Ärztin äußerte sich
Foltervorwürfe gegen JVA Augsburg-Gablingen: Wusste das Ministerium monatelang Bescheid?
29.10.2024, 17:55 UhrBereits am Montag, 29. Oktober, wurde der Fall von Foltervorwürfen in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) in Augsburg-Gablingen in den Medien publik. Der konkrete Vorwurf: Einzelne Gefangene sollen in einem "besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände" untergebracht worden sein – wo es dann zu "tätlichen Übergriffen einzelner Beschäftigter auf Gefangene gekommen sein soll", berichtete zunächst die "Deutsche Presse-Agentur" (dpa). Voraussetzungen für eine solche Unterbringung Gefangener soll es nicht gegeben haben.
Am Dienstagnachmittag folgte die Veröffentlichung einer Recherche des "Bayerischen Rundfunk" (BR). Demnach hatte das Justizministerium bereits seit dem Jahr 2023 von den Vorwürfen gegen die JVA in Gablingen gewusst. Laut Angaben der BR liegt ein Mailverkehr vor, der dies beweist.
Der BR zitiert einige Stellen aus dem Mailverkehr. So habe die damalige Anstaltsärztin in der JVA, Katharina Baur, an das ministeriale Fachreferat für den Justizvollzug geschrieben: "Die vorherrschenden Verhältnisse in Gablingen haben mich zu einer Kündigung gezwungen, weil sie für mich nicht weiter tragbar sind. Vor allem die Verhältnisse im BgH, Besonders-gesicherter-Haftraum [dort werden Personen untergebracht, die selbstmordgefährdet sind], sind aus meiner Sicht nicht menschenwürdig."
Ärztin konnte Umstände nicht mehr ertragen
Die Umstände in diesen Zellen beschrieb Baur auch noch im Detail. Demnach seien die Gefangenen in diesen Zellen komplett nackt, hätten kein Nachthemd, keine Unterhose und weder Kissen noch Decke. "Die Decke und die Matratze liegen vor dem Haftraum, wenn eine Kontrolle durch den Folterausschuss erfolgt, werden diese in den Haftraum verbracht", zitiert der BR die Ärztin weiter.
So schrecklich es klingt, so furchtbar sind auch die Auswirkungen auf den menschlichen Körper, wie die Ärztin in ihren Schreiben erklärt. Je nachdem, wie lange Insassen in der gesonderten Haft verbringen, führe dies "zu Ekzemen, Exanthemen und v.a. ausgeprägtem Juckreiz…". Denn: Auch Waschen oder Duschen sei für die Gefangenen nicht möglich, schreibt der BR. Baur selbst konnte diese Umstände nicht mehr ertragen, "nicht einmal Tiere müssen auf nacktem Betonboden schlafen", schrieb sie.
Laut BR wurde auch mehrfach geprüft, ob Personen, die in der BgH einsitzen, tatsächlich eine Gefahr für sich selbst darstellen. Demnach wurde aber auch von einem Psychiater bescheinigt, dass es keine Hinweise auf eine Suizidgefahr gebe – trotzdem wurden einige Personen erst Tage nach dieser Diagnose aus der BgH entlassen.
Für viele Gefangene soll das Einsitzen in diesen Zellen zu heftigen Reaktionen geführt haben. Drei der Insassen, die "nur" wegen Wahnvorstellungen in Haft waren, seien demnach aufgrund von Verzweiflung mehrfach gegen eine Wand gelaufen. Auch Nachahmer oder vor allem solche, die eine ähnliche Reaktion angedroht hatten, soll es gegeben haben.
Gegenüber dem BR hat das Justizministerium inzwischen bestätigt, dass die Vorfälle in der JVA in Augsburg-Gablingen bekannt waren und die Ärztin entsprechende Angaben bereits weitergegeben hatte. Sie hatte sich bereits am 18. Oktober 2023 an die Strafvollzugsabteilung des Staatsministeriums der Justiz gewandt, am 26. Oktober 2023 wurde der Fall an die Staatsanwaltschaft Augsburg-Gablingen weitergeleitet.
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