Helikopter-Eltern

Risiko „Elterntaxis“ - Hunderte Strafzettel bayernweit

6.1.2025, 05:01 Uhr
"Elterntaxis" sind selten gern gesehen. (Symbolbild)

© Sebastian Kahnert/dpa "Elterntaxis" sind selten gern gesehen. (Symbolbild)

Sie parken an Bushaltestellen in Schulnähe, gurten ihre Kinder nicht an oder halten vor Feuerwehrzufahrten: Sogenannte Elterntaxis sind seit langem ein Problem vor vielen Schulen in Bayern. Sie können sogar zu einer Gefahr für die Schüler werden, die zu Fuß, mit Rad oder Roller kommen. Seit Schuljahresbeginn hat die Polizei Hunderte Strafzettel verteilt – vor allem an Eltern, die ihre Kinder zur Schule gefahren haben. Auch wenn "Elterntaxis" gut gemeint sind: Den Kindern werde damit kein Gefallen getan, sind sich Lehrer, ADAC und Polizei einig. 

Im Schuljahr 2023/2024 ging die Zahl der Schulwegunfälle auf Bayerns Straßen um 9,3 Prozent von 653 auf 592 zurück, wie aus Zahlen des Innenministeriums hervorgeht. Die Zahl der dabei verletzten Schulkinder reduzierte sich binnen Jahresfrist um 2,4 Prozent von 718 auf 701, ein Kind starb. Auch im Schuljahr 22/23 sei ein tödlich verletztes Schulkind registriert worden, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Etwa 134.000 Mädchen und Buben starteten im vergangenen September ihre Grundschulzeit in Bayern.

Gründe für Elterntaxis vielfältig

Zu kalt, zu warm, zu weit, zu nah, zu spät oder böse Mitschüler auf dem Weg: Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband, hat schon unzählige Begründungen gehört, warum Eltern ihre Sprösslinge zur Schule fahren. Dabei sei der Weg in der Regel etwas Tolles für Kinder. "Es gibt an sich nichts Schöneres wie einen Schulweg. Da kommen meine Freunde, da erzähle ich, was gestern Abend war, da sage ich, was heute in der Früh war. Da sage ich, wovor ich Angst habe, worauf ich mich freue."

Klar könne es immer mal sein, dass ein Schulkind spät dran ist - entweder weil die Familie verschlafen habe oder es morgens mal nicht so zügig ging wie üblich. Auch auf dem Land sei das "Elterntaxi" nicht immer vermeidbar. Allerdings gebe es auch zahlreiche Eltern, die aus Überbehütung handelten. 

Der Verkehrsclub ADAC rät, Kinder bereits in der ersten Klasse zur Schule gehen zu lassen, sofern der Schulweg sicher ist und eingeübt wurde.

Eltern teils uneinsichtig

Der sichere Schulweg ist für die bayerische Polizei vor allem zum Schuljahresbeginn ein großes Thema. Landesweit gibt es Aktionstage wie zur Gurtanlege- und Kindersicherungspflicht. Allein in den ersten vier Schultagen des Schuljahres 2024/25 beanstandeten die Einsatzkräfte im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord das Verhalten von 540 Verkehrsteilnehmern - 463 Frauen und Männer seien gebührenpflichtig verwarnt worden. Gegen 75 weitere wurden Anzeigen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit erstellt. Auch in anderen Teilen Bayerns berichten Polizeipräsidien von zahlreichen Verkehrsverstößen und Verwarnungen für "Elterntaxis".

"Die Reaktionen der betroffenen Eltern waren unterschiedlich", teilte ein Polizeisprecher in Ingolstadt mit. "Viele zeigten Verständnis und Einsicht, nachdem sie auf die Gefahren hingewiesen wurden, gerade was die eigenen Kinder betrifft." Einige Eltern seien überrascht gewesen und hätten sich bedankt - aber es gab auch diejenigen, die "eher verärgert und teilweise uneinsichtig reagierten". 

"Leider ist das Schuldbewusstsein vieler Betroffener und die Einsicht in die möglichen Folgen des eigenen Handelns nicht sehr ausgeprägt", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken. "Es überwiegen die Eigeninteressen der Eltern, die deutlich im Mittelpunkt stehen. Das Allgemeinwohl wird sehr oft hintenangestellt."

"Elterntaxis" sind Risiko für Schüler 

Aus Sicht von Polizisten können die vielen Hol- und Bringdienste für die zu Fuß kommenden Schüler problematisch werden. Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums München berichtete etwa von zugeparkten Bushaltestellen. "Die Schülerinnen und Schüler, die zu Fuß da sind, müssen sich durch etliche Fahrzeuge manövrieren." Gefahren gebe es auch durch Fahrzeuge, die haltende Autos überholten.

"Was verloren geht, wenn Eltern ihre Kinder immer zur Schule fahren, ist definitiv die Entwicklung von einem Verkehrssinn", erklärte die Polizeiobermeisterin. "Kinder lernen auf dem Schulweg spielerisch Verkehrssituationen kennen, wie man sich am besten als Fußgänger oder Fahrradfahrer verhält und vieles mehr." Das werde nicht nur bei der Fahrradprüfung wichtig, sondern auch später beim Führerschein. "Je mehr sich Kinder selbstständig im Verkehr bewegen, desto besser sind sie vorbereitet."

Bundesweit wird jedes vierte Grundschulkind von den Eltern zur Schule chauffiert. Nach einer im vergangenen Herbst veröffentlichten Umfrage der ADAC-Stiftung unter mehr als 1.000 Eltern fahren im Frühjahr und Sommer 23 Prozent, im Herbst und Winter sogar 28 Prozent ihr Kind mindestens dreimal pro Woche mit dem Auto zur Schule. 

Elternhaltestellen und "Kiss-and-Drive-Zonen"

Um ein Verkehrschaos morgens und nachmittags vor Schulen zu vermeiden, probieren einige Kommunen sogenannte Elternhaltestellen, auch "Kiss-and-Drive-Zonen" genannt, aus. In Bamberg beispielsweise soll die Verwaltung die Machbarkeit von Schulstraßen bei Grund-, Mittel- und Förderschulen prüfen, wie aus einem gemeinsamen Antrag mehrerer Fraktionen im Stadtrat hervorgeht. Angestrebt ist zunächst ein Modellversuch.

Auch Simone Fleischmann vom Lehrerverband kann sich für einige Schulen Elternhaltestellen vorstellen. In der Regel wird dann ein Straßenabschnitt vor der Schule zeitweise für den motorisierten Verkehr gesperrt - meist eine halbe Stunde um Unterrichtsbeginn und -ende. Ansonsten bleibt die Verkehrsregelung wie gewohnt. Von den Elternhaltestellen aus müssen die Kinder die letzten Meter dann zu Fuß zurücklegen.

Vor Schulen gibt es regelmäßig Verkehrskontrollen. (Symbolbild)

Vor Schulen gibt es regelmäßig Verkehrskontrollen. (Symbolbild) © Angelika Warmuth/dpa

Vielerorts setzen sich Eltern für einen sicheren Schulweg ein. (Symbolbild)

Vielerorts setzen sich Eltern für einen sicheren Schulweg ein. (Symbolbild) © Peter Kneffel/dpa