Volvo XC40 Recharge P8: Schwedisch stromern
21.2.2021, 12:50 UhrVolvo schreckt nicht davor zurück, einen Cut zu machen: Seit dem vergangenen Jahr wird die gesamte Modellpalette auf 180 km/h eingebremst. Und für den XC40 steht der klassische Antrieb seines Segments, der Diesel, überhaupt nicht mehr zur Disposition.
Stattdessen sucht das Kompakt-SUV den Anschluss an die Steckdose. Zwei Varianten mit Plug-in-Hybridantrieb gibt es bereits. Und obendrein kommt dem XC40 jetzt die Rolle des vollelektrischen Wegbereiters im Volvo-Programm zu.
Akku mit 78 kWh
Getauft wurde der neue Stromer auf den etwas sperrigen Namen "P8 Recharge P8 AWD". Zwei Elektromotoren mit jeweils 150 kW/204 PS generieren eine Gesamtleistung von 300 kW/408 PS sowie ein üppiges Drehmoment von 660 Newtonmetern. Und, weil je eine Maschine an der Vorder- und Hinterachse sitzt, Allradantrieb. Der im Fahrzeugboden verbaute 78-kWh-Akku ermöglicht maximal 418 Kilometer Reichweite; bei überwiegendem Betrieb im Stadtverkehr stellen die Schweden bis zu 539 Kilometer in Aussicht.
Den Antriebsstrang kennt man bereits aus der Sportlimousine Polestar 2. Das kommt nicht von ungefähr, denn Polestar ist ebenso wie Volvo ein Kind der chinesischen Konzernmutter Geely.
Optisch entfernt sich der 4,43 Meter lange XC40 Recharge nicht allzu weit von seinen Geschwistern, und doch steht ihm die elektrische Identität ins Gesicht geschrieben. Den Unterschied macht ein geschlossener Kühlergrill, der bestens zum sowieso schon clean und puristisch angelegten Auftritt des nordischen SUVs passt. Auch der skandinavisch stilsicher eingerichtete Innenraum vermittelt klare Eleganz; als zentrales Element fungiert ein Touchscreen im markentypischen Hochkant-Format, der ein komplett neues, Android-basiertes Infotainment beherbergt. Dazu später mehr.
Für ein erstes Kennenlernen stand der XC40 Recharge in Hamburg bereit. Die Hansestadt wechselt gerade vom Frost- in den Frühlingsmodus, die Eisplatten auf der Binnenalster schmelzen dahin, eine Außentemperatur von 8 Grad Celsius lässt freundlichere Bedingungen für eine elektrische Ausfahrt erhoffen als die tiefgekühlten Tage vorher. Einsteigen und losfahren, auch das kennt man vom Polestar 2: Der Startknopf ist obsolet geworden, ein Sensor im Fahrersitz erspürt, dass wir Platz genommen haben. Weil wir außerdem den Schlüssel mitbringen, genügt es, die Fahrstufen "D" oder "R" einzulegen und das Strompedal zu drücken, um den Schweden in Bewegung zu versetzen.
Dammtor, Reeperbahn, Landungsbrücken: Schön schön, mit welch unkomplizierter Gelassenheit das Elektro-SUV durch die City stromert, wie wohldosiert es seine Kraft abgibt und wie ruhig es den nicht immer flickenfreien Asphalt glattbügelt. Auch fahrtechnisch, so die Erkenntnis, ist der Recharge-Volvo unverkennbar Premium.
Bremsen ohne Bremspedal
Wir nutzen das sogenannte One-Pedal-Driving, das etwas umständlich über die Fahreinstellungen am Bildschirm aktiviert werden muss, sich aber gerade im Stadtverkehr bezahlt macht, denn die häufigen Ausrollphasen bieten beste Voraussetzungen zum Rekuperieren, der Rückgewinnung von Energie also. Die Verzögerung fällt ziemlich stark aus, das Bremspedal brauchen wir kaum noch. Eine zusätzliche, etwas mildere Rekuperationsstufe wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen.
Die Gegend um die Elbchaussee ist nicht arm an PS-Größen; dass der XC40 Recharge dank seines ansatzlos verfügbaren Drehmoments viele von ihnen mühelos stehen lässt, haben wir schon bei diversen Ampelstarts bemerkt. Wir wollen die verfügbaren Kräfte aber noch weiter ausloten und biegen auf die Autobahn ein. Den Beschleunigungsstreifen nimmt der 2,2-Tonner mit Verve, gerne nehmen wir ihm den 0-auf-100-Sprint in 4,9 Sekunden ab. Dass, wie bei allen Volvo-Modellen, bei 180 km/h Schluss ist, dürfte gerade der auf Resourcenschonung bedachte E-Fahrer ohne größeres Murren akzeptieren.
Wie viele Kilometer Strecke mit unserem Stromvorrat noch möglich sind, lässt uns der Bordcomputer leider nicht wissen. Eine Reichweitenanzeige gibt es nicht, das Fahrerdisplay kommuniziert nur den Akku-Füllstand in Prozent. Wenn er unter 20 sinkt, schlägt das Navi automatisch unmittelbar erreichbare Ladestationen vor. Ausprobiert haben wir das nicht.
Zum Abschluss unserer Fahrt werfen wir einen Blick auf den Stromverbrauch: Mit 25,4 kWh/100 km beziffert ihn der Bordcomputer, hinter uns liegt allerdings überwiegend Stadtverkehr. Volvo gibt einen WLTP-Normwert von 23,8 bis 25 kWh an.
Vorbereitet fürs Turbo-Laden
Und was muss man zum Laden wissen? Folgendes: Wechselstrom (AC) aus Wallbox oder öffentlicher Ladesäule zieht der XC40 Recharge dreiphasig und mithilfe eines 11-kW-Onboardladers, darüber hinaus ist er zum Schnellladen von Gleichstrom (DC) bis 150 kW befähigt, an der Turboladesäule wäre der Akku binnen 40 Minuten zu 80 Prozent gesättigt. Die Ladekabel lassen sich übrigens in einem praktischen 31-Liter-Stauraum unter der Motorhaube unterbringen; dieser "Frunk" ergänzt das eigentliche Gepäckabteil, dessen Fassungsvermögen (414 bis 1328 Liter) gleichauf mit dem der übrigen XC40-Varianten liegt.
Auf unseren Wegen durch Hamburg haben wir uns von Google Maps leiten lassen. Als erster Volvo bekommt der XC40 Recharge das neue Android-Infotainmentsystem, mit dem bereits der Polestar 2 arbeitet und das gemeinsam mit Google entwickelt wurde. Insofern bietet es auch Zugriff auf Funktionen wie die Spracherkennung Google Assistant und ermöglicht beispielsweise eine Smart-Home-Verknüpfung.
Vermissen lassen alle XC40-Varianten ein Head-up-Display, für ein Fahrzeug der Premium-Klasse durchaus ein Manko.
Systeme für die Sicherheit
Umfänglich anwesend sind dagegen sicherheitsrelevante Systeme, sie reichen von der Oncoming Lane Mitigation (erkennt ein Überfahren der Mittellinie und lenkt das Fahrzeug bei Gegenverkehr zurück in die richtige Spur) über die Run-off Road Protection, welche beim Abkommen von der Fahrbahn präventiv Maßnahmen zum Schutz der Insassen ergreift bis hin zu einer neuen Funktion des Pilot Assist – das teilautonome Fahrerassistenzsystem bringt den XC40 jetzt zum Stillstand, wenn der Fahrer trotz mehrfacher Aufforderung nicht die Hände ans Lenkrad legt.
Vorerst ist der XC40 Recharge P8 4WD als luxuriöses Topmodell zu bestellen, die Preise beginnen bei stattlichen 62.000 Euro, abzugsfähig ist die reduzierte Innovationsprämie in Höhe von 7975 Euro brutto. Günstigeres ist aber in Sicht: "Deutlich unter 60.000 Euro", wie Volvo-Deutschland-Chef Thomas Bauch sagt, soll demnächst eine etwas weniger opulent ausgestattete Variante zu haben sein. Und bis zum Jahresende wird ein Fronttriebler mit nur einem 204-PS-Motor nachgereicht. Für diese Version soll es dann auch einen kleineren Akku geben.
Avisiert ist zudem ein weiterer Stromer, der eher in Richtung Crossover gehen dürfte. Näheres wollen die Schweden am 2. März bekanntgeben. Dann soll auch kommuniziert werden, ob und wann man eine verbrennerfreie Zukunft angeht. Ford (2030) und Jaguar Land Rover (2025) haben bereits eine entsprechende Timeline skizziert. Dem dürfte sich Volvo anschließen – die Schweden schrecken bekanntlich nicht davor zurück, einen Cut zu machen.
Ulla Ellmer
Volvo XC40 Recharge P8 AWD in Kürze:
Wann er kommt: Ist bereits bestellbar
Wen er ins Visier nimmt: VW ID.4, Audi Q4 e-tron, Tesla Model Y, Mercedes EQA
Was ihn antreibt: Zwei Elektromotoren (vorne/hinten) mit je 150 kW/204 PS, Gesamtleistung 300 kW/408 PS
Was er kostet: Ab 62.000 Euro
Was noch folgt: Günstigeres Einstiegsmodell, Versionen mit Frontantrieb und kleinerem Akku