Kabarett-Preis in der Tafelhalle verliehen
9.1.2012, 07:02 UhrUnter den Ausgezeichneten finden sich Ulan&Bator, die zwei Sonderlinge, die folgerichtig den Sonderpreis erhielten. Was wiederum dafür spricht, dass das Nürnberger Burgtheater, welches die Kür bestimmt, ebenfalls satirisch denkt.
Dies tut – zumindest einmal pro Jahr – auch Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, amtlicher Überbringer des städtischen Preisgelds. An sein Grußwort knüpfen sich inzwischen hohe Erwartungen, hat er sich doch bei den Verleihungsfeiern einen Ruf als Kabarettist außer Konkurrenz erworben. Diesmal spießte Maly den „Bayernkurier“ auf. Das Parteiorgan der CSU konnte es nicht verwinden, dass sich der ehemals linientreue Bayerische Rundfunk (BR) emanzipiert hat und andere Parteien ausführlicher zu Wort kommen lässt. Was immer man von derlei staatsgefährdenden Umtrieben halten mag: Begrüßenswert ist, dass Bayern2 über die Nürnberger Preisverleihung berichtet.
Ebenfalls zu begrüßen war in der Tafelhalle ein eklatanter Traditionsbruch: Der Hauptpreisträger des Vorjahres wollte diesmal nicht durch den Abend führen. Daher blieb den Zuschauern, denen das Losglück die heißbegehrten Eintrittskarten beschert hatte, der sauertöpfische, ewig und uferlos nörgelnde Pferdeschwanzträger am Klavier (Hagen Rether) erspart. Stattdessen übernahm Lokalmatadorin Lizzy Aumeier die Moderation – gewohnt derb und in schonungslosem Umgang mit der eigenen, raumgreifenden Körperlichkeit.
Sie berichtete zunächst von der Mieder-Hose, die sie sich im Hinblick auf ihren großen Auftritt für 49,90 Euro gekauft habe. Am eigenen Leibe demonstrierte sie dann die durchschlagende Wirkungslosigkeit des Figurformungsversuchs. Als Kleidergröße gab Aumeier die bislang unbekannte 76 an: Ihr heimischer Fernseher sei 80 Zentimeter breit, und wenn sie davorstehe, dann sehe ihr Mann rechts und links nur noch einen jeweils zwei Zentimeter breiten Streifen.
Den leidgeprüften Gatten nötigte die Komödiantin später auf die Bühne und führte mit ihm einen possierlichen Porno im Stil der Augsburger Puppenkiste auf.
Den eklatanten Gegensatz zu Lizzy Aumeiers (auch in ihren Formulierungs-Schwierigkeiten) authentisch-volkstümlicher Kleinkunst stellte dann der scharfgeschliffene Intellektuelle Max Uthoff her. Der Förderpreisträger mag wegen seiner Ähnlichkeit mit einem bekannten Sänger als der „Max Raabe des Kabaretts“ durchgehen, ist aber weitaus bösartiger. Til Schweiger etwa erklärte er zum deutschen James Dean: „Fehlt nur noch der Autounfall.“
Auch was Uthoff zur derzeit lächerlichsten Skandalfigur der deutschen Öffentlichkeit sagte, hatte Biss. Christian Wulff ist für ihn die politische Verwirklichung des Fielmann-Prinzips: „fehlerlose Umrahmung bei inhaltlichem Nulltarif“. In der populärsten, momentan leider führungslosen Fernsehsendung der Nation wäre der Bundespräsident allerdings ein sicherer Sieger: „Wetten, dass Sie es nicht schaffen, einen Unternehmer aus Hannover auf die Bühne zu bringen, bei dem ich noch nicht umsonst übernachtet habe!“
Wulffs größtes Vergehen sei es indes, dass er der „Bild“-Zeitung jetzt einen Anstrich von investigativem Journalismus gegeben habe, meinte Uthoff und beschrieb gnadenlos zwei „Bild“-Leser, also Angehörige jener bildungsfernen Schichten, für die der Satiriker nur hasserfüllten Hohn übrig hat. Dem Senkrechtstarter der Brettl-Szene hat das Burgtheater den Förderpreis gerade noch rechtzeitig verliehen, denn er dürfte bald eine hauptpreisverdächtige Größe des deutschen Kabaretts werden.
Was das ausnehmend hübsche, mit seltenem Rothaar gezierte kleine Töchterlein des Münchners wohl noch gar nicht ahnt. Das Uthoff-Kind in der ersten Tribünenreihe wurde bei Papas Auftritt sichtlich müde und musste danach offenbar schlafengehen.
Der Schlafwandler der satirischen Formulierungskunst, Rolf Miller, hatte als aktueller Hauptpreisträger das letzte Wort. Und mehr als einzelne Worte stößt der Odenwälder ja auch nicht hervor. Ganze Sätze gelingen nur zufällig – und sind in der Regel herrlich schief: „Wenn alle Stricke reißen, kann ich mich immer noch aufhängen.“ Miller ist ein Meister der Auslassung, der Reduktion: Das hat er erst im Dezember bei seinem Solo-Auftritt in der Tafelhalle bewiesen. Allerdings scheint er – ähnlich wie Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig – auch ein Gefangener seiner stark festgelegten Bühnenfigur zu sein.
Ganz anders Ulan& Bator: Abgesehen von ihren unvermeidlichen gehäkelten Bommelmützen legen sie ihre Auftritte denkbar breit an und schöpfen aus einer alten Tradition. Viel Dada ist darin, man fühlt sich an Kurt Schwitters oder an Hans Arp und dessen Frau Sophie erinnert.
Dass Ulan&Bator, mit bürgerlichem Namen Sebastian Rüger und Frank Smilgies, sich bereits als virtuose Schauspieler profiliert haben, sah man schon an der Anwesenheit Klaus Kusenbergs. Der Schauspieldirektor des Staatstheaters beehrte wohl erstmals die Kabarettpreisverleihung in der Tafelhalle. So konnte er erleben, wie das Duo zwei Stühle druckvoll über die Bühnenbretter schob und dadurch eine äußerst abgedrehte Art von Musik erzeugte – mit der Zwischen-Ansage: „Hier ist der Bayerische Rundfunk mit ,Klassik modern‘.“
Wenn das der „Bayernkurier“ hört, kann der BR dichtmachen. Hilfreich, wie die NZ nun einmal ist, druckt sie die Sendetermine gleich am Ende dieses Artikels ab. Man kann ja nicht sicher sein, ob das Parteiorgan wirklich jede Sendung genau kontrolliert.
Bayern2 Radio sendet am 13. Januar ab 14.05 Uhr und am 14. Januar ab 20.05 Uhr (Wiederholung) eine 55-minütige Zusammenfassung der Kabarett-Preisverleihung.
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