Vor dem Konzert in Erlangen: Joy Denalane im Interview

3.3.2017, 16:23 Uhr
Joy Denalane geh auf Tournee und gastiert dabei im April auch im E-Werk in Erlangen.

© Foto: dpa Joy Denalane geh auf Tournee und gastiert dabei im April auch im E-Werk in Erlangen.

Frau Denalane, man kennt Sie seit Jahren als Deutschlands führende Soul-Diva. Doch die Lieder auf "Gleisdreieck" klingen nicht mehr nach gutem, altem Soul, sondern nach zeitgemäßem, urbanem R&B. Was steckt hinter dieser Veränderung?

Joy Denalane: Ich wollte ein zeitgemäßes Album machen. Mein Augenmerk lag diesmal nicht so sehr auf klassischem Soul, sondern auf dem Sound von 2017, den ich sehr spannend finde. Das heißt: Insgesamt mehr Beats, mehr Pop, mehr elektronische Einflüsse.

Was sind die Gründe für den neuen Stil?

Denalane: Ich habe mich verändert, mich weiterentwickelt, wie die Welt auch. Und ich hatte Lust, das auch hörbar zu machen. Hätte ich so weitergemacht wie auf den ersten drei Alben, hätte ich mich für meinen Geschmack zu sehr wiederholt. Das wollte ich nicht. Also habe ich mein vertrautes Umfeld erweitert, bin rausgegangen und habe geguckt, was sonst so los ist da draußen. Ich habe mir Leute gesucht, mit denen ich immer schon mal arbeiten wollte oder die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte. Zum Beispiel Tua, Maxim, Alex Freund und Ali Zuckowski, Chima Ede, Megaloh, Ahzumjot, Eunique, Rin, Jasmin Shakeri, David Jürgens und Martin Fliegenschmidt. Das war total interessant, denn ich musste ein neues Alphabet finden, um meine Geschichten zu erzählen.

Und das heißt?

Denalane: Da ich jahrelang mit weitgehend denselben Leuten gearbeitet hatte, kannten dort alle meinen Lebensweg, meine Geschichten, die Höhen und Tiefen. Viele Dinge musste man gar nicht mehr formulieren, aber dadurch gingen sie auch ein bisschen verloren. Jetzt musste ich mit frischen Leuten eine Sprache entwickeln, mit der ich die Essenz meiner Geschichte, meiner Erfahrungen treffe, ohne mir dabei komplett die Blöße zu geben.

Welches vermeintlich durchgenudelte Thema haben Sie jetzt zum Beispiel neu aufgegriffen?

Denalane: Zum Beispiel Diskriminierung, Rassismus, das Gefühl, fremd zu sein im eigenen Land. In "Zuhause" beschreibe ich die Ohnmacht, Ratlosigkeit und Verletztheit, in unserer weißen Mehrheitsgesellschaft eine Deutsche zu sein, die nicht wie eine Deutsche aussieht. Wenn sich die Situation in der Gesellschaft weiter zuspitzt, fürchte ich mich schon davor, weiter nach außen gedrückt zu werden. Mit der Frage "Was soll ich tun?" wende ich mich in dem Song an meine verstorbene Mutter. Ich hätte gern gewusst, wie sie das alles sieht als Ehefrau eines Südafrikaners und Mutter von sechs Kindern. Meine Mutter war immer sehr wach und offen und hat bei uns in der Familie die Richtung vorgegeben.

Merken Sie, dass Menschen anders auf Sie reagieren als früher?

Denalane: Ich habe das Gefühl, dass die Leute mutiger geworden sind, ihre Vorurteile und ihren Fremdenhass offener zu zeigen. Das finde ich bestürzend. Ich halte es auch für seltsam und gefährlich, wenn Menschen nur aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds stigmatisiert, kategorisiert und gefilzt werden. Ich selbst bin wegen meiner Hautfarbe schon oft angepöbelt worden. Ich kann mich aber auch sehr gut wehren, zumindest verbal.

Es heißt, Sie haben schon als Kind gewusst, sich zu wehren...

Denalane: Wenn du mit zwei älteren Brüdern aufwächst, bleibt dir nichts anderes übrig (lacht). Ich war überhaupt viel mit Jungs zusammen und habe mir nichts sagen lassen von denen. Das war schon eine freie und wilde Kindheit. Wir sind einfach rausgegangen zum Spielen, das Leben für Kinder war noch nicht so getaktet wie heute.

Das Gleisdreieck in Berlin hat sich sehr verändert, heute ist das ein cooler Park mit teuren Wohnungen drum herum. Wie haben Sie die Gegend in Erinnerung?

Denalane: Der Ort war überhaupt nicht attraktiv, eigentlich war es ein Unort. Aber es war warm und schön, und ich war dort mit den Leuten zusammen, die ich mochte. Wir kamen aus ganz unterschiedlichen Schichten, waren ein wirklich bunter Haufen. Aufgefallen ist mir das allerdings erst, als ich in Steglitz auf ein recht anspruchsvolles Gymnasium kam, wo die Schülerschaft viel homogener war. Aus Kreuzberg zu kommen, das war dort ein bisschen verpönt. Ich sah noch dazu nicht nach Steglitz aus. Sondern ein bisschen großstädtischer, mit blonden Strähnchen im Haar und schwarz-gelb gestreiften Hosen.

In der Liebe geht es auf dem Album wieder ziemlich hoch und runter. "Hologramm" etwa behandelt eine Beziehung, die sich quasi auflöst, in "Venus & Mars" funktioniert die Zweisamkeit aber wieder sehr gut.

Denalane: Na, so ist es doch nun einmal. Die Liebe bleibt nicht stehen, sie verändert sich, manchmal verschwindet sie, manchmal bleibt sie, manchmal findet man sie auch wieder, wenn sie längst verloren schien. Es kommt doch tatsächlich vor, dass man denkt, man kriegt den Partner nicht mehr zu fassen, man verliert ihn, und später kommt wieder ein Moment, in dem man denkt "Okay, ich verstehe. Deswegen sind wir zusammen." Und vielleicht erkennt man dann, dass man wirklich zusammengehört.

Wie im Leben? Sie und Ihr Mann Max Herre waren ein Paar, dann haben Sie sich getrennt, heute sind Sie wieder glücklich vereint.

Denalane: So ist es. Wir sind ja schon lange wieder zusammen. Heute fahren wir in ruhigem Gewässer, es ist nicht mehr so turbulent. Aber natürlich ist auch immer Bewegung in unserer Beziehung. Es soll ja Paare geben, die immerzu in reiner Harmonie leben, auch schön…

Aber nicht euer Modell?

Denalane (lacht): Wir haben beides gesehen. Wir sind beziehungserprobt. Aber natürlich dient auch mein Freundeskreis als Futter für Songtexte. Man schöpft aus allen Lebenserfahrungen.

Aktuelles Album: Joy Denalane, "Gleisdreieck" (Universal Music).
Am 21. April tritt Joy Denalane im Erlanger E-Werk auf.  

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