Leo trifft seine Lehrer sehr selten
6.6.2016, 11:00 UhrWenn Leo sich im Unterricht melden will, reicht ein Mausklick auf eine graue Schaltfläche. Auch auf Fragen kann er mit einem Klick mit „Ja“ oder „Nein“ antworten. Und wenn er etwas vom Lehrer wissen will, öffnet er den „Textchat“ und tippt es ein. Denn Leos Unterricht findet online statt, in virtuellen Klassenräumen auf einer Bildungsplattform.
Leo ist momentan in der 8. Klasse. Neun weitere Schüler werden zusammen mit ihm unterrichtet, von zwei Lehrern. Alle haben Mikros und können so miteinander reden. „Früher hatten wir auch Video dazu. Aber das hing immer und hat alles verzögert, also wurde es abgeschafft.“
Der Unterricht beginnt morgens um 9 Uhr und folgt einem festen Plan. Montags steht Deutsch an, dienstags Geschichte, Geografie und Erdkunde, donnerstags Englisch, freitags Mathe. Außerdem gibt es mittwochs und freitags eine offene Online-Betreuung, in der die Schüler Probleme besprechen können oder in der Fächer wie Biologie und Religion Platz finden.
Etwa zwei Stunden dauert der Unterricht pro Tag und ist dafür da, um die Theorie zu erklären. Anschließend ist Leo selbst dran. Für jedes Fach gibt es Lernpakete, die er durchzuarbeiten hat. In Tages- und Wochenplänen trägt er ein, was er wann erledigt hat. Bei Problemen kann er auch Einzeltermine mit seinen Lehrern vereinbaren. „Aber es ist gar nicht so einfach, wenn man sich nicht sieht und erstmal klären muss, über welche Aufgabe man überhaupt redet“, erzählt der 14-Jährige.
Dabei kennt er das durchaus auch anders: Von der 1. bis zur 6. Klasse hatten seine Eltern – Leos Vater ist der Direktor des Zirkus’ – eine Privatlehrerin engagiert. Die ist mit durchs Land gereist und hat auch Leos ältere Geschwister unterrichtet. „Es ist schöner, wenn man sich gegenübersitzt und direkt miteinander reden kann“, meint Leo rückblickend.
Und wie ist das jetzt, wenn die Lehrer alle Fremde sind? „Man versucht schon, sich kennenzulernen“, berichtet Leo. Die zwei neuen Lehrer, die vor Kurzem dazugekommen sind, haben ihn über WhatsApp angeschrieben, um sich auszutauschen. Außerdem gibt es einmal im Jahr ein Klassentreffen, und wenn der Zirkus in der Nähe gastiert, kommen die Lehrer auch persönlich vorbei. Und die Mitschüler? „Wir sind alle Freunde“, sagt Leo sofort. Unter Zirkusleuten kennt man sich eben – und mindestens zweimal im Jahr trifft man sich bei einem Fußballturnier.
Etwa einmal im Monat werden Leos Leistungen in einem virtuellen Test überprüft. Noten gibt es in der „Schule für Circuskinder“, die in Nordrhein-Westfalen ihren Sitz hat, nicht; das Zeugnis, das jeder Schüler einmal im Jahr erhält, ist eine schriftliche Beurteilung. „Die Lehrer schätzen dich ein. Wenn du ein bestimmtes Niveau erreicht hast, wirst du eine Klasse weitergeschickt“, berichtet Leo. Jeder kann hier also in seinem eigenen Tempo lernen, mal langsamer, mal schneller, oder auch eine Pause einlegen, wenn der Zirkustross auf Reisen ist.
Der Circus Voyage gastiert bis 10. Juli 2016 in Nürnberg in der Siegmundstraße 141.
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