Weltpremiere Generation VIII: Golf bleibt Golf!
26.10.2019, 11:29 UhrIn Zeiten, in denen Volkswagen die Elektrorevolution ausgerufen und mit dem ID.3 so etwas wie den akkubetriebenen Golf der Zukunft vorgestellt hat, mutet es fast ein wenig altbacken an, den Bestseller der Marke teils althergebracht angetrieben auf die Straße zu schicken. Doch der Plan macht Sinn, denn nicht jeder Autofahrer wird sich für die Elektromobilität begeistern können - und so eher auf den konventionellen Kompakten der Wolfsburger zu setzen.
Bei der IAA in Frankfurt durfte der neue Golf noch nicht ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, die September-Show gehörte dem elektrifizierten ID.3. Doch nun, mit einiger Verzögerung, man könnte sagen: Respektabstand, flammten in der Wolfsburger Autostadt die Scheinwerfer auf, lichteten sich die Nebel, fiel die Pelerine: Der Neue ist da.
Joachim Löw auf Proberunde
Volkswagen-Chef Diess pries dabei die langjährige Ikone der Marke, Design-Grandseigneur Giorgio Giugiaro verwies auf sein Werk, aus der erste Golf hervorging. Und Fußballbundestrainer Joachim Löw plauderte über sein Erfolgserlebnis - auf der Straße, nicht auf dem grünen Rasen: Er durfte vorab ein paar Runden mit dem Neuen drehen.
Doch das war Show, was aber ist Sache? Ganz klar: Golf bleibt Golf! Oder doch nicht? Der Habitus der achten Version des Bestsellers kommt zwar in gewohntem Stil daher, etwas geduckter, etwas windschlüpfiger. Doch vor allem "innerlich" ändert sich der Charakter des Kompakten. Denn mit der Voll-Vernetzung geht der Deutschland-Achter dauerhaft online – und stellt sein ganzes Hightech-Können auf einem für Besitzer dieses Modells ungewohnten, teils etwas überfrachtet wirkenden Breitband-Bildschirm dar.
Probleme im Vorfeld
Weil der Golf gespickt ist mit Elektronik gab es wohl in den letzten Monaten der Entwicklung einige Probleme, die, so wurde berichtet, sogar zu einer verzögerten Auslieferung hätten führen können. Doch nun scheint man das Ganze im Griff zu haben und kann den Neuen an den Start bringen. VW spricht in diesem Zusammenhang "von einem Innovationsschub für die Kompaktklasse".
Dabei bezieht man sich vor allem auf das Interieur mit der digitalen Benutzeroberfläche. Skeptikern gibt man den Hinweis mit auf den Weg, dass es sich um ein "selbsterklärend funktionierendes Innovision-Cockpit" handelt – wohl wissend, dass die Golf-Kundschaft stets einen Hang zum Konservatismus hatte.
Smartphone statt Autoschlüssel
Man wird sich umgewöhnen müssen: Mobile Key (Smartphone statt Wagenschlüssel), Always on (stets vernetzt für Streaming, Webradio und anderes), Functions-on-Demand (nachträglich per Update schaltbare Systeme und Funktionen), Alexa fragen (das Amazon-System ist direkt integriert).
Was merkt man davon bei der ersten Sitzprobe? So lange die Systeme nicht eingeschaltet sind, wenig. Doch das Cinemascope-Display, das nach dem Start aufleuchtet, deutet unweigerlich an, dass der Golf in der Neuzeit angekommen ist. Bedienung? Intuitiv. Weniger Drück- und Drehtasten. Tippen und Wischen ist angesagt, Smartphone-like eben. Sitzposition? Gewohnt gut. Rundumsicht? Auch gut, wenngleich ob des etwas gedrungeneren Dachaufbaus nicht mehr ganz so unproblematisch, wie man es vom kastenförmigen Design früherer Modelle her kennt. Raumangebot? Nichts zu bemängeln, weder was den Fond noch den Kofferraum anbelangt.
Ob der ganz offensichtlich in den Vordergrund gerückten Digitalisierungs-Orgie - Pardon: Digitalisierungs-Offensive - stellt sich freilich die berechtigte Frage, ob es auch noch andere Fortschritte beim Golf VIII gibt. Gibt es, als da wären:
Fünf Hybride kommen
Die Antriebe werden effizienter. Mit neuen Techniken (hier vor allem Hybridsystemen) soll der Verbrauch im Vergleich zum Vorgänger um bis zu 17 Prozent sinken. Fünf Hybride sind angedacht, davon drei mit kleinster Stufe (eTSI, Mild-Hybrid, 48-Volt-Generator) und zwei mit eHybrid (Akku, Aufladung an der Steckdose). Eine Erdgasvariante (TGI) und Diesel (TDI) kommen dazu. Bemerkenswert: Die TSI-Benziner bis zur 130-PS-Leistungsstufe arbeiten nun nach dem Miller-Brennverfahren, die Diesel mit zweifacher Adblue-Einspritzung. Sobald alle Aggregate verfügbar sind, wird es eine 90- bis 300-PS-Spreizung des Leistungsspektrums geben.
Angesichts der Tatsache, dass es sich beim Golf VIII um einen rollenden Computer handelt, ist es nur logisch, dass viele Assistenzsystem geschaltet werden können. Ganz neu: Die Car2X-Kommunikation. Bedeutet: Der Golf kann mit anderen, ähnlich gerüsteten Fahrzeugen Kontakt aufnehmen. Möglich ist auch assistiertes Fahren bis 210 km/h, wobei das System auf Distanzkontrolle und Spurhaltung zugreift. Sollte der Fahrer unaufmerksam sein und länger als 15 Sekunden keine Hand am Lenkrad haben, kommt der Golf automatisch zum Stehen.
Abschied nehmen heißt es auch von den Ausstattungsvarianten Trendline, Comfortline und Highline. Stattdessen lautet die Nomenklatur der Ausstattungen jetzt schlicht auf Golf, Life und Style. Und: GTI, TCR, GTD und Co folgen nach.
Auffallend im Zusammenhang mit der Neuvorstellung: VW spricht wenig über das Design. Verständlich, denn der Wagen ist zwar umgestaltet und wirkt etwas sportlicher und flacher als der Vorgänger, die elementaren Unterschiede freilich erkennt man erst, wenn man alt und neu nebeneinander stellt. Golf bleibt eben doch Golf.
Gerhard Windpassinger
VW Golf VIII in Kürze:
Wann er kommt: Lieferbar ab Dezember
Wen er ins Visier nimmt: Unter anderem Opel Astra, 1er BMW, Ford Focus, Toyota Corolla, Peugeot 308
Was ihn antreibt: Wie gehabt Benziner und Diesel, dazu zwei Plug-in-Hybride (204 und 245 PS), eine Erdgas-Version
Was er kostet: Vermutlich ab ca. 20.000 Euro
Was noch folgt: Sportliche Varianten (GTI, GTD, R) und der Kombi - ebenfalls in sportlicherem Design
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