Eine Frau geht auf´s Ganze

17.9.2018, 10:47 Uhr
Eine Frau geht auf´s Ganze

© Foto: Roland G. Huber

Friedrich Schiller schrieb in seinen "Briefen zur Ästhetischen Erziehung" sinngemäß, der Mensch sei nur im Spiel wirklich frei und ganz bei sich. Den zeitgemäßen Soundtrack zu dieser alten Theorie liefert in gewissem Sinne die junge Big-Band-Chefin Monika Roscher, die aus Langenzenn stammt und in München lebt.

Längst zählt die 33-jährige Komponistin, Sängerin, Gitarristin und Dirigentin zur Speerspitze der deutschen Jazz-Szene. Und dennoch hat sie sich eine fast kindliche Spielfreude und Neugier bewahrt. Das hört man ihren furiosen, intelligenten Kompositionen an: Sie sind spannende Entdeckungsreisen in musikalisches Neuland, das aber seltsamerweise auch sehr vertraut klingen kann.

Auf jeden Fall hat diese Big Band einen ganz eigenen Sound: Mit vier Trompeten, vier Posaunen und fünf Saxophonen gebe die Bläser klar den Ton an in dem 18-köpfigen Ensemble, das sich auf der Bühne des Hubertussaals ziemlich zusammendrängen muss. Man könnte auch sagen, dass Monika Roscher die abgefahrenste und virtuoseste Brass Band weit und breit leitet. Denn jeder und jede Einzelne in dieser Gruppe ist ein Spitzenkönner.

Alles hört auf das Kommando der zierlichen Frau im roten Kleid und mit den schwarzen Cowboystiefeln, der es offenkundig einen Höllenspaß macht, das Gebläse an- und abschwellen, hin und her wogen zu lassen. Die wahnwitzig-unkonventionellen Bläsersätze kontrastieren mit elektronischen Sounds. Bei aller Komplexität klingt das nie kopflastig. Angetrieben wird das Ganze von dem Schlagzeuger Silvan Strauß, der sich auch durch die vertracktesten Rhythmuswechsel nicht aus dem Takt bringen lässt.

Als Reminiszenzen fallen einem Clara Bley, Willem Breuker und Frank Zappa ein, dessen rhetorische Frage "Does Humour Belong to Music?" Monika Roscher mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Bei Bedarf kann sie auf ihrer abgeschabten Stratocaster-Gitarre ein energiegeladenes Hard-Rock-Solo beisteuern, aber auch mit sanfter Stimme Songtexte säuseln. Musikalische Berührungsängste kennt sie nicht.

Fast zu jedem Stück hat die Frontfrau mit dem Schalk im Nacken eine kleine Geschichte zu erzählen, als Inspirationsquelle kann Vogelgezwitscher genauso dienen wie der letzte Sommerurlaub oder ein Wüstentrip. "Of Monsters and Birds" heißt Roschers letztes Album und vermittelt eine Ahnung von all dem, was ihr an Schrecklichem und Schönem im Hirn herum spukt. Es ist der Stoff, aus dem Nachtgedanken und Tagträume sind.

Das Publikum im Hubertussaal, den Roscher ganz unironisch als ihre Homebase bezeichnet, kam sogar in den Genuss einer Uraufführung: "Creatures of Dawn" ist eine rasante Funk-Nummer mit einem unwiderstehlichen Groove. Eine mitreißendere Spielzeiteröffnung als dieses fulminante Big-Band-Konzert hätte man sich nicht wünschen können.

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