Bundestagswahl

Was Sie zu Wahlrecht und Stimmabgabe wissen sollten

14.02.2025, 04:32 Uhr
Die Zahl der Sitze im neuen Bundestags ist auf 630 beschränkt. Wie viele bayerische Abgeordnete das Parlament künftig haben wird, hängt neben der Zahl der Stimmen für die einzelnen Parteien auch von der Wahlbeteiligung ab. (Archivbild)

© Peter Kneffel/dpa Die Zahl der Sitze im neuen Bundestags ist auf 630 beschränkt. Wie viele bayerische Abgeordnete das Parlament künftig haben wird, hängt neben der Zahl der Stimmen für die einzelnen Parteien auch von der Wahlbeteiligung ab. (Archivbild)

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar ist nicht nur der Zeitpunkt so früh im Jahr ungewohnt - auch das Wahlrecht hat sich fundamental geändert. Was Sie zur Stimmabgabe und der Zusammensetzung des neuen Bundestages wissen müssen.

Wie stimme ich ab?

Sie haben wie auch bisher zwei Stimmen: eine Erst- und eine Zweitstimme. Mit der Erststimme wählen Sie den Direktkandidaten oder die Direktkandidatin in Ihrem Wahlkreis - diese Stimme geht also an eine Person. Mit der Zweitstimme wählen Sie eine Partei.

Wie viele Wahlkreise gibt es in Bayern?

47. Der Wahlkreis Memmingen-Unterallgäu kam aufgrund der Bevölkerungsentwicklung neu hinzu. Er setzt sich aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu zusammen. Bei der vorigen Bundestagswahl waren es noch 46 Wahlkreise im Freistaat. Hintergrund ist die wachsende Bevölkerungszahl in Bayern und die schrumpfende Bevölkerung in Sachsen-Anhalt - denn dort gibt es künftig einen Wahlkreis weniger.

Welche Auswirkungen hat das neue Wahlrecht?

Die Zahl der Sitze im künftigen Bundestag wurde durch das neue Wahlrecht auf 630 beschränkt. Es gibt zudem keine sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Diese hatten dafür gesorgt, dass der Bundestag zuletzt 736 Abgeordnete hatte. Die Wahlrechtsreform sollte unter anderem dafür sorgen, dass der Bundestag nicht mehr weiter wächst. Inwiefern das Wahlrecht auch über die anstehende Bundestagswahl hinaus Bestand haben wird, ist aber fraglich. CDU und CSU kündigten bereits an, im Falle eines Wahlsieges das Regelwerk erneut korrigieren zu wollen.

Was bedeutet das für die Sitzverteilung im neuen Bundestag?

Für die Zahl der Sitze, die eine Partei im Bundestag erhält, ist künftig nur die Zweitstimme relevant. Alle Parteien, die über der Fünf-Prozent-Hürde liegen oder mindestens drei Direktmandate gewinnen, ziehen in den Bundestag ein. Alle bundesweit auf diese Parteien entfallenen Zweitstimmen werden entsprechend der Stimmverhältnisse auf die 630 Sitze verteilt. In einem weiteren Schritt werden dann die einer Partei zustehenden Sitze auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Je mehr Menschen in Bayern eine Partei wählen, desto höher wird der Bayern-Anteil an den dieser Partei bundesweit zustehenden Sitzen sein. Eine hohe Wahlbeteiligung im Freistaat sorgt also für viele bayerische Abgeordnete.

Und was passiert mit der Erststimme?

Die Erststimme bestimmt über die Direktmandate und spielt dadurch eine Rolle bei der Frage, welche Kandidaten für die einzelnen Parteien einziehen. Wer ein Direktmandat erringt, wird bei der Verteilung der Sitze für eine Partei zuerst berücksichtigt. Haben alle Direktkandidaten einen Sitz, wird der verbleibende Rest der Sitze über sogenannte Landeslisten der Parteien vergeben.

Wie viele Abgeordnete aus Bayern wird der neue Bundestag haben?

Das lässt sich vorab nicht genau sagen. Es kommt letztlich darauf an, wie hoch die Wahlbeteiligung in Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern ausfällt und wie viele Stimmen in Bayern auf Parteien entfallen, die in den Bundestag einziehen. Das gilt auch für die CSU, die ja ein Sonderfall ist, weil sie nur in Bayern antritt. Ein Rechenbeispiel der Bundeswahlleiterin auf Grundlage des neuen Wahlrechts und mit dem Ergebnis der vorigen Bundestagswahl ergab 97 Sitze für Abgeordnete aus Bayern. Wie viele es bei dieser Wahl sein werden, hängt vor allem vom Wahlausgang ab.

Zieht weiterhin jeder Wahlkreissieger in den Bundestag ein?

Das muss nicht so sein und ist deshalb auch einer der größten Streitpunkte zum Wahlrecht. Stehen einer Partei aufgrund ihres Zweitstimmenergebnisses weniger Sitze zu, als sie Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen hat, gehen die Direktkandidaten mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen der Partei leer aus. Nach dem alten Wahlrecht hätte eine solche Konstellation zu den nun abgeschafften Überhang- und Ausgleichsmandaten geführt.

Sollte auch über die Landeslisten kein Kandidat aus einem Wahlkreis in den Bundestag einziehen, gäbe es tatsächlich "verwaiste" Wahlkreise ohne Bundestagsabgeordneten. Da die CSU in Bayern bisher bis auf eine Ausnahme alle Wahlkreise direkt gewonnen hat, fürchtet die Partei hier etwa negative Folgen durch das neue Wahlrecht.

Wie wahrscheinlich ist das und in welchen Wahlkreisen könnte das passieren?

Betroffen sein könnten davon vor allem Wahlkreise in Großstädten, wie der Wahlforscher Jörg Siegmund von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing sagt. Dazu zählen etwa München, Nürnberg und Augsburg. "Weil hier der Parteienwettbewerb in der Regel enger ist und auch der erstplatzierte Direktkandidat nur einen relativ geringen Erststimmenanteil erzielt."

Landeswahlleiter Thomas Gößl teilte mit Blick auf möglicherweise "verwaiste" Wahlkreise jedoch mit: "Selbst falls eine Partei alle oder fast alle Direktmandate erringt, aber deutlich unter 50 Prozent bleibt, muss das nicht unbedingt der Fall sein – insbesondere falls Bayern wieder eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung hat."

Was bedeutet das fürs "taktische Wählen"?

"Taktisches Wählen im Sinne eines Versuchs, die Zusammensetzung des Bundestages stärker zu beeinflussen als andere Wähler mit ihrer Stimmabgabe, ist kaum noch möglich", sagte Wahlforscher Jörg Siegmund. Dies sei höchstens noch in dem Sinne möglich, dass Wählerinnen und Wähler eine von ihnen weniger präferierte Partei mit der Zweitstimme wählen, damit diese über die 5-Prozent-Hürde kommt und in den Bundestag einzieht, wo sie dann als Koalitionspartner der eigentlichen Wunschpartei zur Verfügung stehe. Ein solches Wahlverhalten schwäche aber dann die präferierte Partei, findet Siegmund. "Die Bedeutung der Erststimme wurde damit etwas reduziert."