Rapper Prinz Pi: "Unsere Welt wird immer bedrohlicher"
14.2.2016, 20:00 UhrMit Ihrem neuen Album wollen Sie unseren modernen westlichen Lifestyle hinterfragen. Was brachte Sie dazu?
Prinz Pi: Wenn man diesen Lifestyle einmal ausgetestet hat und spürt, dass er einen nicht befriedigt, dann fängt man an, sich Gedanken über Alternativen zu machen. Man hat den Schulabschluss geschafft und denkt: Jetzt bin ich erwachsen und es geht los in die große Welt und man sollte sich eigentlich megagut fühlen. Aber irgendwie kommt dieser Moment einfach nicht.
Was geht in der Gesellschaft gegenwärtig vor?
Prinz Pi: Momentan geht so viel vor, dass man einfach kein Urteil fällen kann. Ganz klar ist, dass wir vor ungeheuren Umwälzungen stehen. Auf einmal ist in diesem Land ganz viel Raum da für Populismus, man könnte sogar sagen: Demagogie. Bis vor Kurzem war das noch undenkbar. Deutschland war jahrzehntelang ein gemäßigtes Pflaster; man konnte zwischen SPD und CDU eigentlich kaum noch unterscheiden. Selbst die Grünen hatten ihre Positionen so weit verändert, dass man den Joschka Fischer, der irgendwann mal Steine geschmissen hat, in Gestalt des Außenministers kaum noch wiedererkannt hat.
Ist Musik gerade jetzt wieder sinnstiftend? Besitzt sie noch immer eine sozialisierende Kraft?
Prinz Pi: Musik hat oft eine aufrührerische und aufrüttelnde Kraft. Momentan finden die Stimmen, die versuchen zu beschwichtigen, nicht so viel Gehör wie die Stimmen, die den Leuten eine einfache Lösung für komplexe Zusammenhänge präsentieren. Das ist das Debakel.
Was können Sie als Künstler dagegen ausrichten?
Prinz Pi: Dieses Album widme ich meinen Kindern. Weil die Welt, in der wir leben, immer bedrohlicher und schwerer verständlich wird. Die Zusammenhänge sind immer weniger klar erkennbar. Es gibt fast nur negative Aussichten, wenn man auf die Medien und die Älteren hört. In Deutschland hieß es immer: Früher war alles besser – das Dritte Reich einmal ausgenommen. Und wenn man mal nach vorne guckt, sieht man Umweltverschmutzung, die Klimakatastrophe, sich verlagernde Arbeitsplätze, den Aufstieg von China und Indien, den Verfall der Industrie hier. Und das Wiedererstarken des rechten Phantoms, das jahrelang überhaupt nicht sichtbar war. Auf einmal ist dieses Phänomen bei Leuten angekommen, die vorher gar nicht so extrem erschienen.
"Schornsteine" handelt von Waffenexporten. Was wollen Sie mit diesem Song ausdrücken?
Prinz Pi: Ich möchte damit Folgendes aufzeigen: Irgendwo auf der Welt werden Menschen mit unseren Gewehren, die wir unter Hochtechnologiebedingungen in einer vielleicht CO2-armen Fabrik zusammensetzen, getötet. Aber hier arbeiten Leute dafür, zahlen Steuern, ernähren ihre Familie und unterstützen mit ihrem Gehalt vielleicht die kranke Oma bei ihrer Pflegeversicherung.
Das, was irgendwo anders eine schreckliche Konsequenz hat, ist hier ein Arbeitsplatz mit allem, was da dran hängt. Das kann man nicht voneinander trennen. Man muss sich darüber bewusst werden, dass unser Wohlstand andernorts mit etwas Furchtbarem erkauft wird.
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