Eingriff in die Privatsphäre?

Polizeigesetz vor Gericht: Urteil mit Einschränkungen - das gilt für Polizisten aus Bayern

Theresa Neuß

E-Mail zur Autorenseite

14.03.2025, 19:50 Uhr
Der Verfassungsgerichtshof bei der Urteilsverkündung.

© Leonie Asendorpf/dpa Der Verfassungsgerichtshof bei der Urteilsverkündung.

Seit Jahren sorgt eine Änderung im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) für Diskussionen. Insbesondere die Einführung des Begriffs der "drohenden Gefahr" war umstritten. Nun hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof ein Urteil gefällt: Der Kernpunkt des Gesetzes bleibt bestehen - allerdings mit klaren Einschränkungen.

Das PAG regelt, was die bayerische Polizei tun darf, um Gefahren zu verhindern - also bevor eine Straftat begangen werden kann. Das ist nämlich Ländersache. Was Polizistinnen und Polizisten zur Aufklärung von Verbrechen tun dürfen, ist dagegen in anderen Gesetzen und bundesweit einheitlich geregelt.

Bedeutung von "drohender Gefahr"

Im aktuellen Verfahren ging es um die sogenannte "drohende Gefahr". Im Gegensatz zur "konkreten Gefahr", bei der eine unmittelbare Bedrohung vorliegen muss, reicht hier bereits die Annahme, dass in absehbarer Zeit ein schwerwiegender Angriff stattfinden könnte. Das gibt der Polizei eine rechtlich gesicherte Grundlage, frühzeitig einzugreifen.

Konkret bedeutet das: Schon bei einer vagen Vermutung - ohne konkrete Hinweise - darf die Polizei Telefonate und E-Mails überwachen. Auch Personenkontrollen, der Einsatz von Überwachungskameras oder Platzverweise und präventive Festnahmen, wie sie oft bei Demonstrationen vorkommen, sind möglich.

SPD, Grüne und mehrere Bürgerinnen und Bürger hatten Klage gegen das Gesetz eingereicht. Ihr Hauptkritikpunkt: Der Begriff der "drohenden Gefahr" sei zu schwammig formuliert und ermögliche unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre.

Nicht verfassungswidrig - unter drei Bedingungen

Das Gericht entschied nun, dass die Generalklausel für Fälle einer "drohenden Gefahr" insgesamt nicht verfassungswidrig ist. Allerdings sei sie nur unter bestimmten Bedingungen mit der Bayerischen Verfassung vereinbar, sagt Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler bei der Urteilsverkündung nach Angaben der Deutschen Presseagentur.

Dafür stellte das Gericht klare Vorgaben auf: Sieht die Polizei "Vorbereitungshandlungen", die auf eine konkret drohende Gefahr hinweisen, darf die Polizei uneingeschränkt handeln. Geht es dagegen nur um eine "konkrete Wahrscheinlichkeit" für schwerwiegende Angriffe, muss es sich um terroristische oder vergleichbare Bedrohungen handeln. Diese müssen bedeutende Rechtsgüter gefährden - etwa die Sicherheit des Staates, das Leben oder die Freiheit von Menschen sowie kritische Infrastruktur.

Besonders weitreichende Grundrechtseingriffe dürfen nur vorübergehend und in neuen Bedrohungslagen auf die Generalklausel im PAG gestützt werden. Außerdem sind Maßnahmen der Polizei in Fällen einer bloß drohenden Gefahr nur dann erlaubt, wenn sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht tiefgreifend einschränken.

Das Gericht sah die "drohende Gefahr" dennoch nicht als zu unbestimmt an und wies die Klagen in diesem Punkt ab. Die entsprechende Vorschrift sei mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar.

Reaktionen auf das Urteil

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, das Gericht habe klargestellt, dass die Regelung zur "drohenden Gefahr" nicht gegen die Bayerische Verfassung verstoße. "Damit haben wir nun Rechtsklarheit für die bayerische Polizei und unsere Bürgerinnen und Bürger. Das ist besonders in der aktuellen Zeit wichtig. So kann die Polizei Gefahren effektiv abwehren, unsere Sicherheit gewährleisten und gleichzeitig unsere Freiheitsrechte schützen." Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht jetzt Rechtssicherheit hergestellt.

Die SPD betonte dagegen, zwar sei der Begriff der "drohenden Gefahr" rechtmäßig, aber unter Bedingungen. "Das Gericht hat zur Anwendung der drohenden Gefahr Leitplanken für die Praxis eingezogen, die bildlich gesprochen aus einer sechsspurigen Autobahn eine Landstraße machen", argumentierte der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold. Damit werde die Anwendung der Norm für die Praxis allerdings noch komplizierter, warnte er.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze nannte das Urteil einen großen Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof habe klargestellt, dass die Eingriffsschwelle der "drohenden Gefahr" nur unter strengen einschränkenden Voraussetzungen mit der Verfassung vereinbar sei und sehr eng ausgelegt werden müsse.

Der juristische Streit geht weiter

Das bayerische PAG, gegen dessen Verschärfungen vor einigen Jahren teils Zehntausende Menschen demonstriert hatten, wurde schon mehrfach zum Fall für den Verfassungsgerichtshof. Und auch mit dem jetzigen Urteil ist der juristische Streit nicht vorbei. Beispielsweise sind auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch Klagen gegen das PAG anhängig.