Als Revanche einstürzende Neubauten
10.2.2019, 18:39 UhrDas Publikum, das zur Preisverleihung ins Treppenhaus-Foyer des Max-Planck-Instituts für die Erforschung des Lichts geeilt war, wirkte irritiert: irgendwie hatte man sich die neuen Räume des noblen Neubaus anders vorgestellt.
Und in der Tat gab es zusätzliche Einbauten, die offenbar so vom Architekten nicht gewollt waren, alles Mauerwerk und die Brüstungen waren durch zusätzliche Mauern aus – bei näherer Betrachtung – Pappschachteln erhöht worden, die beabsichtigte Leichtigkeit der Treppenkonstruktion dahin.
Selten zu erleben
Die Leiterin der Galerie im Kunstpalais, Amelie Deiss, ließ die Katze aus dem Sack, als sie mit ihrer absichtlich vor der Auszeichnung gehaltenen Laudatio die Künstlerin als eine Bildhauerin kennzeichnete, "deren Rauminstallationen eine irritierende Ästhetik innewohnt, wie sie selten zu erleben ist", sie erweitere die Bedeutung der Räume durch künstlerisch-ästhetische Eingriffe und zeige dabei ein hohes Maß an Originalität.
Spätestens als ein Großteil der in einwöchiger Arbeit aufgestapelten rund 2000 Pappschachteln auf die Besuchern herunterrieselten, angestupst von einem halben Dutzend klandestiner Helferinnen, war klar, was damit gemeint war, als Amelie Deiss – quasi als Warnung – davon sprach, dass Annette Voigt "ursprüngliche Funktionen aufhebt und in neue Sinnzusammenhänge bringt".
Der Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Kulturstiftung Erlangen, Mathias Schuch, hatte eingangs Florian Marquardt gedankt, der als Direktor des Instituts an der Staudtstraße mit der Überlassung des Foyers für die Preisverleihung ein gewisses Wagnis eingegangen war, indem er eine einwöchige "Bauphase" ins Haus holte. Annette Voigt sah ihre Aufbauarbeit von den Instituts-Mitarbeitern auch erst dann wirklich verstanden, nachdem eine hausinterne Mail der Leitung diese erklärt hatte.
Die große Publikumsresonanz auf die Preisverleihung erklärt sich bei der in Schwäbisch Hall geborenen Künstlerin nicht nur durch die Verankerung in fränkischen Landen durch ihr Studium an der Nürnberger Kunstakademie, sondern auch durch ihre rege Ausstellungstätigkeit.
Unvergessen bleibt ihre Ausstellung im Kunstverein Erlangen in der Hauptstraße, wo sie das ursprüngliche Ladengeschäft von der Galerie zurück in ein Ladengeschäft verwandelte und mit realistischem Werbesprech Rabatte und Ausverkaufspreise versprach.
Ungläubiges Staunen
Der doppelbödige Humor und die selbstironische Pose hat ihr immer wieder Sympathie eingebracht und ihre Kunst – absurde Konstruktionen aus Installationsmaterial, zweckentfremdete Gegenstände, die sinnfrei kombiniert werden – ungläubig staunenden Zuschauern präsentiert.
Dass die im Max-Planck-Institut eingezogene Festung noch am gleichen Abend "geschleift" wurde, mag den Mitarbeitern ein Trost sein. Den Kunstfreunden bleiben nur Filme, Bilder und Erinnerungen. Und Annette Voigt ein Scheck über 5000 Euro, den ihr der Vorsitzende des Stiftungsbeirats, Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik, überreichte.
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