Balleis: "Bin noch unentschieden"

14.6.2012, 09:00 Uhr
Balleis:

NZ: Die einfachste oder vielleicht doch schwierigste Frage zuerst: Sind Sie nun für oder gegen den Bau der Stadt-Umland-Bahn?

Balleis: Diese Frage kann ich weder mit Nein noch mit Ja beantworten.

NZ: Warum?

Balleis: 1996, als ich das Amt des Oberbürgermeisters angetreten habe, war im Hinblick auf die finanzielle Machbarkeit an das Thema überhaupt nicht mehr zu denken. Ich habe nun 16 Jahre lang eine sehr konsequente Konsolidierungspolitik betrieben, so könnte man jetzt auf den kühnen Gedanken kommen, dass die Stadt jahrelang gespart habe, um eine Stadt-Umland-Bahn zu finanzieren. Ich halte es heute für realistisch, über eine Stadt-Umland-Bahn zu diskutieren, das ist den Schweiß der Edlen wert, aber es muss systematisch Pro und Contra gegenübergestellt werden.

NZ: Für die Stadt-Umland-Bahn spricht der positive Kosten-Nutzen-Faktor.

Balleis: Dieser Faktor sagt nicht mehr oder weniger, als dass das Projekt grundsätzlich förderfähig wäre. Ob es wirtschaftlich ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

NZ: Was ist das massivste Problem für die Stadt Erlangen?

Balleis: Das größte Problem besteht weniger in den Investitionen, sondern in den Folgekosten. Bei Gesamtkosten von rund 240 Millionen Euro würden auf die Stadt Erlangen Investitionen in einer Größenordnung von 70 Millionen Euro netto entfallen. Die Investitionen werden zwar zu 80 Prozent bezuschusst, die Planungskosten jedoch überhaupt nicht. Die Förderung gibt es aber nur dann, wenn die Bahn auf eigenem Gleiskörper verläuft. Sobald aber die Schienen in den Fußgängerbereich in der Innenstadt verlegt werden, ist das nicht förderfähig. Es gingen uns also viele Fördergelder verloren. Bei der Stadt Nürnberg sieht das viel besser aus, weil die Strecke entlang der B4 durch das Knoblauchsland komplett förderfähig wäre. Was mich aber noch mehr bewegt, sind die jährlichen Folgekosten. So würde sich das Defizit im öffentlichen Nahverkehr in der Stadt auf einen Schlag verdoppeln.

NZ: Wie kann man diese Problematik lösen?

Balleis: Mein Glaube an den Einfluss des bayerischen Innenministers (Joachim Herrmann, CSU, ebenfalls aus Erlangen Anm.d.Red.) ist ungebrochen, dass er Sonderfinanzierungen locker machen kann. Wenn ihm das gelingen sollte, dann bin ich ernsthaft bereit, darüber nachzudenken.

NZ: Wenn nicht, ist dann das Thema vorbei?

Balleis: Das würde ich nicht sagen. Für mich ist entscheidend, was die Stadt Erlangen am Ende bezahlen muss. Es gibt aber auch noch eine ganze Reihe technischer Fragen, die vielen noch gar nicht bewusst sind. So würden die Bürger in Büchenbach, Uttenreuth und Buckenhof weniger direkte Busse in die Innenstadt haben, weil der Bus ja die Straßenbahnlinie kannibalisieren würde. Zudem müsste die Kosbacher Brücke gebaut werden, was die Gegner akzeptieren müssten. Außerdem müssten etliche Kreuzungen und enge Radien in der Innenstadt passiert werden. Denn die Bahn muss ja dort verkehren, wo die Menschen arbeiten und wohnen. Für Nürnberg bedeutet das eine neue Siedlungspolitik. Es macht ja keinen Sinn, wenn sie entlang der Strecke nur eine einzige nennenswerte Ortschaft, nämlich Boxdorf, haben, und ansonsten geht die Bahn an offener, unbebauter Landschaft vorbei. Außerdem müssten auch die großen Arbeitgeber in der Stadt Erlangen endlich bereit sein, ein konsequentes Parkraummanagement zu betreiben. Parkplätze müssen Geld kosten; nur dann haben die Mitarbeiter einen Anreiz, vom Individual- auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Ich bedauere außerordentlich, dass bei der Universität ein entsprechendes Gutachten seit zehn Jahren in der Schublade liegt.

NZ: Wie sollte es nun weitergehen?

Balleis: Die Straßenbahn wäre die größte Einzelinvestition in der Geschichte der Stadt Erlangen, nach dem Bau der Erlanger Neustadt 1686. Eine solche Einzelinvestition braucht nach meiner Überzeugung die demokratische Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger. Das heißt im Klartext ein Ratsbegehren mit Bürgerentscheid. Die Fragestellung müsste in der Stadtratssitzung Ende Juni beschlossen werden, so dass am Sonntag, 23. September, darüber abgestimmt werden kann. Wenn die Bürger das wollen, dann wird es sofort umgesetzt.