Energiepolitik

Viel Protest: Bayerns gekipptes Klimaziel

20.1.2025, 05:02 Uhr
Die bayerische Staatsregierung würde am liebsten sofort wieder den abgeschalteten Atommeiler Isar 2 in Betrieb nehmen. Das ist aber weder praktisch noch rechtlich so einfach machbar. (Archivbild)

© Peter Kneffel/dpa Die bayerische Staatsregierung würde am liebsten sofort wieder den abgeschalteten Atommeiler Isar 2 in Betrieb nehmen. Das ist aber weder praktisch noch rechtlich so einfach machbar. (Archivbild)

Mehr als 10.000 Menschen haben in den vergangenen Tagen mit einer Unterschriftensammlung gegen die von der Staatsregierung geplante Verschiebung von Bayerns Klimaneutralität auf das Jahr 2045 protestiert. Die Grünen hatten den Petitionsaufruf kurzerhand nach Bekanntwerden der Absprache von CSU und Freien Wählern initiiert. Sie verlangen ein Festhalten an dem bisher im Klimagesetz verankerten Ziel, den Freistaat bis 2040 klimaneutral zu machen. Bayerns Klimapolitik wird so unfreiwillig Teil des Bundestagswahlkampfes.

Söders Argumente: Atomausstieg, Weltlage, Wirtschaftsprobleme

Erst vor wenigen Tagen hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärt, dass Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) eine Gesetzesvorlage erarbeiten solle, welche das neue Jahresziel beinhalte. Er begründete den zunächst geheim gehaltenen Plan mit dem deutschen Ausstieg aus der Atomenergie, der veränderten Weltlage und den Herausforderungen für die Wirtschaft. Söder reagierte mit seiner jüngsten Einlassung auf eine öffentliche Diskussion, welche entbrannt war, nachdem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die bisher interne Absprache ausgeplaudert hatte.

Umweltminister sagt im Dezember im Landtag Ziel 2040 "steht"

Zur Erinnerung: Noch am 12. Dezember, also nachdem das Kabinett bereits seine Absprache hinter verschlossenen Türen getroffen hatte, sagte Glauber im Landtag noch nichts über 2045. Stattdessen betonte er: "Bayerns Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, steht. Dafür arbeitet diese Staatsregierung, dafür arbeitet der Bayerische Landtag, dafür arbeiten wir als Abgeordnete." Von CSU und Freien Wählern erhielt er dafür laut Protokoll der Sitzung Beifall. Schon alleine dieses Verhalten wirft Fragen auf, da er offenkundig im Parlament zumindest nicht vollständig Rede und Antwort gestanden hat.

Atomkraft spielt in Energieplan für Klimaneutralität keine Rolle

Doch nicht nur der Stil der Aktion ist fragwürdig und intransparent: Bei genauer Betrachtung der bayerischen Energieplanungen für die Klimaneutralität wirkt die Argumentation zur Kernkraft auch inhaltlich nicht plausibel. So schreibt das Umweltministerium in einer Anfrage des Grünen-Abgeordneten Martin Stümpfig, dass weder im "Energieplan Bayern 2040" noch in der landeseigenen "Energiesystemanalyse – Bayern klimaneutral" die nun laut Söder unverzichtbare Atomenergie bis dato eine Rolle gespielt hat. Auch seien der Regierung keine anderen wissenschaftlichen Analysen bekannt, aus denen hervorgeht, dass die Klimaneutralität bis 2040 nur mit Atomkraft machbar sei.

Ein weiterer Faktor, der gegen eine schnelle Klimaneutralität des Freistaats mit Kernenergie spricht, ist die nicht absehbare Dauer, bis sie überhaupt zur Verfügung stünde. Derzeit gilt die - auch mit den Stimmen der CSU beschlossene - Gesetzesgrundlage zum deutschen Atomausstieg. Demnach ist die Nutzung der Kernenergie zur Erzeugung von Elektrizität ausgeschlossen.

Nutzungsperspektiven für Isar 2 nicht absehbar

Das 2023 abgeschaltete Atomkraftwerk Isar 2 könnte laut einer "groben Abschätzung" des Umweltministeriums frühestens drei bis vier Jahre nach der Änderung des Atomgesetzes wieder in Betrieb genommen werden. Ein Neubau würde - ungeachtet hoher Milliardenkosten - zweifelsohne noch viel länger dauern, weshalb vermeintlich klimaschonende Kernenergie aus Bayern auch für ihre Befürworter nicht absehbar ist.

An dieser Faktenlage hat sich seit der Erstellung des Energieplans nichts geändert - weshalb Söders Verweise auf den Atomausstieg hier nicht nachvollziehbar sind, wie Stümpfig findet: Die Behauptung, nur mit Kernkraft könne 2040 erreicht werden, "ist komplett haltlos". "Im Jahr 2022, als das Atomkraftwerk Isar 2 noch ganzjährig in Betrieb war, hat es theoretisch gerade einmal 4,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Die Gesamtemissionen in Bayern betragen über 85 Millionen Tonnen."

Stümpfig: "Es wurde gelogen"

Stümpfigs Kritik geht noch weiter: "Klimaschutz ist Söder tatsächlich egal. Das ist fatal angesichts der enorm zunehmenden Schäden in Bayern." Allein das Sommerhochwasser 2024 habe mindestens Schäden in Höhe von zwei Milliarden Euro verursacht. "Das Unterlaufen eines gültigen Gesetzes ist unglaublich. Und ich bleibe dabei: Es wurde gelogen."