Filmemacher
Heinrich Breloer wird 80 - Neues Projekt in der Mache
15.2.2022, 12:43 UhrHeinrich Breloer dagegen erzählt über sie aus eigener Erinnerung. Er hat in seinem Leben viele Gestalten der Zeitgeschichte persönlich kennengelernt. Am Donnerstag (17. Februar) wird der Filmemacher 80 Jahre alt.
Sein Arbeitszimmer in einem Altbau in der Kölner Südstadt sieht aus wie eine Mischung aus Antiquariat, Geschichtswerkstatt und Filmmuseum. Überall stapeln sich Bücher und Erinnerungsstücke. An der Wand hängen ein von Schauspieler Armin Müller-Stahl gezeichnetes Porträt von ihm und ein Schnappschuss, auf dem er dem WDR-Intendanten Tom Buhrow scherzhaft in die Innentasche seines Sakkos greift - auf der Suche nach Finanzmitteln für seinen Bert-Brecht-Film. Oben auf den Vitrinenschränken sind seine gesammelten Filmpreise aufgereiht: Emmy, Grimme-Preis, Bambi, Goldener Gong und und und.
Breloer scheint noch immer ganz in seinen Filmen zu leben. Er spricht so engagiert und detailliert über die unterschiedlichen Projekte, als wären sie gerade erst abgeschlossen worden. "Mit welcher Energie und Neugier er seine Arbeit nach wie vor betreibt, das beeindruckt mich immer wieder", sagt Intendant Buhrow.
Der Hotelierssohn aus Marl im Ruhrgebiet gilt als Erfinder des Dokudramas, in dem Dokumentar- und Spielfilm gemischt werden. Derzeit arbeitet er an einem neuen Projekt für den WDR, über dessen Inhalt er noch nichts preisgeben will. Er ringt noch mit sich, ob er auch selbst Regie führen soll: "Mir würde es nach meinem 80. Geburtstag auch reichen, als Berater dabei zu sein."
Breloer ist davon überzeugt, dass er mit seinen Filmen etwas bewegt hat. "Ich habe dazu beigetragen, den Lügenmythos vom "unschuldigen Speer" zu erschüttern. Die Filmerzählung war die Folie, die wir über seine lügenhaften Erinnerungen gelegt haben." Hitlers Lieblingsarchitekt wusste sich in der Nachkriegszeit als "anständiger Nazi" zu inszenieren. Vom Massenmord an den Juden wollte er nichts gewusst haben. "Dabei hat er Auschwitz mitgebaut."
Später setzte er sich mit der RAF auseinander. Sein Film "Todesspiel" befasste sich mit der Verschwörungstheorie, dass die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Terroristen im "Deutschen Herbst" 1977 vom Staat liquidiert worden seien. "Jetzt konnte man sehen, wie die Waffen ins Gefängnis gelangten und wie die Selbstmorde inszeniert wurden", sagt Breloer. "Danach wusste man, wer Andreas Baader war, und man wusste, wer Helmut Schmidt war. Und wie schwer die Menschen in der entführten "Landshut" gelitten haben. Das hat vor allem die Sympathisanten der RAF sehr verstört."
Mit den "Manns" verschaffte er der in seinen Augen interessantesten deutschen Familie neue Aufmerksamkeit. Die große Entdeckung der Reihe war die bis dahin weitgehend unbekannte Elisabeth Mann Borgese (1918-2002), die jüngste Tochter von Thomas Mann. "Sie war das übersehene Kind, weil sie keine Schauspielerin oder Schriftstellerin war. Aber wie ich dann gemerkt habe, war sie das einzige Kind, das er wirklich geliebt hat." Vielleicht erklärt sich daraus ihre ansteckende Fröhlichkeit, mit der sie damals die Fernsehnation verzauberte.
Dass sich ihm auch schwierige Interviewpartner öffneten, führt Breloer auch darauf zurück, dass er ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut habe. Ein Beispiel dafür ist Golo Mann, der zweitälteste Sohn des Schriftstellers, den er in seinem Haus in Zürich besuchte: "Wir haben vorher über belanglose Dinge wie die Temperatur im Zürichsee gesprochen. Und ehe Golo Mann es bemerkte, waren wir in dem beiläufigen Ton in den Erinnerungen an seinen Vater und den Bruder Klaus angelangt. So hatte man Golo Mann noch nicht gesehen."
Die Stilform des Dokudramas ist heute sehr beliebt. Breloer legt jedoch Wert darauf, dass er für jeden seiner Filme eine neue dramaturgische Grundidee gefunden habe. In "Todesspiel" etwa verwendete er das Bild des Gefängnisses: Der verschleppte Schleyer war gefangen im sogenannten "Volksgefängnis", die RAF-Terroristen waren gefangen in Stammheim, und die Reisenden aus Mallorca saßen im fliegenden Gefängnis der entführten "Landshut". "Und eigentlich war auch Helmut Schmidt im Bundeskanzleramt mit seinen Beratern isoliert wie im Gefängnis."
Heute dagegen habe sich unter dem Label Dokudrama eine Menge schlichtes Reenactment - Nachstellung - entwickelt. "Ich will darüber in keiner Weise richten", betont er. "Aber das ist nicht das, was ich gemacht habe."