10.000 Euro Belohnung
Fast 41 Jahre später: Polizei in Franken startet neue Offensive, um Marias Mörder zu finden
05.03.2025, 21:56 Uhr
Maria Köhler ist 19 Jahre alt, als sie brutal aus dem Leben gerissen wird. Ihr Mörder stranguliert sie mit einem Schal in ihrer kleinen Wohnung in einem Wohnheim für angehende Krankenschwestern in Aschaffenburg. Das ist jetzt fast 41 Jahre her - aber noch immer ist der Täter nicht überführt. Mit einer großangelegten Öffentlichkeitsfahndung geht die Polizei nun in die Offensive, um das Verbrechen doch noch aufzuklären.
Die Ermittler wenden sich in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY… Ungelöst in einer Spezialausgabe zu "Cold Cases", also ungelösten Altfällen, an diejenigen, die etwas über die Tat oder den mutmaßlichen Täter wissen.
Der Verdächtige
"Der Tatverdächtige hat sich damals nach der Tat zeitnah ins Ausland, in die Türkei abgesetzt", erklärt Ermittler Jörg Albert, der sich mit einem Kollegen hauptberuflich um ungelöste Verbrechen am Untermain kümmert. Ob der Mann heute noch dort ist, weiß die Polizei nicht. Denkbar sei, dass der damals 25-Jährige auch nach Syrien weiterreiste oder irgendwann womöglich im Zuge der Flüchtlingsbewegung unter falschem Namen zurück nach Deutschland kam.
Falls er noch lebt, ist er mittlerweile 65 Jahre alt. Der Mann spricht nach Polizeiangaben arabisch, türkisch und deutsch. "Er war zum damaligen Zeitpunkt türkischer Staatsangehöriger, ledig bzw. geschieden und Arbeiter", sagt Albert.
Geboren sei der Verdächtige in Antakya an der türkisch-syrischen Grenze. Er ist 1,94 Meter groß, war 1984 schlank und hatte schwarze, lockige Haare. 1978 kam der Mann als Tourist nach Deutschland und heiratete 1981 - doch die Ehe mit der Deutschen hielt nicht lange. Mit Maria war er bis zur Trennung etwa eineinhalb Jahre zusammen. Eine Aufenthaltserlaubnis hatte er nicht und hätte kurz nach der Tat ausreisen müssen.
Die Tat
Maria wendet sich nach ihrer Beziehung mit dem 25-Jährigen einem US-Soldaten zu, der im hessischen Hanau stationiert ist, wie die Ermittler herausfinden. Am Tag vor ihrem Tod kommt die 19-Jährige zusammen mit ihrem neuen Freund mit einem Zug nach Aschaffenburg. Beide übernachten in ihrem Wohnheimzimmer. Der Soldat fährt am nächsten Morgen - es ist der 30. Juli 1984 - in seine Kaserne zurück.
Der Verdächtige wird an diesem Morgen am achtstöckigen Wohnheim von Maria gesehen und trifft sie später auch in der Innenstadt. Beide streiten lautstark, bis eine Unbeteiligte einschreitet und die 19-Jährige fliehen kann. Als die angehende Krankenschwester an ihrem Wohnheim in der Lamprechtstraße ankommt, schleicht nach Angaben einer Zeugin auch der damals 25-Jährige wieder auf dem Gelände umher. Um 12.30 Uhr soll Maria ihren Dienst im städtischen Krankenhaus beginnen, aber sie kommt nicht.
Nach Erkenntnis der Ermittler stirbt die 19-Jährige zwischen 12.00 und 13.00 Uhr in ihrem Zimmer mit der Nummer 506 - mutmaßlich stranguliert von ihrem Ex-Freund. Zwei Tage später wird das Opfer von einer Vorgesetzten gefunden.
Das Motiv
"Sie hat erzählt, dass er sie heiraten möchte, damit er hier bleiben kann", berichtet Marias älteste Schwester. "Das reicht nie für eine Heirat", habe Maria ihr damals gesagt. "Sie hat andere Pläne gehabt. Sie wollte nach der Schule, nach der Ausbildung nach Afrika fahren. Da mal arbeiten. Also es war ihr Traum", erzählt die 67-Jährige.
Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh ist mit Blick auf das Ergebnis der Ermittlungen sicher, dass der Verdächtige eifersüchtig auf Marias neuen Freund war. Damit sei das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe erfüllt. "Alle anderen Delikte wären mittlerweile verjährt."
Weltweit werde seit August 1984 nach dem Mann gefahndet. Er soll sich noch am Tattag einen Koffer gekauft haben und am nächsten Tag von Frankfurt aus in die Türkei geflogen sein. Dort habe es zwar auch ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Marias Tod gegeben - allerdings ohne Erfolg.

Die Spuren
"Wir haben eine DNA-Spur, die wir dem Täter zurechnen", erklärt der Leiter der Kriminalpolizei Aschaffenburg, Markus Schlemmer. Experten des Landeskriminalamtes hätten eine Phänotypisierung vorgenommen - und damit gebe es nun ein Täterprofil.
Lange durfte in Deutschland von DNA-Spuren nur das Geschlecht bestimmt werden, aber nicht äußere Merkmale wie Augen-, Haut- und Haarfarbe und das Alter. Seit 2020 ist die sogenannte Phänotypisierung nun erlaubt. Doch diese gibt lediglich eine Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Aussehen an, beweissicher ist sie nicht.
Dass die DNA-Spur vom Verdächtigen ist, sei aber sehr wahrscheinlich, auch wenn die Polizei noch keine Vergleichsprobe habe, erläutert der Ermittler.
Die Hoffnung
"Mit der Wiederaufnahme des Falls Maria Köhler erhoffen wir uns die Festnahme des Beschuldigten, damit wir endlich Gerechtigkeit walten lassen können", sagt Kripochef Schlemmer. "Jeder Fall hat es natürlich verdient, möglichst zeitnah wieder aufgenommen zu werden." Bei einem so lange zurückliegenden Verbrechen sei ein noch längeres Warten nicht zu verantworten.
Gerade im Bereich "Cold Cases" könnten Ermittler über Medienpräsenz ältere Menschen erreichen, die zu einem lang zurückliegenden Verbrechen womöglich Hinweise hätten. Daher setze die Polizei auf eine große Öffentlichkeitsfahndung, auch in sozialen Medien, sagt Schlemmer und ergänzt mit Blick auf den Gesuchten: "Wir wollen ihn quasi überraschen damit."
Zeugen werden gebeten, sich über die kostenfreie Hinweisnummer, Tel. 0800/1011611, oder per E-Mail unter cold-case-maria@polizei.bayern.de an die Kriminalpolizei Aschaffenburg zu wenden. Hinweise werden auch persönlich auf allen Dienststellen der Polizei in Bayern entgegengenommen. Wie die Polizei mitteilt, können Hinweise auch in türkischer und arabischer Sprache mitgeteilt werden.
Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, hat das bayerische Landeskriminalamt eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro ausgesetzt.
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