"Musik-Titan"
Das Genie hinter „Thriller“: Musik-Legende Quincy Jones tot
4.11.2024, 09:53 UhrDie US-Musiklegende Quincy Jones ist tot. Der weltweit gefeierte Produzent und Komponist sei am Sonntagabend (Ortszeit) in seinem Haus in Bel Air in Los Angeles im Kreise seiner Familie gestorben, teilte sein Sprecher Arnold Robinson mit. Jones wurde 91 Jahre alt. US-Medien würdigten ihn als "Musik-Titan", "Maestro", "Unterhaltungsikone" und "Universalgenie".
"Heute Abend müssen wir mit vollen, aber gebrochenen Herzen die Nachricht vom Tod unseres Vaters und Bruders Quincy Jones überbringen", heißt es in einer Erklärung der Familie, die Robinson an die dpa weiterleitete.
"Und obwohl dies ein unglaublicher Verlust für unsere Familie ist, feiern wir das großartige Leben, das er gelebt hat, und wissen, dass es nie einen anderen wie ihn geben wird", heißt es in dem Statement weiter. "Durch die Musik und seine grenzenlose Liebe wird Quincy Jones‘ Herz für immer schlagen." Anstelle von Blumen bat die Familie um Spenden für die Jazz Foundation of America.
Jones zählt zu den bedeutendsten Produzenten der Branche. In seiner rund 70-jährigen Karriere gewann er 28 Grammy-Preise. Das "Time"-Magazin kürte ihn als einen der einflussreichsten Jazz-Musiker des 20. Jahrhunderts.
Der Musiker und Produzent Leslie Mandoki würdigte Jones als ein Stil übergreifendes und prägendes musikalisches Genie. "Er war der Größte, ein Vorbild, und immer hatte er auch den Blick für die jungen Künstler der Weltklasse", schrieb Mandoki, der Quincy seit 25 Jahren kannte, in einer Mitteilung. "Danke, lieber Quincy, für all die großartigen Empfehlungen und für Deine Freundschaft. Ruhe in Frieden, in unserer Erinnerung bist Du unsterblich." Mandoki hat unter anderem mit Phil Collins und Lionel Richie gearbeitet.
Jones arbeitete mit zahlreichen Weltstars zusammen
Erst im Juni dieses Jahres hatte die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zudem angekündigt, dass Jones mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet werden solle. "Als erster schwarzer Komponist, der in den 60er Jahren vom Hollywood-Establishment akzeptiert wurde, trug er dazu bei, die Filmmusik mit den dringend benötigten Einflüssen von Jazz und Soul aufzufrischen", heißt es in seiner Biografie.
Zusammengearbeitet hat er unter anderem mit Michael Jackson, George Benson, Frank Sinatra, Louis Armstrong, Stevie Wonder, Aretha Franklin, Miles Davis, Billie Holiday, Peggy Lee oder Ella Fitzgerald. Mit Ray Charles verband ihn zudem eine lebenslange Freundschaft.
Der 1933 in Chicago geborene Jones hat überdies ein Plattenlabel geleitet, Filmmusik komponiert, Bücher geschrieben, Spielfilme auf die Leinwand gebracht und TV-Serien mitentwickelt und produziert.
Mit am bekanntesten wurde er aber für eines der berühmtesten Alben der Pop-Geschichte: Michael Jacksons "Thriller" von 1982, das Jones produzierte - ebenso wie die Jackson-Alben "Off The Wall" und "Bad".
Unter der karitativen Arbeit blieb vor allem die Benefiz-Single "We Are the World" mit Jackson und Lionel Richie aus dem Jahr 1985 in Erinnerung. Der Song brachte mehr als 50 Millionen Dollar für einen Afrika-Hilfsfonds ein. Zuweilen wirkte der siebenfache Vater, der auch eine Tochter aus einer Beziehung mit der deutschen Schauspielerin Nastassja Kinski (63) hat, wie eine Art inoffizieller Kulturbotschafter der Vereinigten Staaten.
Jones galt als Pate von Michael Jackson
Im Mainstream-Pop wird Jones vor allem als Pate von Jacksons besten Titeln in Erinnerung bleiben. Schon für das Debut "Off the Wall" von 1979 saßen die beiden zusammen im Studio, und auch bei "Bad" von 1987 zog Jones die Strippen im Hintergrund. Doch in diesen Jahren war der Mann aus Chicago, der auch in Seattle aufwuchs und dann nach New York zog, bereits durch höchste Sphären des Jazz geglitten. Clifford Brown, Tommy Dorsey, Oscar Pettiford und Dinah Washington engagierten Jones, 1956 ging er mit Dizzy Gillespies Big Band auf Tour.
Vielleicht war es der damals noch unbekannte Pianist und Sänger Ray Charles, der Jones musikalisch so richtig in Fahrt brachte. In Seattle spielten die beiden als Teenager Jones zufolge an einigen Abenden oft mehrere Auftritte hintereinander, die in Bebop-Sessions bis tief in die Nacht übergingen. Jones‘ Album "Body Heat" von 1974 schaffte es später in die Top Ten der Billboard-Charts, weitere Alben kamen unter die oberen 20 Platzierungen. Nach der Diagnose eines lebensgefährlichen Aneurysmas im Gehirn, musste er sein Trompetenspiel allerdings einstellen.
Jones galt als Alleskönner
Zusammen mit Miles Davis sei Jones der "einzige Überlebende der Bebop-Ära, der zeitgenössisch geblieben ist und weiter einen Einfluss auf die heutige Musik hatte", schrieb Musikkritiker Nelson George. "Du machst deine Fehler und lernst, wie man an das gute Zeug kommt", zitiert die Recording-Academy Jones auf ihrer Website. Mit seiner Ernennung als Vizepräsident bei Mercury Records wurde er 1961 als erster Afroamerikaner musikalischer Leiter eines großen US-Plattenlabels.
Jones galt als Alleskönner. An fast allen Facetten der Musikbranche versuchte er sich. Er führte eine Band an, trat als Solo-Künstler und Nebenmann auf, schrieb Songs, produzierte und arrangierte, er leitete ein Plattenlabel und komponierte Filmmusik. Dazu schrieb er Bücher, brachte Spielfilme auf die Leinwand und entwickelte TV-Serien mit. Beispiele sind der Soundtrack zu "Die Farbe Lila" von Steven Spielberg, die Serie "Der Prinz von Bel Air", bei der er als Produzent fungierte, und die Musikzeitschriften "Vibe" und "Spin", dessen Herausgeber er war. Unter der karitativen Arbeit blieb vor allem die Benefiz-Single "We Are the World" mit Jackson und Lionel Richie in Erinnerung.
Viele nannten in einfach "Q"
Über die Jahre begegnete Jones den Beatles und Prince, David Bowie und Rapper Tupac Shakur, aber auch Malcolm X, Elon Musk, Truman Capote und Buzz Aldrin. Nicht alle seiner oft sehr blumigen Anekdoten mit diesen Prominenten lassen sich unabhängig überprüfen - lehnte er es etwa wirklich ab, von Frank Sinatra mit Marilyn Monroe verkuppelt zu werden, wie er im Interview mit der Zeitschrift "GQ" im Februar 2018 erklärte?
Auch aus seinen vielen Freundinnen und Liebhaberinnen - es sollen Dutzende gewesen sein - machte Jones kein Geheimnis. Seine sieben Kinder aus drei Ehen und zwei weiteren Beziehungen lassen ahnen, dass Jones auch im Hinblick auf Frauen ein Hansdampf in allen Gassen sein konnte.
Jones kannte Rang und Namen im amerikanischen Entertainment, und wäre es nach ihm gegangen, hätte ihn der frühere Präsident Barack Obama zum Kulturminister ernannt. Das Amt gibt es in den USA bisher nicht. Doch wenn jemand diesen Posten verdient hätte, wäre es vermutlich Quincy Delight Jones jr. gewesen - der musikalische Alleskönner, den viele im Geschäft einfach "Q" nannten.