Im Fahrbericht: Opel Zafira-e Life
11.4.2021, 18:06 UhrWie er aussieht: Für einen Kleinbus ungewohnt schnittig. Hoch gezogene Scheinwerfer, ein breiter Grill und LED-Tagfahrleuchten verpassen ihm ein markantes Gesicht. Nutzwagen-Feeling kommt lediglich am bieder gestalteten Heck auf. Die Zutaten für den Zafira-e Life stammen aus dem PSA-Konzernregal, bis auf ein paar Feinheiten tragen Peugeot Traveller und Citroën Spacetourer das gleiche Kleid – wie übrigens auch der Toyota ProAce Verso. Auf den ersten Blick ist der Zafira-e nur durch den zusäzlichen "Tankdeckel" im linken Kotflügel von seinen kraftstoffbetriebenen Brüdern zu unterscheiden.
Wie er eingerichtet ist: Praktisch und solide. Denn obwohl der Zafira in der Austattungslinie "Tourer" mit allerlei Annehmlichkeiten daherkommt, mutet der Innenraum trist an. Bis auf die Polster in "Leder Claudia" dominiert Hartplastik. Willkommene Ablenkung liefert das eindrucksvolle Panorama-Glasdach, das vor allem jüngere Fahrgäste im Fond verzückt. Das Cockpit ist übersichtlich und aufgeräumt, nettes Gimmick: Die Anzeigen im Tacho sind analog, auch für den Ladestand und Energieverbrauch schwingt eine Nadel. Gewöhnungsbedürftig bleibt der Schalthebel, der nicht mehr als ein kleiner Schieber ist, träge reagiert und zu tief sitzt. Ergänzend zum klein geratenen 7-Zoll-Touchscreen klappt ein Head-Up-Display aus dem Armaturenbrett, das Geschwindigkeit und Abstand anzeigt. Die tiefe Position macht es beinahe überflüssig, gleiches gilt für die viel zu zärtlichen Massagesitze, die Aufpreis statt Entspannung zur Folge haben.
Wie viel Platz er hat: Jede Menge. Weil das dicke Batteriepaket im Fahrzeugboden untergebracht ist, gibt es keine Platz-Einbußen im Innenraum. Viel Beinfreiheit und eine erhöhte Sitzposition vermitteln ein überlegenes Fahrgefühl. Satte 4200 Liter Ladevolumen stehen bei ausgebauten Sitzen/Sitzbänken zur Verfügung. Selbst bei voller Bestuhlung lässt sich dank Schienensystem der Innen- und Laderaum flexibel gestalten. Die L-Version, die gut 30 Zentimeter länger ist, schluckt nochmal 500 Liter Gepäck mehr. Wenn auch das nicht reicht, kann und darf der Zafira-e 1000 Kilogramm ziehen - alles andere als selbstverständlich für ein E-Auto.
Was ihn antreibt: Im Zafira-e Life schlägt das gleiche E-Herz wie im Corsa-e. Während der 136 PS starke Elektromotor aus dem PSA-Konzern den Kleinwagen gut vorwärts schiebt, büßt der schwere Kleinbus jegliches Temperament ein. Zu einem Hindernis für den Straßenverkehr macht ihn das aber nicht: In 4 Sekunden hat die Tachonadel Tempo 50 erreicht, nochmal 7 vergehen, ehe 100 auf der Anzeige stehen. Bei 130 km/h schiebt das Steuergerät einen Riegel vor.
Wie weit er kommt: Nicht weit genug, um Kritiker zu überzeugen. Offiziell soll der Zafira-e Life mit einer Akkuladung 330 Kilometer packen. Die Realität sind anders aus: Nach nicht einmal 200 Kilometern im Alltagsbetrieb ist der 75-kWh-Stromspeicher leergesaugt. Das entspricht einem Verbrauch von rund 35 kWh/100 km, eine "Tankfüllung" kostet demnach über 20 Euro. Der Zafira mit kleinem Akku (50 kWh) bleibt angesichts der Reichweite wohl eher den Gewerbetreibenden vorbehalten. Mit ein paar Tricks lassen sich immerhin ein paar Extra-Kilometer herauskitzeln, worunter Fahrspaß und Komfort aber deutlich leiden: Bei zurückhaltender Fahrweise, cleverem Rekuperieren und im Eco-Modus (Motor und Klima/Heizung laufen auf Sparflamme) schrubbt der Zafira rund 70 Kilometer mehr auf den Zähler.
Wie er lädt: Opel spendiert dem Zafira-e einen 11 kW starken On-Board-Charger und, wenn's mal schnell gehen muss, die Möglichkeit zum Anstöpseln an die Schnellladesäule (bis 100 kW). Letztere pumpt den 75 kW großen Akku in 45 Minuten auf 80 Prozent auf. Fürs Protokoll: Auch das Laden an der Haushaltssteckdose funktioniert, dauert allerdings fast zwei Tage.
Wie er sich fährt: Souverän, komfortabel, ein wenig behäbig. Der Zafira braucht eine Gedenksekunde, ehe er in die "Gänge" kommt und dann auf den ersten Metern ganz gut anschiebt. Danach ist wieder entspanntes Cruisen angesagt, was der große Wagen par excellence beherrscht: Leise und gut gefedert dahingleiten, eine Hand hat der Fahrer an der leichtgängigen Lenkung, die andere bequem auf der Armlehne. Dank Spurassistent und Abstandstempomat schwimmt der Zafira auf der Autobahn lässig mit, die linke Spur sollte er angesichts 130-km/h-Begrenzung tunlichst meiden. Ein enges Parkhaus muss der Opel-Bus dagegen nicht fürchten: Die 180-Grad-Rückfahrkamera macht das Manövrieren kinderleicht.
Was er kostet: Opel stellt drei Fahrzeuglängen (S/M/L) und vier Ausstattungsvarianten (Selection, Edition, Tourer und Elegance) zur Wahl. 53.800 Euro kostet das mittelgroße Einstiegsmodell, 66.595 Euro die Top-Variante in maximaler Länge (exklusive Umweltprämie). Für den großen Akku sind nochmal stolze 5000 Euro Aufpreis fällig. Aus Sicht einer Familie mit kleinen Kindern lässt sich am getesteten, üppig ausgestatteten "Tourer" gut der Rotstift ansetzen: Elektrische Schiebetüren, Massagesitze, Head-Up-Display und Premium-Lautsprecher sind nicht gerade die Ausstattungsmerkmale, auf die eine Rasselbade on the road großen Wert legt. Das Basismodell ist bereits solide ausgestattet und lässt sich mit ein paar Wunsch-Extras verfeinern.
Was wir meinen: Viel Platz, entpannte Fahreigenschaften, aber hoher Verbrauch: Der Opel Zafira-e Life macht in fast allen Bereichen eine gute Figur. Für Familien, die sich abseits von V-Klasse und Bulli umschauen möchten, ist er eine interessante Alternative, zumal die Kleinbusse aus anderem Hause entweder weniger bieten oder deutlich teurer sind. Einen dicken Wermutstropfen gilt es in Sachen Reichweite zu schlucken, weil der Zafira täglich an die Steckdose muss. Das dürfte überzeugten Diesel-Bus-Fahrern in die Karten spielen, doch diesen sei abschließend gesagt: Mit einem elektrischen Kleinbus gehören Kurzstrecken-Sorgen - wie verstopfte Partikelfilter, verölte Turbolader und verkokte Abgasregelventile - der Vergangenheit an.
Philip Hauck
Die Daten des Opel Zafira-e Life
Leistung 100 kW/136 PS, max. Drehmoment 260 Nm, Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 75 kW/h, Ladeanschluss Typ 2 (einphasig bis 7,4 kW, optional dreiphasig bis 11 kW) und CCS (bis 100 kW). Spitze 130 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 13 sec. Normverbrauch 26,1-21,7 kWh/100 km, Testverbrauch 35kWh/100 km. Reichweite Norm max. 330 km Mix, CO2-Ausstoß 0 g/km, Länge (M) 4,95 m, Breite 2,2 m, Höhe 1,89 m, Gepäckraum 451 - 1405 l, Leergewicht 2084 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2900 kg, Anhängelast 1000 kg, Frontantrieb, Automatik. Preis ab 53.800 Euro.