Jubiläum der Charity-Single
USA for Africa: 40 Jahre „We Are The World“
17.1.2025, 07:57 UhrQuincy Jones wusste, dass es kompliziert werden würde. "Lasst euer Ego draußen", steht auf einem Schild, das der Starproduzent über der Studiotür angebracht hat. Am späten Abend des 28. Januar 1985 betreten rund 50 der größten Pop- und Rockstars ihrer Zeit die A&M-Studios in Los Angeles. Nach einer kräftezehrenden und historischen Nacht sind die Aufnahmen für eine der erfolgreichsten Singles der Musikgeschichte im Kasten: "We Are The World".
Harry Belafonte von Bob Geldof inspiriert
Der Sänger, Schauspieler und Aktivist Harry Belafonte wollte 1985 ein Benefiz-Konzert veranstalten, um Gelder gegen die Hungersnot in Afrika zu sammeln. Der Musikmanager Ken Kragen schlägt ihm vor, lieber dem Beispiel von Bob Geldof und seinem Band-Aid-Projekt zu folgen. Geldof hatte kurz zuvor die Stars der britischen Musikszene für die Single "Do They Know It’s Christmas?" ins Studio geholt und damit Spendengelder in Millionenhöhe für Äthiopien gesammelt.
Im Auftrag von Belafonte rekrutiert Kragen zunächst seine eigenen Klienten Lionel Richie und Kenny Rogers. Arrangeur und Produzent Quincy Jones stößt als nächstes dazu. Richie soll den Song mit Stevie Wonder komponieren. Doch weil Wonder lange nicht zu erreichen ist, holt Jones kurzerhand Michael Jackson dazu, dessen Erfolgsalben "Off The Wall" und "Thriller" er produziert hat. Richie und Jackson schreiben das Lied zusammen in Jacksons Elternhaus.
Das Who-is-Who der Musikszene der 80er Jahre
Die Zeit rast, aber mit Michael Jackson, Quincy Jones und Lionel Richie an Bord hat Kragen beste Argumente, um weitere Superstars für das Projekt, das später "USA for Africa" heißen wird, zu gewinnen. Die Liste umfasst das Who-is-Who der Pop- und Rockmusik der 80er Jahre - darunter Bruce Springsteen, Cyndi Lauper, Tina Turner, Billy Joel und Journey-Sänger Steve Perry. Soul-Legende Ray Charles und Country-Ikone Willie Nelson zählten mit 54 bzw. 51 Jahren nach dem 57-jährigen Belafonte zu den ältesten Performern.
Als Aufnahmetermin wählten die Macher den Abend der American Music Awards (AMA), damit das riesige Ensemble von Superstars direkt nach der Preisverleihung einfach zum Studio chauffiert werden kann. Die Vorbereitungen wurden von der Angst begleitet, die Presse könne den Treffpunkt verraten. Scharen von Fans vor den A&M Studios hätten womöglich einige Stars bei der Ankunft abgeschreckt. Doch bis auf einige Kameraleute bleibt es am Abend ruhig.
Je später der Abend ...
Gegen 22:30 Uhr beginnt das ambitionierte Aufnahmeprojekt. "Wir hatten nur eine Nacht, um es hinzubekommen", erinnert sich Richie in der Netflix-Doku "The Greatest Night In Pop". Der Vokalarrangeur Tom Bähler sorgte vorab dafür, dass jeder, der eine kurze Solopassage übernimmt, in seinem Stil und seiner Tonlage singen kann. Hier und da muss noch ein wenig nachjustiert werden. Vorab wurde auch festgelegt, wer im Studio neben wem steht. Assistenten, PR-Leute und andere nicht direkt beteiligte Personen müssen draußen bleiben.
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Die Stimmung ist zunächst gut. Doch im Laufe der langen Nacht steigt die Anspannung. Mit 70 bis 80 Leuten im Raum, darunter 47 Künstler, wird die Luft dünner und die Geduld kürzer. Country-Star Waylon Jennings verlässt das Studio, als darüber diskutiert wird, eine Zeile auf Swahili einzubauen - eine Idee von Stevie Wonder. Schließlich kommt die Erkenntnis, dass in Äthiopien nicht Swahili gesprochen wird. Auf Geheiß von Smokey Robinson wird aus der nichtssagenden Zeile "That’s what we’re giving" der Aufruf "Let’s start giving".
Huey Lewis muss für Prince einspringen
Bis zuletzt hoffen die Macher, dass Prince noch auftaucht. Dessen Bandkollegin Sheila E. ist bei den Aufnahmen für "We Are The World" dabei. Doch der Musiker, der Stunden zuvor bei den American Music Awards Michael Jackson in zwei Kategorien ausgestochen hat, lässt sich nicht überreden, ins Studio zu kommen. Stattdessen bietet er an, ein Gitarrensolo beizusteuern, was abgelehnt wird. Den für ihn vorgesehen Gesangspart übernimmt ganz spontan Huey Lewis, der in "The Greatest Night in Pop" von zitternden Knien berichtet.
Ferner sind kleine Herausforderungen zu bewältigen. Al Jarreau hat zu viel Wein getrunken und braucht mehrere Anläufe. Cyndi Laupers Schmuck erzeugt Störgeräusche. Bob Dylan fühlt sich zwischen all den harmonischen Stimmen anfangs fehl am Platz. In einer rührenden Szene, die glücklicherweise für die Kameras festgehalten wird, setzt sich Stevie Wonder ans Klavier und tüftelt den Gesang für ihn aus. Schließlich singt Dylan um 6 Uhr morgens markant krächzend - typisch Dylan eben - und es passt perfekt. Als gegen 8 Uhr morgens alles erledigt ist, sind die, die noch da sind, erschöpft und erleichtert.
Rekordverkäufe und Millionen von Spenden
Der Aufwand lohnte sich. "We Are The World" wurde zu einer der meistverkauften Singles in der Musikgeschichte und generierte mehr als 60 Millionen Dollar für die Afrika-Hilfe. Am 3. März wurde der Song veröffentlicht. Schon in den ersten drei Tagen verkaufte er sich 800.000 Mal. Vier Wochen in Folge belegte die Single Platz eins der amerikanischen "Billboard Hot 100"-Charts. Im Jahr darauf gewann sie zwei Grammys und wurde auch bei den American Music Awards gekürt - zum "Song des Jahres".