Im Fahrbericht: Mazda MX-30e Skyactiv
11.12.2020, 21:07 UhrWie er aussieht: Großartig. Der MX-30 ist das vielleicht schönste Elektroauto, das man sich derzeit an die Steckdose holen kann. Ein 4,40 Meter langer Crossover mit schnittiger Schnauze, coupéhaft abgeschrägter Dachlinie, kleidsamen Beplankungen und vor allem einem ungewöhnlichen Zustiegskonzept: Die hinteren Türen öffnen gegenläufig.
Besonders gut steht dem MX-30 die 3-Ton-Metalliclackierung, die allerdings – je nachdem, für welchen Farbton sich der Kunde entscheidet – happige 1463 oder sogar 1950 Euro kostet. So ist das wohl bei Designerkleidung.
Wie er eingerichtet ist: In einem Maße hochwertig, dass wir versucht sind, das Wort "Premium" zu bemühen. Und: Sehr geschmackvoll. Der stilbewusste Freund modernen Lounge-Ambientes dürfte sich im lichten Innenraum sehr wohlgefällig umsehen. Die bequemen Sitze bezieht Mazda optional mit einem schönen Stoff-Kunstleder-Mix, und wäre die Rückbank nicht in ein Auto geraten, könnte sie so ähnlich auch als Sofa in einem Loft stehen.
Beim Elektroauto-Kunden vermutet man eine ökologische Denke bis hin zum Faible fürs Vegane. Auch deshalb also Kunstleder, Recyclingfasern in den Stoffen und wiederaufbereitete PET-Flaschen in den Türverkleidungen. Gut gemeint sind auch die Applikationen aus nachwachsendem Kork in der Mittelkonsole; sie erinnern ganz nebenbei an Mazdas Wurzeln als Korkverarbeiter, sehen aber ein kleines bisschen aus wie das Ergebnis eines Volkshochschul-Bastelabends, das nachträglich aufgeklebt wurde.
Jetzt aber zur technischen Seite des Interieurs: Das Bedienkonzept ist typisch Mazda, sieht also einen aus dem Instrumentenboard lugenden Bildschirm fürs Multimediale vor, der nicht dem Touchprinzip folgt, sondern über einen Dreh-Drück-Regler auf der Mittelkonsole, über Lenkradtasten oder über eine Sprachsteuerung bedient wird. Neu ist ein zweites Display in der Mittelkonsole; hier darf der Zeigefinger ran, um per Tipp die Klimaautomatik sowie die Sitz- und Lenkradheizung zu steuern. Bis auf die nur mittelmäßig verständnisvolle Sprachsteuerung funkioniert das alles ganz prächtig.
Serienmäßig rückt der MX-30 sogar ein Head-up-Display ins Blickfeld.
Wie viel Platz er hat: Der MX-30 ist kein Raumwunder. Vorne sitzt es sich angenehm hoch und reist es sich sehr bequem. Aber den knapp geschnittenen Fond werden zumindest Erwachsene nicht als Wohlfühlort empfinden, zumal die schmalen Seitenscheiben nur eine eingeschränkte Aussicht bieten. Wenig aufschlussreich sind auch der Blick schräg nach hinten und der durch die Heckscheibe; das Premium-Paket (dazu später mehr) sollte man sich schon wegen des 360-Grad-Monitors und der Ausparkhilfe mit notbremsendem Querverkehrswarner leisten.
An dieser Stelle müssen wir noch einmal auf die gegenläufig öffnenden Portaltüren zurückkommen: Ja, sie sehen schick aus, ja, beim Zustieg in den Fond oder beim Festschnallen des Nachwuchses ist keine B-Säule im Weg. Und ja, die hintere Tür lässt sich sogar vom Fahrersitz aus zuziehen. Praktisch ist das Konzept aber trotzdem nicht. Um die Fondtür öffnen zu können, muss erst die vordere aufgemacht werden. Und wirklich geschmeidig gleitet der rückwärtige Passagier auch nicht in sein Habitat.
Der Kofferraum packt 366 Liter weg und lässt sich durch Umklappen der Rücksitzlehnen in gewohnter Manier erweitern, dies auf 1171 Liter.
Was ihn antreibt: Ein 107 kW/145 PS starker Elektromotor, der ein maximales Drehmoment von 271 Newtonmetern produziert und von einem Lithium-Ionen-Akku mit 35,5 kWh Kapazität versorgt wird. 35,5 kWh – viel ist das nicht. Um es einzuordnen: Selbst ein elektrischer Autozwerg wie der Skoda Citigo iV bietet 32,2 kWh, beim Kia e-Niro sind es bis zu 64 kWh.
Mazda spricht von "Rightsizing" und rechtfertigt die geringe Akkuleistung mit Erkenntnissen aus der Life-Cycle-Assessment-Forschung. Die hat – wenig überraschend - ergeben, dass Elektroautos mit kleinen Akkus über ihren Lebenszyklus hinweg weniger CO2-Emissionen verursachen als ihre Pendants mit XL-Batterien.
Wie weit er kommt: Der nette Herr, der den MX-30 aus Leverkusen zu uns in die Redaktion nach Nürnberg gebracht hat, blickt ergeben auf seine rund 430 Kilometer lange Fahrt zurück. Insgesamt viermal habe er nachladen müssen, sagt er. Trotzdem meldet der E-Crossover nur 39 Kilometer Restreichweite, als er bei uns ankommt.
Damit ist das Problem mit dem MX-30 auch schon umrissen: Es liegt in der kleinen Batterie und der daraus resultierenden geringen Reichweite. Nach WLTP soll der Japaner in der Stadt 262 Kilometer weit kommen und im Mix 200. Schon das ist wenig. Und die Realität sieht noch einmal anders aus. Zugegeben, die zwei Wochen, die wir mit dem Japaner verbrachten, fielen in die erste Schnee- und Frostperiode dieses Winters. Das sind harte Bedingungen für ein Elektroauto. Dennoch bleibt festzuhalten, dass uns der Bordcomputer bestenfalls (!) 152 Kilometer in Aussicht stellte, wenn wir den MX-30 vollgeladen vom Strom nahmen. Und wir waren keineswegs überwiegend über die Landstraße gebrettert.
Der Warnhinweis "Ladestand Hochvoltbatterie niedrig" wurde zu unserem ständigen Begleiter. Man möchte so ein Elektroauto ja nicht komplett leerfahren, deshalb stellt sich bereits ab 50 Kilometern Restreichweite eine gewisse Besorgnis ein. Und so erscheint uns selbst die Fahrt zur Tochter – hin und zurück 120 Kilometer – als riskantes Unternehmen. Nicht wissend, ob die am Zielort befindlichen Ladestationen frei sein würden, richten wir uns auf der Autobahn vorsichtshalber mit 80 km/h im Windschatten älterer osteuropäischen Lkws ein; die anderen Laster überholen uns, teils nach wütendem Betätigen der Lichthupe. Frierend sitzen wir hinterm Lenkrad, denn sämtliche Heizelemente haben wir zwecks Stromersparnis ausgeschaltet. "Bitte atmen", fordert die Smartwatch, aha, selbst am Handgelenk ist unsere Anspannung zu spüren.
Nun kann man einwenden, dass der MX-30 eben nicht für längere Strecken konzipiert wurde. Und dass 150 bis 200 Kilometer locker ausreichen, um die tägliche Pendlerdistanz zurückzulegen. Oder dass ein Smart EV doch noch weniger schafft, ohne Schelte zu kassieren. Aber: Der Mazda MX-30 ist kein kleiner Autozwerg, sondern ein veritabler Crossover. Da ist die Erwartungshaltung einfach eine andere. Großes Auto, kleiner Akku – wir finden, dass das nicht zusammenpasst.
Wie er lädt: Basisdisziplin ist das Stromfassen an der Haushaltssteckdose, wo sich der verhältnismäßig kleine Akku über Nacht – in zehn bis zwölf Stunden - komplett befüllen lässt.
Der Regelfall dürfte das Wechselstrom-Laden an einer Wallbox oder öffentlichen Ladestation sein. Allerdings besitzt der MX-30 nur eine Ladeleistung von 6,6 kW und lädt lediglich einphasig. Was das heißt, verdeutlicht eine Rechnung: Weil er nur eine von drei Phasen nutzt, zieht der Japaner an der 11-kW-Wallbox nicht mehr als 3,7 kW (11 geteilt durch 3). Seine volle Ladeleistung kann er erst an der 22-kW-Stromtanke voll ausschöpfen. Den Akku von 0 auf 80 Prozent zu bringen, nimmt vier bis fünf Stunden in Anspruch, Vollladen auf 100 Prozent dauert sieben bis acht Stunden.
Die Königsdisziplin stellt Gleichstrom-Schnellladen an einer "Turboladestation" dar. Hierfür ist der MX-30 mit einem CCS-Anschluss und 50 kW Ladeleistung gerüstet. In 30 bis 40 Minuten erreicht der Akku dann 80 Prozent Ladestand.
Wie er sich fährt: Wirklich toll, und genau deshalb ist es ja ein solcher Jammer, dass die Reichweite nicht höher ausfällt.
9,7 Sekunden braucht der MX-30 von 0 auf 100 km/h, das macht schon klar, dass er ein weniger talentierter Sprinter ist als etliche seiner elektrischen Artgenossen. Letztlich kommt es aber auf andere Qualitäten an. "Handling top", notierten wir und setzten ein Ausrufezeichen dahinter, nachdem wir mit dem leichtfüßigen und agilen MX-30 über kurviges Geläuf getanzt waren. "Sehr sicher", schrieben wir dazu, und: "sehr souverän".
Die Topspeed ist, des Stromverbrauchs wegen, auf 140 km/h beschränkt. Und doch: Wie unangestrengt der Japaner auf der Autobahn mithält, wie komfortabel es sich reisen lässt – ach, da kommt schon der Wunsch auf, länger Strecke zu machen. Allerdings ist die Reichweite… aber das hatten wir ja schon.
Reden wir lieber übers Rekuperieren: Das funktioniert prima und jeweils zweistufig über die beiden Lenkradwippen. Mithilfe der rechten lässt man den Mazda freier rollen, mithilfe der linken verstärkt sich die Bremswirkung – allerdings nicht, wenn der Akku noch (weitestgehend) vollgeladen ist.
Was er verbraucht: Nach WLTP-Norm 19 kWh/100 km. Das kommt hin, wir ermittelten im Schnitt 19,6 kWh, bei Kälte bis hin zum Frost, wohlgemerkt. Mit Topspeed über die Autobahn zu eilen, hatte hingegen rund 24 kWh zur Folge. Andererseits sind bei verhaltenen Stadtfahrten auch 15-komma-x-Werte möglich.
Was er bietet: Mazda hat seinen ersten Stromer üppig bedacht: Das Werk verlässt er immer mit 18-Zoll-Alurädern, Voll-LED-Scheinwerfern, Head-up-Display, Klimaautomatik, Navi, Verkehrszeichenerkennung und diversen Fahrassistenten wie dem Adaptivtempomat mit Stauassistenzfunktion.
Besonders interessant ist das auch gut ein Vierteljahr nach Marktstart noch erhältliche Launch-Modell "First Edition", das keine 500 Euro Aufpreis kostet, dafür aber Mehrwert wie Metalliclack, Digitalradio, elektrische Fahrersitzverstellung, besonders schicke Innenraumkonzepte und vor allem das hervorragende Matrix-Licht mitbringt. Weitere Ausstattungsdetails sind übersichtlich in Paketen gebündelt – das Premium-Paket (1901 Euro) beispielsweise umfasst unter anderem den 360-Grad-Monitor, Frontüberwachung, eine erweiterte Stauassistenzfunktion und ein Bose-Soundsystem mit zwölf Lautsprechern.
Was er kostet: Ab 32.646 Euro, als "First Edition" –den der Käufer im Augenblick kaum ignorieren kann - ab 33.134 Euro. Abzüglich der Innovationsprämie in Höhe von 9480 Euro ergeben sich 23.654 Euro. Das ist ein echtes Wort.
Was wir meinen: Ausdrucksstarkes Design, feines Interieur, tolle Fahreigenschaften, üppige Ausstattung – der Mazda MX-30 ist ein fabelhaftes Auto. Nur die geringe Reichweite will so gar nicht passen. Sicherlich wird es Kunden geben, deren mobile Gepflogenheiten nicht mehr Kilometer pro Akkuladung erfordern. Und auch der überaus günstige Preis wäre mit einer größeren Batterie nicht zu halten – beim Kia e-Niro beispielsweise kostet das Upgrade von 39,2 auf 64 kWh rund 3700 Euro. Aber wenigstens gibt es die Alternative. Dem MX-30 geht sie ab.
Sollte sich Mazda nicht doch noch für eine größere Lösung entscheiden, bleibt nur das Warten auf die MX-30-Variante mit Range Extender: Ein kleiner Wankelmotor wird dann eine bordeigene Stromproduktion für die E-Maschine betreiben, schon 2021 könnte es soweit sein. Eine feine Sache, aber halt etwas ganz anderes als ein reines Elektroauto. Schade um den schönen Stromer.
Ulla Ellmer
Die Daten des Mazda MX-30 e-Skyactiv
Leistung 107 kW/145 PS bei 4500 – 11.000/min, max. Drehmoment 271 Nm bei 0 – 3240/min, Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 35,5 kW/h, Ladeanschluss Typ 2 (bis 6,6 kW) und CCS (50 kW). Normverbrauch 19,0 kWh/100 km, Testverbrauch 19,6 kWh. Reichweite Norm 265 km städtisch, 200 km kombiniert. Spitze 140 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 9,7 sec. CO2-Emission 0 g/km, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 4,40 m, Breite 1,80 m (ohne Außenspiegel), 2,00 m (mit Außenspiegeln), Höhe 1,56 m, Kofferraum 366 - 1171 l, Leergewicht 1645 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2119 kg, Zuladung 463 kg, Automatik, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 14 (KH), 19 (VK), 22 (TK). Preis ab 32.646 Euro (16 Prozent MwSt), Innovationsprämie in Höhe von 9480 Euro brutto abzugsfähig.