Honda Clarity: Mit Wasserstoff in die Zukunft?
4.5.2017, 23:08 UhrAuch so kann Elektromobilität funktionieren: Kein Kabelsalat, kein stundenlanges Warten, bis das Auto endlich aufgeladen ist. Keine homöopathischen Reichweiten. Trotzdem elegantes, flüsterleises Fahren, pfeilschneller Ampelstart, relaxtes Reisen. Wenn die Reserven aufgebraucht sind, geht es an die Tankstelle. Dort läuft alles fast wie gewohnt: Zapfhahn andocken, Tankvorgang starten, wenige Minuten warten. Und dann weiterfahren - die nächsten paar hundert Kilometer.
So funktioniert es mit dem Honda Clarity, einer veritablen, fast fünf Meter langen Reiselimousine im leicht futuristischen Kleid. Viel ist zur Zeit von elektrischem Fahren die Rede, und fast immer ist damit batterieelektrischer Vortrieb gemeint - der mit Kabelsalat und Ladefrust also. Daneben gibt es aber auch die Brennstoffzellentechnologie. Fahren mit Wasserstoff (H2) heißt hier die Devise. Im Zuge eines chemischen Prozesses entsteht in den Brennstoffzellen ("Fuel Cells") aus H2 und Luft elektrische Energie für den Antrieb. Aus dem Auspuff quillt letztlich nur Wasserdampf. Wie "grün" diese Form des Vorankommens ist, hängt letztlich davon ab, wie der benötigte Wasserstoff (H2) hergestellt wird. Im Idealfall kommen beim "Power-to-Gas"-Prozess nur regenerative Energiequellen (Windkraft, Solar, Biomasse) zum Einsatz. Das funktioniert dann so, dass mit Ökostrom Elektrolyse betrieben wird, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Aber auch als Abfallprodukt - beispielsweise in der Schwerindustrie - entsteht H2.
Der Konkurrenz was vorgezoomt
Im Honda Clarity kommt schon nach wenigen Kilometern fahrtechnischer Gemeinsamkeit der Gedanke auf: Ja - so würde man gern in die Zukunft reisen! Geschmeidig und sanft gleitet die 174 PS starke Limousine dahin, maximal legt sie 165 km/h vor, und weil das Drehmoment (300 Nm) vom Fleck weg bereitsteht, zoomt der Japaner der konventionell motorisierten Konkurrenz ordentlich was vor. Akustisch wird solches Tun nur von kaum hörbaren Sirren untermalt. Sehr modern fühlt sich das an, der Diesel rechts und der Benziner links an der Ampel erscheinen plötzlich wie ungehobelte Relikte einer fossilen Vergangenheit
Nur leider sind Brennstoffzellen-Autos im Augenblick noch eine handverlesen rare Spezies. Neben dem Clarity gibt es noch den wild gestylten Toyota Mirai sowie das Hyundai-SUV iX 35 Fuel Cell. Mercedes will auf der IAA im September einen GLC vorstellen, der als Hybride sowohl batterieelektrisch als auch mit Brennstoffzelle fährt. Der Honda Clarity ist in Europa hingegen nicht einmal zu kaufen. Im Gegensatz zum Heimatmarkt Japan und auch den USA, wo man beherzt zugegriffen hat, lehnte die Honda-Dependance in der Alten Welt höflich ab, als ihr das H2-Gefährt angetragen wurde - der anspruchsvolle und teure Technologieträger, so die Sorge, könnte die ohnedies unter Druck stehenden Bilanzen in nicht vertretbarem Maße belasten. Bestenfalls wird erst die nächste Clarity-Generation auch nach Europa kommen, was aber nicht mehr in dieser Dekade der Fall sein dürfte.
Und so gelangen europäische Kunden vorerst nicht in den Genuss jenes nahezu unwiderstehlichen, wenn auch von Honda subventionierten Leasingangebots, dessen sich die Amerikaner erfreuen dürfen. Sie leisten beim Händler eine Anzahlung von 2868 Dollar und überweisen dann monatlich eine Rate von 369 Dollar (ca. 336 Euro). Obendrein bekommen sie einen Tankgutschein über - kein Schreibfehler - 15.000 Dollar (13.680 Euro). "Damit kann man während der dreijährigen Leasingzeit ungefähr 150.000 Kilometer weit fahren", sagt Thomas Brachmann, der bei Honda Europa der Spezialist für die Brennstoffzellen-Technologie ist. Und das ist noch nicht alles, denn darüber hinaus kann der US-amerikanische Clarity-Kunde 21 Tage pro Jahr einen kostenlosen, konventionell motorisierten Leihwagen von Avis nutzen.
Zwei Drittel sollen elektrisch fahren
Wenn man die H2-Limousine in der Alten Welt nicht kaufen kann - warum macht man uns dann überhaupt den Mund wasserstoff-wässrig? "Wir wollen zeigen, wo wir stehen und was wir können", sagt Honda-Sprecher Peter Hofmann. Bis 2025, so hat es Europa-Chef Katsushi Inoue angekündigt, sollen zwei Drittel der in Europa verkauften Honda-Modelle über Elektroantrieb verfügen. Der Clarity ist Teil des Projekts "Hy Five", an dem unter anderem auch Daimler, BMW, Hyundai und Toyota beteiligt sind, ebenso wie Linde und OMV. In Großbritannien und Dänemark werden die Wasserstofffahrzeuge an Privatkunden gegeben, deren buchstäbliche Erfahrungen per Telemetrie aufgezeichnet und ausgewertet werden. Hy Five wird zum Jahresende von H2ME (Hydrogen Mobility Europe) abgelöst, das von der Europäischen Kommission initiiert wurde
Es wird also was getan, um der Brennstoffzellentechnologie nach langen Jahren und Jahrzehnten des Experimentierens zum Durchbruch zu verhelfen. Auch Honda vermeldet Fortschritte. Im Unterschied zum Vorgänger ist beim neuen Clarity der Brennstoffzellenstapel ("Stack") vom Mitteltunnel zwischen den Vordersitzen in den Motorraum gewandert. Das schafft mehr Platz, zumal der Stapel zudem noch um ein Drittel verkleinert werden konnte. "Der Clarity ist jetzt ein Fünfsitzer", sagt Thomas Brachmann. Im Fond gibt es geradezu verschwenderisch viel Raum.
Gleichzeitig verringerten die Techniker die Anzahl der Brennstoffzellen auf 358 und gestalteten sie dünner. Weil die Leistungsdichte aber um 50 Prozent gestiegen ist, gibt es trotzdem keine leistungstechnischen Defizite zu beklagen. Die Lithium-Ionen-Batterie haust unter den Vordersitzen, ein kleiner Wasserstofftank (24 l) befindet sich unter der Rücksitzbank, der Haupttank (117 l) unter der Hutablage. Das bedeutet allerdings auch, dass sich im Kofferraum eine üppig trommelförmige Auswölbung auftut, die das Ladevolumen auf 334 l beschränkt. Einen großen Koffer kriegt man hier nicht unter.
Öko-Schick im Innenraum
Bei der Inneneinrichtung war Honda darauf bedacht, Öko-Maßstäben gerecht zu werden. Umweltfreundliche Materialien wurden verbaut; das Material, mit dem Armaturenbrett und Türinnenverkleidungen überzogen sind, besteht aus recyceltem Polyester, die Sitzpolster sind nicht in echtes Leder verpackt, sondern in ein schickes, lederähnliches Material. Premium ist das nicht ganz, aber doch ziemlich hochwertig.
Gemäß Papierform kommt der Clarity mit einer Tankfüllung 650 km weit. Unsere Testfahrt durch die flache und tempotechnisch stark eingebremste Gegend um Kopenhagen erbrachte die Erkenntnis, dass man unter solch wenig fordernden Bedingungen mit einem Kilo Wasserstoff etwa 90 km schafft. Der H2-Vorrat würde also für etwa 450 km reichen. Ein Kilo Wasserstoff kostet etwa 8,50 bis zehn Euro, für die Tankfüllung müssen somit etwa 43 bis 50 Euro einkalkuliert werden. Damit ist man nicht allzuweit von der Rechnung an einer konventionellen Tankstelle entfernt.
Das Problem besteht freilich eher darin, überhaupt eine Wasserstoff-Station aufzutreiben. Im Augenblick gibt es in Deutschland etwa 25 H2-Tankstellen. Bis zum Jahresende 2017 soll diese Zahl eigentlich auf etwa 50 erhöht werden, "aber das werden wir nicht schaffen", sagt Thomas Brachmann mit Hinblick auf das nicht unkomplizierte Abnahmeprozedere.
Japan geht entschlossen vor
In anderen Ländern ist man da schon weiter. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Dänemark mit zwölf Stationen die größte H2-Dichte in Europa. "Die Dänen haben eben ein klares Bekenntnis zur Brennstoffzelle abgegeben", befindet Brachmann. Noch entschlossener gehen die Japaner vor. Dort will man sich komplett unabhängig von fossilen Energieträgern und da vor allem den importierten machen. Die Brennstoffzelle und Wasserstoff spielen dabei eine wichtige Rolle, übrigens auch im häuslichen Bereich, etwa bei der Heizung.
Ob sich die Fuel-Cell-Technologie auch auf dem Automobilsektor und auch bei uns durchsetzt, hängt vom guten Willen vieler ab - dem der Fahrzeughersteller, dem der Politik, aber auch dem von Mineralölkonzernen, die bereit sein müssten, ihre Tankstellen zu Multifuel-Stationen umzustrukturieren, an denen man dann alles zapfen könnte: Benzin, Diesel, Auto- und Erdgas, Strom - und Wasserstoff, für die vielleicht unkomplizierteste Form der Elektromobilität.
Ulla Ellmer
Honda Clarity in Kürze:
Wann er kommt: Nach Europa leider gar nicht
Wen er ins Visier nimmt: Toyota Mirai, Hyundai iX 35 Fuel Cell
Was ihn antreibt: Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle mit AC-Synchronmotor (174 PS)
Wie weit er kommt: Nach Norm 650 km
Was er kostet: In den USA 2868 Dollar plus umgerechnet etwa 336 Euro monatlicher Leasinggebühr bei dreijähriger Laufzeit. Dazu gibt es einen "Tankgutschein" über 15.000 Dollar.
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