Es lebe der ehrliche Radfahrer

04.09.2011, 20:33 Uhr
Es lebe der ehrliche Radfahrer

© Roland Fengler

Das Siegerteam der Herzen heißt „Blauer Blitz“. Es läuft mit 26 Jahren Altersunterschied und fast einem Meter Größendifferenz auf. Jochen Schröpfer und sein vierjähriger Sohn Phillip belegen in der Radfahr-Lauf-Staffel „Run&Bike“ Platz 49 von 49. Doch ihnen fliegt der stürmischste Applaus zu. 70 Minuten ist der Hobbysportler aus Rückersdorf um die Sebalder Altstadt gejoggt, das Söhnchen fuhr nebenher. „Das hat einfach Spaß gemacht!“, stellt Schröpfer schweißüberströmt fest. Das zweite Vater-Sohn-Gespann wird genauso bejubelt. Hier kurbelt sich ein 38-jähriger Fürther auf dem Rädchen seines Siebenjährigen ins Ziel, bis Lenker und Sattel einknicken.

Diese Teilnehmer stehen idealtypisch dafür, wie der städtische SportService inzwischen das Radrennen aufzieht: als heiteres Familien-Ereignis, bei dem der Profisport weder unter Dopingverdacht noch im Mittelpunkt stehen darf. Die Namen der Autos bei der Oldtimer-Parade am Nachmittag sagen mehr Zuschauern etwas als die Fahrernamen eines „Team Irschenberg Rudy Project“. Entsprechend ist die Nachfrage weiter gesunken. Die Veranstalter zählen nur noch 30000 Besucher, halb so viele wie im Vorjahr. Die zur Unterhaltung gebuchten Freizeitsportler – Parkour-Akrobaten am Tiergärtnertor oder Tänzer vom Karnevalsverein Muggenesia – warten anfangs stundenlang auf Publikum.

Die angestammten Fans finden auch das Schrumpfformat charmant. Sie haben ihre Holzratschen aus besseren Zeiten mitgebracht, wie etwa Uschi und Michael Doubrava samt Freunden und Kindern. „Es ist Pflicht, jedes Jahr zu kommen“, sagen sie. „Die Stimmung ist super, es liegt ja direkt vor der Haustür.“ Dass die 1991 begründete Veranstaltung mangels Hauptsponsor mehr denn je auf der Kippe steht, hat sich herumgesprochen. „Es wäre schade drum“, das sagen sie alle, ob Passant, Polizist oder Stadtrat – und sogar Joachim Erxleben sagt es. Der 73-Jährige wohnt in der Tucherstraße, umzingelt von Sperrgittern, und geht wie jedes Jahr auf Rundgang. „Herrlich, alles autofrei! Eine schöne Bereicherung, der ich nachtrauern würde.“

Die Kritiker beschäftigen sich an dem heißen Sonntag offenbar anderweitig. Am Bürgertelefon informieren sich rund um das Wochenende 120 Menschen über Zufahrtssperren. Aufgebracht klang kaum einer, sagt Sportservice-Mitarbeiter Sebastian Kerl. Auch Rennorganisator Jürgen Thielemann bekam wieder nur ein paar Protest-E-Mails von Schreibern, die die Straßensperren als Freiheitsberaubung beschimpfen. Die meisten Zuschriften sprachen ihm Dank aus, trotz des Finanzengpasses alles gestemmt zu haben. „Die Metropolregion braucht diese Veranstaltung, sie erhöht die Lebensqualität“, ist Thielemann überzeugt.

Die Fortsetzung bleibt auch für Sportbürgermeister Horst Förther das Ziel. Doch wie wieder 125000 Euro Sponsorengelder zusammenbetteln? Förther will mit den Nachbarstädten über Zusammenlegungen verhandeln – besonders mit Fürth, dessen „Metropolmarathon“ ebenfalls defizitär sei. Auf die Dauer habe nur ein einziges Lauf- oder Radfest eine Zukunft.

So bleibt es bei Lob allerorten, wie bestellt. „Es ist so ein schönes Rennen“, schwärmt der älteste Radweltmeister der Welt, Bruno Podesta. Der 78-Jährige aus Hessen, zum vierten Mal beim Jedermann-Rennen dabei, ist wieder in Hochform und belegt Platz 76 von 256. Auch der Nürnberger Triathlet und „Run&Bike“Sieger Hannes Schmidt wünscht sich den Erhalt, beglückt über die Anfeuerungsrufe. „Die Leute wollen einfach nur ehrlichen Sport und Unterhaltung, ohne die großen Stars.“ Auf den Fahrradlenker haben er und sein Rennpartner Thomas Hofmann ein abgewandeltes Zitat des 1.FCN-Idols Heiner Stuhlfauth geklebt: „Es ist eine Ehre, durch diese schöne Stadt, vor den Bewohnern Nürnbergs laufen zu dürfen. Möge all das immer bewahrt werden.“

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