Im Reich der Kindheit und Träume
21.10.2008, 00:00 Uhr
Auch Biografien zu verfassen, kann eine Kunst sein. Mit den üblichen, langweilenden Formalien hat sich Stephanie Grün dabei nicht aufgehalten und im druckfrischen Katalog das notiert, was für ihr (Künstler)Leben bislang entscheidend war: geboren 1970 in Nürnberg, 1982 erste Herz-OP, 1991 Geburt des Patenkindes Johanna, bis 1997 Studium der freien Malerei, 2007 Romandebüt «plötzlich tot». So heißt es nun kurz und knapp in der Publikation, die zum ersten Solo-Auftritt der Malerin entstanden ist.
Was man beim Betrachten der Bilder und Lesen der Biografie ahnt, bestätigt die Künstlerin: «Meine Bilder sind sehr persönlich.» Sie schöpft aus Erinnerungen und Träumen, malt Umgebungen, die sie mag: Die Sebalduskirche, das Germanische Nationalmuseum oder den Neptunbrunnen. Nie sind diese Orte menschenleer, es tauchen die Schemen von Kindern auf, die wie kleine Engel hinter den Skulpturen hervorlugen oder im Brunnen tanzen. Es sind geheimnisvolle Boten des Un- und Unterbewussten.
In zwei Räumen des Kunsthauses präsentiert die Künstlerin ihre sehenswerten Bilder. Wichtiger als die Präsentation, weil bleibend, ist das Buch, das sie als eine der beiden Debütantenpreisträgerinnen des Bundesverbandes Bildender Künstler finanziert bekam. Der mit insgesamt 15 000 Euro dotierte, jährlich vergebene Preis richtet sich an unter 40-Jährige, die bislang noch keine Einzelausstellung hatten, und soll es ihnen ermöglichen, sich mit einem professionell gemachten Katalog künftig besser um Ausstellungen bewerben zu können.
Dass sich beide Preisträger so gut ergänzen wie diesmal, ist aber eher die Ausnahme. Denn auch Katja Fischer malt figurativ und bezieht sich in ihrer größten, extra fürs Kunsthaus entstandenen Arbeit auf Erlebnisse aus ihren ersten zehn Lebensjahren, allerdings auf ganz konkrete: Die Ballettstunden, die Fahrradunfälle, die Lieblingspuppe, der erste Plattenspieler . . .
120 kleine Bilder, nur 18 mal 18 Zentimeter groß, hat Fischer gemalt, für jeden Monat eines. Darauf zeigt sie Details und Miniszenen und lädt die Betrachter mit Witz und Melancholie zum Memory-Spiel ein: Jedes Täfelchen hat ein Pendant, in dem die Geschichte weitererzählt oder anders interpretiert wird. Überhaupt arbeitet Katja Fischer gerne in Serien, zeigt so gut wie nie Einzelbilder, sondern entwirft «Storyboards», deren Nähe zu Film und Fotografie nicht zu übersehen ist.
Sie kennt die Menschen, die sie malt, oder ist ihnen - wie dem «Schwimmbadtänzer» - zufällig begegnet. «Erfinden ist nicht mein Ding. Ich sehe mich als Zeitzeugin», sagt sie und ist doch weit vom Fotorealismus entfernt. Es geht um Stimmungen und menschliche Beziehungen, um Zwiesprachen, immer wieder auch mit Musikinstrumenten. Schließlich ist die 38-Jährige selbst leidenschaftliche Querflötenspielerin.
Ihre Biografie ist übrigens auch alles andere als Standard: Zuerst machte sie eine Schreinerlehre, dann ein Psychologiestudium und 2005 den Abschluss an der Kunstakademie. Jetzt arbeitet sie als Malerin - und Hausmeisterin.