Fahren mit Flatrate
27.8.2018, 16:38 UhrDie Zeiten, zu denen das Auto als Familienmitglied galt, bedacht mit Kosenamen, über Jahre hinweg sorgsam gehegt und gepflegt - diese Zeiten sind allmählich vorbei. Besitz wird zunehmend als uncool empfunden. Man streamt Musik, statt CDs zu kaufen, und an die Stelle der DVD-Batterie im Wohnzimmerregal ist die Netflix-Flatrate getreten. Beim Auto scheint sich eine ganz ähnliche Entwicklung abzuzeichnen. "Die klassischen Besitzmodelle verlieren speziell für die jüngere Kundschaft an Attraktivität und haben in Zukunft möglicherweise sogar ausgedient", sagt Felix Weller, Vice President von Cadillac Europe.
Nur der Kraftstoff bleibt als Posten
Dass man ein Fahrzeug nicht nur besitzen, sondern auch mieten oder leasen kann, ist nichts Neues. Wohl aber der Flatrate-Gedanke, der hinter jenen Auto-Abonnements steckt, mit denen jetzt die ersten Hersteller auf den Markt gekommen sind. Im Idealfall sieht das dann so aus, dass gegen eine monatliche Rate ein Rundum-Sorglos-Paket geschnürt wird, das Kfz-Steuer, Versicherung, Wartung, Reparaturen, Pannenhilfe und den saisonalen Reifenwechsel beinhaltet, oft sogar die regelmäßige Autowäsche. Bei manchen Anbietern wird das ausgewählte Auto von einem sogenannten Concierge-Service direkt vor die Haustür gebracht. Auch für Werkstattbesuche stehen oft ein Hol- und Bringservice sowie ein Ersatzfahrzeug parat. Nur den Kraftstoff muss der Kunde selbst bezahlen, zudem ist meist die Kilometerleistung begrenzt.
Der Vorteil für den Nutzer einer solchen Flatrate liegt zum einen in der klaren Planungssicherheit, was die Kosten betrifft. Im Unterschied zum Leasing muss auch keine Anzahlung geleistet werden. Obendrein ermöglichen es viele Angebote, das Modell zwischendurch zu wechseln - ein Van für den Familienurlaub, ein Cabrio fürs Sommerwochenende zu zweit, ein Kombi für den Alltag.
Volvo zählt zu den Pionieren
Das Abo-Modell von Mercedes wiederum heißt "Flexperience". Von "car on demand" spricht Daimler-Vertriebsvorstand Britta Seeger: "Unsere Kunden können bis zu zwölf Fahrzeuge im Jahr je nach Wunsch und Bedürfnis flexibel nutzen". Über eine App sieht der Nutzer, welche Fahrzeuge verfügbar sind, wählt Motorisierung, Farbe und Innenausstattung aus, reserviert, bucht und vereinbart die Übernahme. Je nach Kategorie liegt die Monatsrate zwischen 750 und 1.800 Euro, die Jahresfahrleistung beträgt 36.000 Kilometer. Derzeit läuft noch die Testphase in Kooperation mit den Autohandelsgruppen Beresa (Münster, Osnabrück) und Lueg (Essen, Bochum).
Initiiert wurde das neue Geschäftsmodell auch von den jungen Auto-Start-ups aus dem digital bekanntermaßen aufgeschlossenen China, von Nio beispielsweise, Byton oder Lynk & Co. Deshalb ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass ausgerechnet Volvo zu den ersten Anbietern einer Auto-Flatrate zählt. Wie Lynk & Co. gehören die Schweden zum chinesischen Geely-Konzern. Ihr Rundum-Sorglos-Paket heißt "Care by Volvo" und erstreckt sich auf das Kompakt-SUV XC40 (ab 499 Euro/Monat) und den Kombi V60 (ab 599 Euro). Die Laufzeiten variieren zwischen 6, 12, 24 oder 36 Monaten, der entsprechende Vertrag wird online abgeschlossen. Auch "kleinere Gewerbekunden ohne eigenes Flottenmanagement" habe man mit dem Angebot im Blick, wie Volvo-Deutschland-Geschäftsführer Thomas Bauch sagt. "Neben dem genauen Kostenüberblick profitieren sie von Planungssicherheit und müssen sich um nichts kümmern".
Buchen per Smartphone
Der dritte Hersteller, der in Deutschland ein Flatrate-Angebot vorhält, ist Cadillac. "Book by Cadillac" ist nach einer Pilotphase in den Regelbetrieb übergegangen, vorerst in München. Kunden können aus dem kompletten Produktangebot von Chevrolet und Cadillac wählen, also von den Sportwagen Corvette und Camaro bis hin zum großen SUV Escalade. Die Monatsgebühren für die sogenannte Mitgliedschaft richten sich nach der Laufzeit: Bei einem Monat sind 1.700, bei drei Monaten 1.600 und bei sechs Monaten 1.500 Euro pro Monat zu zahlen. Gebucht wird per App, ein Concierge bringt das Fahrzeug innerhalb von 48 Stunden und übernimmt die Einweisung. Sogar die Autobahnvignetten für die Schweiz und Österreich sind im Preis inbegriffen, eine Kilometerbeschränkung gibt es nicht. Die Nachfrage sei "extrem groß", erklärt Helmut Stadler, Hauptverantwortlicher für "Book by Cadillac", es seien weitaus mehr Anmeldungen zu verzeichnen als Abonnenten-Plätze vorgesehen waren: "Offensichtlich treffen wir den Zeitgeist".
Auch andere Automobilhersteller sind ins Geschäft mit den Auto-Abos eingestiegen, allerdings bislang noch nicht in Deutschland. Porsche betreibt testweise "Passport" in den USA, wo man sich für saftige 2.000 bis 3.000 Dollar pro Monat aus einem Angebot bedienen kann, das vom Boxster bis hin zum Cayenne E-Hybrid reicht. BMW bietet in Nashville/USA ab 2.000 Dollar Monatsgebühr "Access by BMW", und der All-inclusive-Service von Jaguar Land Rover heißt "Carpe". Er gilt für Großbritannien, die Pakete für unbegrenztes Fahren, Versicherung, Wartung und Instandhaltung beginnen bei 910 Pfund/Monat und reichen bis zu 2.900 Pfund/Monat für einen Range Rover Sport HSE.
Hohe Monatsraten
Umgerechnet sind das überaus heftige 3.230 Euro. Man muss sich die Abo-Angebote also erst einmal leisten können, zumal sie sich bislang auf Premium-Fahrzeuge beschränken.
Für deren Hersteller sind die Langzeit-Mietmodelle ein Teil jenes Weges, der vom reinen Automobilproduzenten hin zum Mobilitätsdienstleister führt. Er ermöglicht es, am Auto zu verdienen, ohne es verkaufen zu müssen. Zudem hofft man, so die vielumworbene jüngere Kundschaft zu erreichen, die - anfangs sehr zum Entsetzen der Hersteller - ohne eigenes Auto auskommen scheint.
Das Abo-Rezept aber scheint aufzugehen. Cadillac beispielsweise resümiert, dass zwei Drittel der Erstanmelder zwischen 25 und 49 Jahre gewesen seien, und Volvo stellt fest, dass die meisten Care-by-Volvo-Kunden ganz neu zur Marke gestoßen sind.
Ulla Ellmer
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