Fahrbericht: Kia ProCeed 1.6 CRDi 48V iMT
17.9.2020, 10:38 UhrWie er aussieht: Großartig. Der Ceed ist Kias Vertreter in der sogenannten Golf-Klasse, und mit dem ProCeed haben die Südkoreaner dem Mercedes CLA Shooting Brake ebenso locker wie selbstbewusst den einzigen Konkurrenten beschert.
Begriffserklärung: Ein Shooting Brake markiert die sportlich-elegante Kombination aus Coupé und Kombi. Beim ProCeed wurde das Karosseriekonzept ästhetisch sehr überzeugend umgesetzt, seine stattlichen 4,61 Meter Länge kombiniert er mit flachen 1,42 Höhenmetern, die abfallende Dachlinie mündet in einen überaus schönen Rücken mit horizontal durchgehendem LED-Leuchtenband. Design ist Geschmackssache, und doch erweist es sich am Beispiel des ProCeed einmal mehr, dass Kia neben Mazda die schönsten Autos asiatischer Provenienz baut.
Wie er eingerichtet ist: Materialauswahl und –verarbeitung sind tadellos, die Cockpitgestaltung ist übersichtlich geraten, die Bedienung des Multimediasystems erfolgt einfach und intuitiv. Der Fahrer blickt auf ein 12,3 Zoll (31,2 Zentimeter) großes Digital-Cockpit, der 10,25-Zoll-Touchscreen (26 Zentimeter) auf der Mittelkonsole setzt seine Inhalte scharf in Szene, unter anderem die Online-Telematikdienste von UVO-Connect, zu denen nebst Verkehrsinfos in Echtzeit auch die Warnung vor Gefahrenstellen, die Wettervorhersage oder die Möglichkeit zur lokalen Parkplatzssuche gehören.
Serienmäßig ist dies alles indes nicht, im Gegensatz zum digitalen Radioempfang, der Zweizonen-Klimaautomatik, der Sitz- und Lenkradheizung sowie dem Querverkehrswarner und der Rückfahrkamera, wobei die beiden letzteren Posten dringend benötigt werden, denn die Sicht nach hinten muss als kaum existent bezeichnet werden.
Wie viel Platz er hat: Richtig viel. Schon auf den bequemen Vordersitzen ist das Leben schön, auch der gut zugängliche Fond bietet überraschend viel Kopffreiheit und bewahrt seine bis zu drei Fahrgäste selbst dann vor unbehaglicher Kauerhaltung, wenn sie dem Kindesalter entwachsen sind.
Besonders erfreulich aber: Dass der fesche ProCeed seine Identität als Lifestyler sucht, hat keinen negativen Einfluss auf die Mitnahmekapazität in Sachen Gepäck. Der Kofferraum ist über eine niedrige Ladekante gut zugänglich, mit üppigen 594 bis 1545 Litern Fassungsvermögen packt er nur 31 Liter weniger weg als der praktisch genauso lange Ceed-Kombi "Sportswagon". Nur gegen Aufpreis lassen sich die Rücksitzlehnen fernentriegeln, ebenfalls als Extra hält die Preisliste eine sensorgesteuert elektrische Heckklappe vor. Nicht erhältlich für den Mildhybriden ist ein Gepäckraum-Trennsystem.
Was ihn antreibt: Es dieselt noch im ProCeed, was vor allem Langstreckenfahrer mit Wohlwollen registrieren dürften. Der 100 kW/136 PS starke 1,6-l-Selbstzünder produziert ein Drehmoment von 280 Newtonmetern, das schon bei 1500 Touren abrufbar ist. Zudem arbeitet der CRDi mit einem Mildhybridsystem, bei dem ein 48-Volt-Startergenerator in Personalunion als Lichtmaschine und 12-kW-Elektromotor tätig ist, der wiederum von einer kleinen Lithium-Ionen-Batterie gespeist wird.
Akustisch ist der CRDi ein angenehmer Leisetreter, und wer sich nicht gerade als Sportfahrer sieht, wird auch mit dem ausreichend kräftigen Schub zufrieden sein. Dank der elektrischen Unterstützung erfolgt dieser vor allem beim Anfahren und beim Beschleunigen, muss der Turbodiesel alleine arbeiten, geht es nicht mehr ganz so forsch voran.
Ein etwas ausführlicher Blick sei dem manuellen Sechsgang-Getriebe gewidmet, das Kia "intelligent" nennt - das Kürzel iMT steht für "intelligent Manual Transmission". Warum intelligent? Weil zwischen Pedal und Kupplung keine mechanische Verbindung besteht. Stattdessen wird das Getriebe von einer elektronisch gesteuerten Kupplung ("Clutch-by-wire") angesteuert. Wenn der Fahrer den Fuß vom Gaspedal lupft, öffnet das iMT die Kupplung und schaltet den Verbrennungsmotor ab, wobei der gewählte Gang eingelegt bleibt. Sobald der Fahrer zurück auf Gas-, Brems- oder Kupplungspedal geht, versetzt der Startergenerator den Motor wieder in den Arbeitsmodus und bringt ihn blitzschnell auf angemessenes Drehzahlniveau.
Das phasenweise antriebslose Fahren kennt man bereits, es läuft unter dem Begriff "Segeln". Beherrscht wurde es bis dato allerdings nur von Autos mit Automatik beziehungsweise Doppelkupplungsgetriebe, nicht aber von solchen mit manuellem Getriebe.
Vom Tun der neuen Technik merkt der Fahrer nichts. Schalten und Kuppeln läuft ab wie gewohnt, der Wechsel in und aus dem Segelmodus erfolgt sanft und kaum merklich.
Das iMT – entwickelt von Kias Technikzentrum Rüsselsheim – soll Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen um rund drei Prozent reduzieren. Daneben könnte es künftig auch teilautomatisierte Fahrfunktionen möglich machen, für die bislang eine Automatik die Voraussetzung war. Auch beim ProCeed ist der Stauassistent nur in Verbindung mit DCT7-Doppelkupplungsgetriebe zu haben.
Wie er sich fährt: Weich und smooth, was keineswegs schwammig bedeutet, sondern einfach schön easy-going und komfortabel. Das Fahrwerk buttert Asphaltflicken und ähnliches Ungemach rücksichtsvoll weg. Ausgewogen und harmonisch fühlt sich das an, gern geht man mit dem ProCeed auf die Langstrecke. Wer einen Kurvenräuber will, sollte besser anderswo suchen.
Was er verbraucht: Der Norm-Mix weist 4,0 bis 3,8 l/100 km aus. Das haben wir nicht erreicht. Unser Schnitt belief sich auf 5,5 l/100 km, was aber immer noch aller Ehren wert ist.
Was er bietet: Viel. Der ProCeed mit Mildhybrid-Diesel ist nur in GT-Line-Ausstattung erhältlich, die nicht mit dem sportlichen GT-Modell zu verwechseln ist. Serienmäßig werden unter anderem LED-Scheinwerfer, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, Alu-Sportpedale, Sitz- und Lenkradheizung, Zweizonen-Klimaautomatik, Digitalradio, Bluetooth-Freisprechen, Karten-Navi, Rückfahrkamera, Regensensor, Tempomat, Parksensoren hinten sowie Fahrhelfer wie Fernlichtassistent, Frontkollisions-, Müdigkeits- und Querverkehrswarner, Spurwechselassistent mit Totwinkelwarner mitgeliefert.
Weitere Ausstattungsdetails sind in Paketen zu recht sozialen Preisen zusammengefasst. Beispiel: Das Technologie-Paket aus Digital-Cockpit, Parksystem, Parksensoren vorn, induktiver Ladestation und sensorgesteuerter Heckklappe kostet 1063 Euro.
Nicht verfügbar ist ein Head-up-Display.
Was er kostet: Ab 29.916 Euro.
Was wir meinen: Der Kia ProCeed ist die schönere Art, Kombi zu fahren, ohne dabei Einschränkungen beim praktischen Nutzwert in Kauf nehmen zu müssen. Mit dem 1,6-l-Diesel verfügt der Shooting Brake über eine zwar nicht übermäßig, aber ausreichend kräftige Antriebsquelle. Das Mildhybridsystem macht ihn ebenso zukunftsfähig wie die das neue Handschaltgetriebe mit elektronisch gesteuerter Kupplung, das "Segeln" ermöglicht und so beim Kraftstoff-Sparen hilft. Die Sieben-Jahres-Herstellergarantie und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis lassen den ProCeed auch in ökonomischer Hinsicht interessant erscheinen.
Ulla Ellmer
Die Daten des Kia ProCeed 1.6 CRDi 48V iMT
Hubraum 1598 ccm, Zylinder 4, Leistung 100 kW/136 PS bei 4000/min, max. Drehmoment 280 Nm bei 1500 - 3000/min, Spitze 230 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 7,6 sec, Normverbrauch innerorts 4,2 – 4,1, außerorts 3,8 – 3,6, kombiniert 4,0 – 3,8 l D/100 km, Testverbrauch 5,5 l D/100 km, CO2-Emission 103 - 98 g/km, Schadstoffklasse Euro 6d-Temp, Energie-Effizienzklasse A+, Länge 4,61 m, Breite 1,80 m, Höhe 1,42 m, Kofferraum 594 bis 1545 l, Kraftstoff-Tank 50 l, AdBlue-Tank 12 l, Leergewicht 1411 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1870 kg, Zuladung 459 kg, Anhängelast 1410 kg (gebremst), 600 kg (ungebremst). Manuelles 6-G-Getriebe, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 15 (KH), 22 (TK), 22 (VK). Preis ab 29.916 Euro.