Duales Studium: Latzhose, Sakko und Sweatshirt

14.09.2012, 00:00 Uhr
Duales Studium: Latzhose, Sakko und Sweatshirt

© Kurt Fuchs

Wenn Julian Ernst die grüne Latzhose anhat, ist er Azubi in der Lehrwerkstatt bei Ina-Schaeffler in Herzogenaurach. Manchmal trägt er auch ein Sakko. Dann darf er hinter die kaufmännischen Kulissen des Unternehmens schauen. Und während des Semesters sitzt Julian in Studentenklamotten in einem Hörsaal der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg.

Julian hat sich für ein duales Studium entschieden: Am „Ohm“ studiert er Maschinenbau, bei Schaeffler absolviert er eine Lehre zum Facharbeiter. „Das ist eine tolle Sache für alle Beteiligten“, sagt Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP). „Den Studierenden bietet sich die Chance auf einen optimalen Berufseinstieg, und die Unternehmen gewinnen frühzeitig qualifizierten Nachwuchs an Fach- und Führungskräften mit intensiver Praxiserfahrung.“

Hinter dem etwas schwammigen Überbegriff „duales Studium“ verbergen sich zwei verschiedene Modelle: Nach einem sogenannten Verbundstudium haben die Absolventen – wie Julian – nach viereinhalb Jahren sowohl ein Bachelor-Zeugnis als auch einen Gesellenbrief in der Tasche.

Eng verzahnt

Dabei sind Studium und Berufsausbildung eng miteinander verzahnt. „Das erste Jahr sind wir komplett in der Firma, danach nur noch dann, wenn an der Hochschule vorlesungsfreie Zeit ist“, erklärt Julian. Sein Azubi-Gehalt – anfangs 700, am Ende 900 Euro – bezieht er das ganze Jahr über, jedes zweite Semester übernimmt der Betrieb die Studiengebühr.

Modell zwei nennt sich „Studium mit vertiefter Praxis“. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Studium, verbunden mit Praxiserfahrungen – jedoch keiner klassischen Ausbildung – in einem Unternehmen. Wer sich dafür entscheidet, beginnt gleichzeitig mit dem Studium und einer Tätigkeit als Werkstudent. Die vorlesungsfreie Zeit und das Praxissemester verbringt man im Förderunternehmen.

Eine besondere Variante dieses Schemas hat man sich am „Ohm“ ausgedacht: das ICS-Fördermodell. ICS steht für „International Cooperative Studies“ und bedeutet, dass besonders erfolgreiche Studierende im

3. Semester für ein Stipendium vorgeschlagen werden können. Das wird von Partnerfirmen des Programms finanziert und beträgt 800 bis 900 Euro pro Monat. Ab dem 4. Semester durchlaufen die Stipendiaten dann intensive Praxisphasen in dem Unternehmen, das sie fördert, und schreiben dort ihre Abschlussarbeit.

Christian Helpap ist extra wegen des ICS-Programms von Hamburg nach Nürnberg gezogen. An der Ohm-Hochschule studiert er Werkstofftechnik, daneben arbeitet er bei der Nürnberger Firma Conti Temic GmbH, einer Tochtergesellschaft des Continental-Konzerns, die elektronische Bauelemente für die Automobilindustrie herstellt.

Dass ein dualer Student weitaus weniger Freizeit hat als seine „normalen“ Kommilitonen, will Christian nicht bestätigen. „Ich habe Urlaub wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Und in den Phasen, in denen ich in der Firma arbeite, gehe ich um fünf nach Hause.“ Christian sieht darin einen großen Vorteil: „Ich habe ein regelmäßiges Einkommen und brauche nicht neben dem Studium zu jobben“.

Derzeit werden am „Ohm“ 44 Studierende nach dem ICS-Modell gefördert. Weitere 40 – in 16 Studiengängen – haben sich für ein „Studium mit vertiefter Praxis“ entschieden. Weitaus mehr, nämlich etwa 450 wählten ein klassisches Verbundstudium, das die Ohm-Hochschule in 18 Studiengängen anbietet. Gemessen an der Gesamtzahl von 10500 Studierenden an der Ohm-Hochschule sind die dualen Kommilitonen also nur eine kleine Minderheit — die Minister Heubisch „Elite“ nennt .

Bayernweit umfasst diese Elite derzeit mehr als 4000 Studenten, die an einer der landesweit 20 Hochschulen für angewandte Wissenschaften (= Fachhochschulen) eines von insgesamt 320 dualen Studienangeboten gewählt haben. Für das Wintersemester 2012/13 wird mit einem Zuwachs von 20 Prozent gerechnet.

Nur Vorteile

Die Gründe für das wachsende Interesse am dualen Studium sind nach Ansicht von Dirk von Vopelius, Präsident der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken, klar: „Für die Firmen ist der Vorteil offensichtlich. Sie bekommen keine Absolventen mehr, die zwar viel wissen, aber nichts können. Umgekehrt löst sich das Problem, dass Leute mit Top-Examen keinen Job finden.“

Für Julia Mohr stellte sich dieses Problem erst gar nicht. Die frühere ICS-Stipendiatin der Sparda Software GmbH wurde sofort nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre fest eingestellt. Zwei aktuelle ICS-

Stipendiaten sind derzeit dort tätig. „Für eine kleine Firma ist das eine ideale Möglichkeit, um mit den großen bei der Suche nach herausragenden Leuten mitzuhalten“, erklärt der Firmenvertreter Michael Lichtner.

Nach den dualen Bachelor-Studiengängen soll jetzt auch ein entsprechendes Master-Programm aufgelegt werden. „Damit“, sagt Prof. Michael Braun, Präsident der Georg-Simon-Ohm-Hochschule, „reagieren wir auf eine zunehmende Nachfrage von Studierenden und Unternehmen.“

 

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