Vor allem Säuglinge leiden

Aggressive Erkältungsviren bringen Praxen und Kinderkliniken an ihre Grenzen

Silke Roennefahrt und Sharon Chaffin

Lokalredaktion

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27.10.2021, 09:55 Uhr
Vor allem für kleine Kinder können Infektionen mit dem RS-Virus gefährlich sein. Fieber kann ein Symptom sein, muss aber nicht auftreten.  

© Patrick Pleul, NN Vor allem für kleine Kinder können Infektionen mit dem RS-Virus gefährlich sein. Fieber kann ein Symptom sein, muss aber nicht auftreten.  

Eigentlich lösen sie nur eine harmlose Atemwegsinfektion aus. Doch vor allem für Säuglinge und Kleinkinder können Infektionen mit dem Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus (kurz RS-Virus) gefährlich, in Einzelfällen sogar lebensbedrohlich sein. Das Virus grassiert in jedem Jahr, doch in diesem Herbst registrieren die Kinderärzte einen besonders frühen und heftigen Start der Saison. "Die Praxen sind rappelvoll", sagt Dr. Wolfgang Landendörfer, Sprecher der mittelfränkischen Kinderärzte. "Wir schrammen immer an unserer Kapazitätsgrenze entlang."

In den Kinderkliniken in der Region sieht es ähnlich aus, viele kleine Patienten werden dort derzeit wegen einer Infektion mit dem RS-Virus behandelt, rund 20 sind es allein im Südklinikum. Prof. Dr. Christoph Fusch, Ärztlicher Leiter der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg stimmt sich aktuell regelmäßig mit seinen Kollegen in Fürth, Erlangen und an der Cnopf'schen Kinderklinikik in Nürnberg über freie Kapazitäten ab, "damit wir wissen, wo noch Betten zur Verfügung stehen". Intern habe sich die Kinderklinik schon umorganisiert, um mehr Jungen und Mädchen mit der Atemwegsinfektion aufnehmen zu können. "Wir stehen kurz vor einer Überlastungssituation", sagt auch der Direktor der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Erlangen, Prof. Dr. Joachim Wölfle. Das ganze Bundesgebiet sei betroffen.

Wie Landendörfer erklärt, kann die Erkrankung vor allem für Säuglinge problematisch sein, weil sie dagegen keinen Nestschutz haben. Das Virus befalle die unteren Atemwege und erschwere so den Sauerstofftransport ins Blut. "Wenn ein Säugling hustet und schwer atmet, ist das ein Alarmsignal." Man müsse die Kleinen dann gut beobachten und oft auch in die Klinik bringen, wo sie mit Sauerstoff versorgt werden. Ab zwei, drei Jahren seien die Kinder dann stabiler, "sie verkraften die Infekte besser".


Heftige Welle befürchtet: Masken-Aus für Geimpfte als Schutz vor schwerer Grippe?


Dass sich die Fälle in diesem Jahr häufen, ist aus Sicht der Mediziner eine Folge der Corona-Pandemie. Geschlossene Kitas, sozialer Abstand im Lockdown und Maskentragen haben dazu geführt, dass die Erkältungs- und Grippesaison im vergangenen Jahr quasi ausgefallen ist. Auch Kinder, deren Immunsystem sich erst entwickeln muss, machten kaum Infekte durch - und holen das nun nach. "In diesem Jahr hat es uns jetzt umso heftiger erwischt", sagt Fusch. "Wir haben quasi zwei Jahrgänge auf einmal."

Für Pflegepersonal und Ärzte ist die Versorgung der kleinen Patienten eine Herausforderung. Wenn sie zusätzlichen Sauerstoff bekommen, müssen sie ständig beobachtet werden. Manche müssen zusätzlich mit Druck beatmet werden, einige wenige werden sogar über einen Tubus in der Luftröhre beatmet. "Gottseidank ist das die Ausnahme", so Fusch. Denn in diesen Fällen könne die Erkrankung lebensgefährlich sein. Und die Zahlen sind anhaltend hoch, "eine Entwarnung können wir noch nicht geben". Immerhin habe die Kinderklinik des Südklinikums noch keine geplante Behandlung verschieben müssen. Doch Fusch will nicht ausschließen, dass es noch so weit kommt.

Eindeutige Symptome gibt es bei der Infektion mit dem RS-Virus übrigens nicht. Fieber trete nicht in jedem Fall auf, betont Landendörfer. Eine eindeutige Diagnose liefere nur ein Schnelltest über einen Nasenabstrich, der aber nicht von den Krankenkassen bezahlt werde, wie der Pädiater kritisiert, der auch dem Vorstand des Berufsverbandes der bayerischen Kinder- und Jugendärzte angehört. "Wir haben das vergeblich gefordert." Bislang müssen die Eltern selbst dafür aufkommen, ähnlich wie bei einem Influenzatest, doch das könnten sich nicht alle leisten. Dabei sei eine sichere und schnelle Unterscheidung der verschiedenen Infektionen mit Blick auf die Pandemie mehr als sinnvoll.

Trotz übervoller Kinderkliniken müssen Eltern bei Anzeichen eines Atemwegsinfekts aber nicht in Panik verfallen, betont auch die Cnopf'sche Kinderklinik. In den meisten Fällen verlaufen die Atemwegsinfektionen wie eine Erkältung. Es handele sich um typische Erkältungsviren, die bei Säuglingen und Kleinkindern manchmal eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich machten – meist aber nicht mit schweren Verläufen. Gefährlich kann eine Infektion dagegen für ehemalige sehr kleine Frühgeborene sowie Kinder mit Vorerkrankungen werden.

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