Die Segel für das große Abenteuer sind gesetzt

3.11.2015, 21:33 Uhr
Das Segelschiff ist benannt nach dem norwegischen Forscher Thor Heyerdahl, der mit seinem Floß „Kontiki“ 1947 über den Pazifik segelte.

© KUS-Projekt Das Segelschiff ist benannt nach dem norwegischen Forscher Thor Heyerdahl, der mit seinem Floß „Kontiki“ 1947 über den Pazifik segelte.

Das Bett heißt Koje, das Zimmer Kammer und die Küche Kombüse. Die Seefahrt hat ihre eigene Sprache – und sie ist nur eines von vielen Dingen, die die Jugendlichen in den kommenden Monaten lernen müssen. „Auf dieser Reise lernen sie das Leben kennen, mit all seinen Facetten“, sagt Projektleiterin Ruth Merk.

190 Tage und rund 12 000 Seemeilen werden die 34 Schüler unterwegs sein. Sie leben in dieser Zeit an Bord der „Thor Heyerdahl“, ein 50 Meter langer Toppsegelschoner mit drei Masten von bis zu 29 Metern Höhe. Die Reise startet in Kiel, dem Heimathafen der Thor, und führt über Teneriffa, die Kleinen Antillen und Grenada nach Panama und Kuba. Zurück geht es über die Bahamas, Bermudas und Azoren bis die Thor im April wieder in Deutschland anlegt.

Projektleiterin Ruth Merk

Projektleiterin Ruth Merk

„Wenn neben dem Schiff Delfine auftauchen, die Sonne am Abend im Meer versinkt oder wir in Panama bei Indianern leben, dann sind das einzigartige Momente“, erzählt Merk. „Für viele ist diese Reise das Abenteuer ihres Lebens.“

Merk ist Gymnasiallehrerin für Mathe und Sport. Für ihre Promotion hat sie ein Konzept für Schulunterricht auf hoher See entwickelt und das Projekt „Klassenzimmer unter Segeln“, kurz KUS, 2007 an der Universität Erlangen-Nürnberg verwirklicht. „Das Schiff gehört der Uni nicht, sondern wird für diese Zeit gechartert“, erklärt sie. „Natürlich liegt Nürnberg nicht am Meer, aber es gibt überraschend viele Bayern, die zur See fahren.“ Der Lehrstuhl und die Universitätsleitung fanden ihre Doktorarbeit damals so spannend, dass das Konzept sie überzeugte. Die Wissenschaftler erforschen während der Fahrt neue Unterrichtsformen und das soziale Verhalten der Jugendlichen. Die aktuelle Fahrt ist bereits der achte KUS-Törn.

300 Bewerber und nur 34 Plätze

Das „Klassenzimmer unter Segeln“ gilt wie ein Auslandsaufenthalt. Jede Schule geht damit ein bisschen anders um. Die meisten Teilnehmer dürfen anschließend auf Probe in die elfte Klasse aufrücken, manche müssen den versäumten Stoff nachholen. Mit dabei sind heuer auch die 15-jährige Sophie Neuner aus Röttenbach und der 16-jährige Fabian Steinmeyer aus Herzogenaurach (beide Kreis Erlangen-Höchstadt).

Die Segel für das große Abenteuer sind gesetzt

© Foto: KUS-Projekt

Unter mehr als 300 Kandidaten aus ganz Deutschland haben sie es unter die 34 Jugendlichen geschafft, die mit an Bord dürfen. Dafür war zuerst eine schriftliche Bewerbung nötig, auch ihr Zeugnis und ein Lehrergutachten mussten sie einreichen. Pädagogin Ruth Merk und eine Psychologin suchen dann 50 Schüler aus, die mit auf einen Probetörn im Mai auf der Ostsee dürfen. „In dieser Woche bekommen die Jugendliche viele Informationen, so dass sie für sich entscheiden können, ob sie sich die Reise wirklich zutrauen“, sagt Merk. „Außerdem haben wir Gelegenheit sie kennenzulernen und in bestimmten Situationen zu beobachten.“ Die Teilnehmer lernen erste Segelkommandos, müssen zusammen schwierige Aufgaben lösen und ihr Verhalten reflektieren. „Wenn wir nur Alpha-Tiere mitnehmen, gibt es Streitereien“, sagt die Lehrerin. „Wir versuchen eine Gruppe zusammenzustellen, die ein gutes Team werden kann.“

Auf dem Atlantik muss jeder gesund bleiben

Das ist auf hoher See besonders wichtig. Die Schüler lernen, leben und arbeiten auf dem Schiff. Sie kochen selbst, waschen und putzen. Sie helfen dem Bootsmann beim Instandhalten der Segel und dem Maschinisten beim Auswechseln eines Filters. „Sie müssen Verantwortung übernehmen, für sich selbst, für die anderen und für das Schiff.“

Jeder muss auf seinen Körper achten, um bei der Atlantik-Überquerung gesund zu bleiben. Bei einem Segelmanöver muss sich jeder auf den anderen Verlassen können. „Wenn ich das Seil nicht festhalte, kann es sein, dass der Baum unkontrolliert zur Seite schlägt und jemanden trifft“, erklärt Merk. Sie darf das Schiff inzwischen auch als Steuerfrau und Kapitänin fahren.

Mit an Bord sind etwa zehn professionelle Seeleute, dazu vier bis fünf Lehrer, je nach Etappe. Maximal sind es 16 Erwachsene und 34 Zehntklässler. „Auf einem Schiff lernt man auch das Auskommen in einer engen Gruppe“, sagt Merk. „Man lernt, Konflikte zu lösen, weil man nicht weglaufen kann. Während der Fahrt entsteht ein sehr großes Gemeinschaftsgefühl.“

Über all die Abenteuer, den Seegang, die Exkursionen, aber auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, den Unterricht und die Erlebnisse unserer fränkischen Schüler an Bord wird die NZ in den kommenden Wochen immer wieder berichten. Am Samstag läuft die Thor auf Teneriffa ein.

www.kus-projekt.de

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