: Das spannendste Kapitel beim Jazz. In Europa wird er ausschließlich mit Hybridantrieb angeboten, den Honda "e:HEV" nennt. Hinter dem kryptischen Kürzel verbirgt sich eine aufwendige und nicht unkomplizierte Technologie, was den Fahrer aber nicht weiter bekümmern muss, da das Zusammenspiel zwischen einem 72 kW/98 PS starken 1,5-l-Vierzylinder-Benziner und gleich zwei E-Motoren ebenso unmerklich wie sanft funktioniert.
Der Jazz bewegt sich in drei Antriebsmodi fort: Im niedrigen Geschwindigkeitsbereich fährt er rein elektrisch (EV Drive), ausschließlich der kraftvolle E-Motor mit 80 kW/109 PS und einem Drehmoment von bis zu 253 Newtonmetern ist dann aktiv. Im Hybridmodus (Hybrid Drive) treibt der Benziner einen zweiten Elektromotor an, der als Generator agiert und Strom für den Antriebsmotor produziert. Wird dem Fahrzeug viel Leistung abverlangt, übernimmt der Benziner komplett (Engine Drive). Via Überbrückung ist er direkt mit den Antriebsrädern verbunden. Und bei Bedarf steuert der E-Antriebsmotor eine Portion Extra-Boost bei.
Wie sich die Energieflüsse gerade darstellen, kann der interessierte Jazz-Fahrer via Display verfolgen.
Beim Verzögern wiederum wird via Rekuperation Energie zurückgewonnen, in Fahrstufe "B" geschieht dies besonders intensiv. Die Kraftübertragung an die Vorderräder erfolgt über ein stufenloses e-CVT-Getriebe, dessen Wahlhebel gern etwas geschmeidiger durch die Schaltkulisse rutschen dürfte.
Wie er sich fährt: Sehr munter, sehr lebendig. In 9,4 Sekunden eilt der Jazz von 0 auf 100 km/h, als Spitze erreicht er 175 km/h. Geräuschlos setzt sich der Japaner in Bewegung, ein grünes "EV"-Zeichen im Display kündet vom ausschließlichen Tun der E-Maschine. Auch wenn der Benziner seine Tätigkeit aufnimmt, bleibt es schön leise im Innenraum, hier macht sich die gute Geräuschdämmung bezahlt. Wehe aber, wenn der Fahrer kräftig aufs Gaspedal tritt. Dem CVT-Getriebe geschuldet dreht der Benziner dann heftig hoch und wird leider unangenehm laut.
Davon einmal abgesehen, erweist sich der Jazz als durchaus langstreckentauglich. Überraschend fachmännisch bügelt er holprige Pisten glatt, die Lenkung arbeitet richtungsstabil und präzise. Am wohlsten fühlt er sich freilich, wenn er wendig durch die City wuseln darf, hier spielt er dann auch die Vorteile seiner Antriebstechnologie am effektivsten aus.
Was er verbraucht: 7,0 l/100 km war das Äußerste, was uns der Jazz zugemutet hat, die Quittung für eine zugegebenermaßen sehr fordernde Autobahnfahrt mit viel "pedal to the metal". In der City belässt es der Hybrid-Japaner aber bei einer braven 4 vor dem Komma. Im weitgehend gleichteiligen Mix aus Stadt, Land und Autobahn haben wir 5,7 l/100 km verbraucht. Damit kann man zufrieden sein.
Was er bietet: Bereits das Basismodell "Comfort" ist alles andere als ärmlich ausgestattet. Zum Serientrimm gehören unter anderem Kollisionswarnsystem mit aktivem Bremseingriff und Fußgängererkennung, ein etwas übereifriger Spurhalteassistent, Adaptiv-Tempomat, Verkehrszeichenerkennung, Fernlichtassistent, Licht- und Regensensor, Sitzheizung, Klimaautomatik, die Magic-Seats sowie DAB+-Radio. Beim noch über dem mittleren Level "Elegance" positionierten Topmodell "Executive" addieren sich unter anderem Ausparkassistent, Rückfahrkamera, Toter-Winkel-Assistent, Konnektivität mit Navi sowie ein beheizbares Lenkrad hinzu.
Was er kostet: Für den Basis-Jazz "Comfort" werden mindestens 21.689 Euro (16 Prozent MwSt) aufgerufen, die Top-Ausstattung "Executive" kommt auf 24.516 Euro. Die aufwendige Technik hat ersichtlich ihren Preis, fairerweise müssen die Konditionen aber auch vor dem Hintergrund der umfangreichen Ausstattung bewertet werden. Der Jazz bringt vieles schon ab Werk mit, was anderswo extra bezahlt werden muss.
Den Umweltbonus bekommt der Jazz übrigens nicht, dazu fehlt ihm die Möglichkeit zum externen Aufladen.
Was wir meinen: Der Honda Jazz ist nicht nur antriebstechnisch ein sehr interessanter und spannender Kleinwagen. Auch das im Wettbewerbsumfeld nahezu konkurrenzlose Platzangebot und das hohe Maß an Funktionalität und Variabilität sichern dem Japaner eine Sonderstellung im Segment zu.
Ulla Ellmer
Die Daten des Honda Jazz e:HEV
BENZINMOTOR: Hubraum 1498 ccm, Zylinder 4, Leistung 72 kW/98 PS bei 5500 - 6400/min, max. Drehmoment 131 Nm bei 4500 - 5000/min. ELEKTROMOTOR: Leistung 80 kW/109 PS, max. Drehmoment 253 Nm. Spitze 175 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 9,5 sec, Normverbrauch WLTP 4,5 l S pro 100 km, Testverbrauch 5,7 l S/100 km, CO2-Emission 102 g/km, Schadstoffklasse Euro 6d, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 4,04 m, Breite 1,97 m (mit Außenspiegeln), Höhe 1,53 m (mit Antenne), Kofferraum 304 bis 1205 l, Kraftstoff-Tank 40 l, Leergewicht 1300 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1710 kg, Zuladung 410 kg. e-CVT Direktantrieb, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 16 (KH), 19 (VK), 19 (TK). Preis ab 21.689 Euro (16 Prozent MwSt).