Cadolzburg diskutiert kontrovers
4.10.2015, 13:00 Uhr„Erst jetzt wissen wir, worüber wir uns unterhalten“, sagte Obst, und meinte damit die nach seinen Angaben „enormen Einschnitte“ in die Landschaft durch den möglichen Bau der Ost- oder Westvariante der Umgehung, die die stark befahrene Staatsstraße mitten durch den Ort entlasten soll. Der Bürgermeister begrüßte die Projektwerkstatt, weil in seinen Augen der Bürger damit nicht nur emotional, sondern auch sachlich über die Umgehungsstraße entscheiden könne, sollte der Marktgemeinderat dazu ein Ratsbegehren initiieren.
Die Bürgerinitiative, die sich klar gegen die Umgehung positioniert, hatte Gernot Hartwig eingeladen, er ist Sprecher des Landesarbeitskreises Verkehr beim Bund Naturschutz. Hartwig ging von der These aus: „Verkehr ist das Ergebnis politischer Entscheidungen.“ In seinen Augen ergibt die Projektwerkstatt keinen Sinn, da sie das Staatliche Bauamt Nürnberg organisiert. Für den Referenten ist klar: „Der Beruf der Straßenbauer ist es, Straßen zu bauen“ und daher entscheide die Projektwerkstatt vor allem über das „Wie“ und nicht über das „Ob“.
Als Alternativen schlug Hartwig ein Bündel an Maßnahmen vor; dabei betonte er immer wieder, dass einzelne Aktionen nichts brächten. Zum einen führte er bauliche Möglichkeiten an: Pflanzinseln, Verschwenke, Grünstreifen und andere Dinge sollen den Verkehr bremsen. Denn die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, auch der Fußgänger und Radfahrer, müsse Vorrang haben. Seitens der Zuhörer gab es Einwände: „Die Ortsstraße ist eh schon zu eng“, rief etwa eine Frau.
Zum anderen schlug Hartwig vor, in bestimmten Bereichen von Cadolzburg grundsätzlich Tempo 30 einzuführen und nur an manchen Stellen 50 zu erlauben. Außerdem hält Hartwig Leihfahrräder, Unterstellplätze und einen einladenden Bahnhof für sinnvoll. Letztlich müsse aber der Verkehr insgesamt abnehmen: Es sei ein Unding, wenn Milch nach Griechenland transportiert wird und Joghurt dann zurück nach Deutschland.
Viele Anwohner schilderten ihre Erlebnisse: Kinder könnten nicht sicher über die grüne Ampel, parkende Autos behinderten Rollstuhlfahrer stark, immer wieder komme es zu Unfällen. „Nachts klirren die Fenster, wenn ein Lkw vorbeifährt“, sagte eine Frau. Die Anwohner der Staatsstraße machen ihrem Unmut inzwischen mit Stoff-Transparenten an ihren Häusern Luft, auf denen sie für die Umgehung plädieren.
Das Ziel der Bürgerinitiative „Umgehung umgehen“ ist ein anderes, sie will das Projekt angesichts der Kosten von bis zu 20 Millionen Euro und der großflächigen Zerstörung der Natur in jedem Fall stoppen. Ein Bürger schlug vor, über ein Lkw-Fahrverbot in der Nacht zu reden, Fußgängertunnel zu bauen und Egersdorf über eine Straße mit der Schwadermühle zu verbinden.
Beispiele andernorts
Je länger die Diskussion andauerte, desto unruhiger wurde das Publikum. Gerd Gassner, Mitglied der Projektwerkstatt, warf Hartwig vor: „Von Alternativen habe ich nichts gehört.“ Das Publikum applaudierte. Schon zuvor gab es immer wieder Zwischenrufe: „Wir sind hier in Cadolzburg“, warf jemand ein, als Hartwig allgemeine Beispiele aus anderen Gemeinden anführte.
Hartwig wiederholte mehrmals das Bündel der Maßnahmen. Er ermunterte die Zuhörer: „Viele Sachen, die angeblich nicht funktionieren, gehen dann doch.“ Und er meinte: „Sie sind alle Cadolzburger und sollten an einem Strang ziehen.“ In seinen Augen ist es falsch, die Gruppe der Anwohner an der Hauptstraße gegen die Bürger auszuspielen, die in bis dato noch ruhigeren Gegenden wohnen und von einer Umgehung betroffen wären.
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