Mordprozess
Ukrainer in Murnau erstochen - Angeklagter Russe bereut Tat
10.02.2025, 05:03 UhrEin Geständnis, Reue - und eine offene Frage nach dem Motiv: Im Prozess um den Tod zweier kriegsversehrter ukrainischer Soldaten im oberbayerischen Murnau hat der angeklagte Russe die Tat grundsätzlich eingeräumt.
"Jetzt, in nüchternem Zustand, bereue ich zutiefst, was vorgefallen ist", ließ der 58-Jährige vor dem Landgericht München II durch seinen Anwalt Uwe Paschertz erklären. Am liebsten würde er die Tat am 27. April 2024 ungeschehen machen. Den Hintergrund stellt er aber anders dar als die Staatsanwaltschaft.
Streit um Politik - oder um Alkohol?
Die Anklage geht davon aus, dass der Russe die Ukrainer nach einem Streit über den Krieg in der Ukraine erstach. Wegen des möglichen politischen Motivs hatte die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen übernommen. Nach Darstellung des Angeklagten ging es bei dem Streit hingegen ausschließlich um Alkohol.
Die 23 und 36 Jahre alten Soldaten waren wegen ihrer Kriegsverletzungen in der Unfallklinik Murnau operiert worden und körperlich stark eingeschränkt. Die drei Männer kannten sich lose und hatten mehrfach miteinander getrunken.
"Sicherungen durchgebrannt"
Die Ukrainer hätten ihm am Tattag seine Flasche Wodka nicht zurückgegeben und ihn beleidigt. Schließlich habe er ein Messer geholt, um die beiden einzuschüchtern. Er sei erheblich betrunken gewesen.
Er habe die beiden nicht verletzen, geschweige denn töten wollen, trug Anwalt Paschertz für seinen Mandanten vor. Die beiden hätten sich dann jedoch über ihn lustig gemacht und weiter beleidigt. Da seien ihm "die Sicherungen durchgebrannt".
Passanten fanden die Ukrainer wenige Minuten später, eine Blutspur führte die Polizei zur Wohnung des Russen. Laut Anklage hatte er sich am Finger eine stark blutende Wunde zugezogen.
Langes Register
Der Angeklagte, der einst nach einigen Angaben in der russischen Armee gedient hatte und desertierte, lebte mit diversen Jobs seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland.
Reglos hört er zu, als sein langes Vorstrafenregister vorgetragen wird: Gewalttaten, Diebstahl, alkoholbedingte Verkehrsverstöße. Insgesamt weit mehr als ein halbes Dutzend Taten.
Fünf bis sieben Jahre hat er hinter Gittern verbracht. Alkohol spielt eine entscheidende Rolle in seinem Leben, vor allem Wodka und Bier. Zuletzt sei er verstärkt in den Alkoholkonsum abgerutscht, von dem er an sich loskommen wollte, trug sein Anwalt vor.
Nationalstolz verletzt
Reglos und mit gesenktem Kopf verfolgt der 58-Jährige auch die Verlesung der Anklage. Der Angeklagte habe sich durch den Streit in seiner übersteigerten Feindseligkeit gegenüber ukrainischen Soldaten bestätigt gefühlt und sich entschlossen, ein Messer zu holen und die beiden zu töten, schildert Oberstaatsanwalt Maximilian Laubmeier die Sicht der Anklage.
Als Anhänger eines übersteigerten russischen Nationalismus habe der Angeklagte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befürwortet. Er habe sich durch den Streit in seinem Nationalstolz verletzt und in seiner übersteigerten Feindseligkeit gegenüber ukrainischen Soldaten bestätigt gefühlt. Deshalb habe er sich entschlossen, das Messer zu holen und die beiden zu töten.
Alle drei waren laut Anklage stark alkoholisiert und hatten deutlich über zwei Promille Blutalkoholkonzentration. Dennoch habe der Mann keine körperlichen oder psychischen Ausfallerscheinungen gehabt und sei daher in der Lage gewesen, das Unrecht der Tat einzusehen.
Schock in der Region
Die Tat hatte die Menschen weit über die Region hinaus schockiert. Im Ort herrschte Fassungslosigkeit. An einem zweisprachigen Trauergottesdienst nach der Tat nahmen auch viele Ukrainer teil.
Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP) sagte damals, die Saat Putins und seiner Schergen gehe auch in Deutschland auf. Es handele sich jedoch um eine schreckliche Einzeltat, unterstrich Beuting kurz vor Prozessbeginn. Die Stimmung unter den Volksgruppen im Ort sei weder vor noch nach der Tat aggressiv oder auf Rache ausgerichtet gewesen.
Knapp 200 Ukrainer leben nach Beutings Angaben derzeit in der Gemeinde; immer wieder werden auch verwundete Soldaten in der Unfallklinik behandelt.
Der Bürgermeister sieht keine originär politische Motivation. Er gehe davon aus, dass Alkohol eine große Rolle gespielt habe. "Aber das muss der Prozess zeigen." Dieser ist vorerst bis zum 27. Februar angesetzt.