Weltstar aus Nürnberg

21.3.2012, 20:00 Uhr
Weltstar aus Nürnberg

© Bayreuther Festspiele

Für ihre Jugendzeit in Nürnberg fand die Sängerin immer nur einen Ausdruck: „mies“. Der Vater, der vieles anfing und nichts zuende brachte, ließ Mutter und Tochter im Stich, als Martha zwölf war. Natürlich zahlte er nie. Bis zu ihrem ersten Engagement 1942 in Remscheid zogen die beiden Frauen 17 Mal um, bis sie in einem winzigen Zimmer über einem Nazi-Lokal landeten, wo die braunen Horden bis tief in die Nacht „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“ grölten.

Martha Mödl schlug sich und ihre Mutter als Stenotypistin, Brez’nverkäuferin, Lageristin oder Werbemodel für Strümpfe durch, bevor sie sich mit 28 Jahren ein Herz fasste und ihre beachtliche Naturstimme am Nürnberger Konservatorium bei Henriette Klink-Schneider ausbilden ließ. Wenige Monate später zerstörte eine Fliegerbombe das Gebäude am Westtor und Mödl bildete sich nun selbst fort.

Nach ersten Engagements in Remscheid und Düsseldorf, wo sie mit Gustaf Gründgens zusammenarbeitete, ging sie an die Hamburgische Staatsoper, der sie bis 1966 angehörte. Schon früh wurde Wieland Wagner auf die als Altistin gestartete Sängerin (ihre erste Partie war Azucena!) aufmerksam. Erst allmählich entwickelte sich Mödl zu einem dramatischen Mezzosopran und dann zu einer der wichtigsten hochdramatischen Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts.

Martha Mödl als Klytämnestra in Richard Strauss‘ „Elektra“ in der Deutschen Oper Berlin 1967.

Martha Mödl als Klytämnestra in Richard Strauss‘ „Elektra“ in der Deutschen Oper Berlin 1967. © dapd

Ab 1951 sang sie bei den Bayreuther Festspielen Kundry, Gutrune, alle drei Brünnhilde-Partien oder Isolde. Sie stand bei den Wiedereröffnungspremieren der Wiener Staatsoper (1955 mit „Fidelio“) und des Münchner Nationaltheaters (1963 mit „Frau ohne Schatten“) auf der Bühne und faszinierte mit ihrer glutvollen Wagner-Aneignung ebenso wie als überragende Richard-Strauss-Interpretin (Amme, Herodias, Kaiserin und immer wieder als abgründige, herrlich neurotische Klytämnestra).

In ihrer erstaunlichen Alterskarriere, die ihr eine beinahe 60-jährige Bühnenpräsenz bescherte, widmete sie sich vornehmlich dem zeitgenössischen Musiktheater — gerade auch in ihrer Geburtsstadt, die sie 1972 zur Kulturpreisträgerin gekürt hatte. Im Opernhaus entstanden Produktionen wie Isang Yuns „Träume“ (1973), Wolfgang Fortners „Bluthochzeit“ (1976) oder Paul Dessaus „Die Verurteilung des Lukullus“ (1968). 1994 wirkte sie noch in einem spektakulären Neujahrskonzert unter Eberhard Kloke in Bernd Alois Zimmermanns „Und ich wandte mich“ mit.

Die warmherzige, bescheiden auftretende und mit einem frischen Mutterwitz ausgestattete Künstlerin verstarb am 17. Dezember 2001 in Stuttgart. Sie ruht auf dem Münchner Ostfriedhof.

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