Restitution

Streit um NS-Raubkunst: „Der Fisch stinkt vom Kopf“

21.02.2025, 13:36 Uhr
Die Alte Pinakothek ist ein Museum der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

© Peter Kneffel/dpa Die Alte Pinakothek ist ein Museum der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Eigentlich ist es eine klare Sache: Was die Nationalsozialisten aus jüdischen Kunstsammlungen geraubt haben und was nun in Staatseigentum ist, erhalten die Opfer oder deren Erben zurück. Doch wann liegt so ein Raub vor? Um diese Frage wird bei manchen Werken seit Jahren gerungen, etwa bei "Madame Soler" von Pablo Picasso. In Bayern ist die Debatte nun eskaliert. Vor allem die Staatsregierung und Kunstminister Markus Blume (CSU), aber auch seine Vorgänger werden von Nachfahren und deren Anwälten heftig kritisiert. Ihre Forderung: mehr Transparenz, Aufklärung und Tempo.

Verantwortung nicht delegieren

"Der Fisch stinkt vom Kopf her", schimpft Rechtsanwalt Markus Stötzel, der unter anderem die Nachfahren des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) vertritt und von Heuchelei spricht. Es ist vor allem Blume, über den er sich ärgert. Der hatte am Vortag die Schuld für mangelnde Transparenz in Sachen Raubkunst bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gesehen. Blume versuche, Verantwortung zu delegieren, indem er auf die Institution verweise, kritisierte der Jurist. Bei staatlichen Einrichtungen liege die Verantwortung beim Ministerium und dem jeweils amtierenden Minister. 

Zermürben und hinhalten

Stötzel und seine Kollegen ärgern sich schon lange darüber, wie der Freistaat mit den Gesuchen der Familien nach Restitution umgeht. Mandanten würden zu Bittstellern degradiert und hingehalten, beklagt Anwalt Hannes Hartung, der unter anderem die Erben der Brüder Lion vertritt. Nicht mal einen richtigen Ansprechpartner habe es gegeben. "Man hat uns immer wie einen Esel zwischen zwei Heuhaufen hin und her geschickt." 

Was die Juristen besonders erzürnt, ist fehlende Transparenz. Etwa, dass eine interne Liste existieren soll, auf der 200 Werke der Staatsgemäldesammlungen Rot markiert sein sollen, 800 weitere Orange, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Das sei gängige Praxis in der Provenienzforschung, erklärt Hartung und fügt an: "Rot heißt normalerweise immer: klare Raubkunst. Orange heißt dringendster Raubkunstverdacht". Seine Forderung: diese Erkenntnisse müssten möglichst schnell veröffentlicht werden, vor allem auf der Datenbank Lost Art, wo Menschen gezielt nach geraubtem Kulturgut suchen können. 

Aktiv nach Erben suchen

Doch damit nicht genug. Bayern müsse auch aktiv nach möglichen Erben suchen und auf diese zugehen, sobald ein Raubkunstverdacht vorliege, sind sich die Juristen einig und verweisen auf die Grundsätze für die Rückgabe von Kulturgut in den Washingtoner Prinzipien, denen sich auch Bayern verpflichtet hat. 

Zudem hätten die Familien oft private Unterlagen wie Testamente, um solche Fälle aufzuklären, merkt Ulf Bischof an, der für die Erben des Kunsthändlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy unter anderem für eine Rückgabe von "Madame Soler" kämpft. Seit mehr als 15 Jahren wolle man die Beratende Kommission einschalten, die in diesen Fällen eine Empfehlung gibt. Doch der Freistaat lehne das ab und verhindere so jeden Fortschritt. 

Bayern und seine Millionen

Doch was ist der Grund? Für Sanne Kurz (Grüne), kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Landtag, ist es fehlender politischer Wille - und Geld. Schließlich gehe es um Werte bis in einen zweistelligen Millionenbereich. Hier wolle der Freistaat offenbar nicht an das eigene Vermögen ran. Eine Taktik, die aufging, wie Hartung konstatiert. Man habe die Millionenwerte behalten. "Es hat einfach funktioniert und man hat die Erben zermürbt." 

Und noch etwas fordert Hartung unter Zustimmung seiner Kollegen: dass die Staatsgemäldesammlungen ihre eigene Rolle während des Nationalsozialismus aufarbeiten. Und zwar nicht mit eigenen Leuten, die vom Staat bezahlt werden, sondern externen, unabhängigen Provenienzforschern. Diese Krise berge auch große Chancen, ist sich der Jurist sicher.

Die Nachfahren jüdischer Kunsthändler kritisieren Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) für seinen Umgang mit Raubkunst.

Die Nachfahren jüdischer Kunsthändler kritisieren Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) für seinen Umgang mit Raubkunst. © Uwe Lein/dpa