Der Roßtaler Oldie im Kreis
27.7.2015, 06:00 UhrDie Knochen des ältesten Roßtalers, die bei der Ausgrabung am Fundament der Südfassade gefunden wurden, sind in die Zeit zwischen 776 und 854 nach Christus zu datieren. Ort und Zeit des nach christlichen Riten Bestatteten wertet Liebert als klaren Beleg, dass hier schon in karolingischer Zeit ein Sakralbau inmitten der frühmittelalterlichen Burg stand. Deren Anfänge reichen weit in das 8. Jahrhundert zurück.
Vermutlich hatte der Verstorbene sogar Karl den Großen persönlich gekannt, denn eine Bestattung innerhalb der Festung wurde nur Angehörigen der führenden Oberschicht zuteil. Und die bestellte der Frankenkönig und spätere Kaiser höchstselbst. Otto-Normal-Bürger fand seine letzte Ruhe auf dem Gräberfeld außerhalb der Burg auf der sogenannten „Spitz“ Richtung Bahnhof.
Nur ob der Bestattete ein Mann oder eine Frau war, bleibt im Dunkel der Vergangenheit. Liebert hat nur mehrere Rippen, das Schlüsselbein und ein Schulterblatt bergen können. Eine Geschlechtsbestimmung hätten Becken oder ein Oberschenkelknochen ermöglicht, doch Unterkörper und Beine gingen bei zurückliegenden Bauarbeiten verloren.
Der Schädel liegt noch irgendwo außerhalb der Grabungsstelle im Erdreich. Bei aller Neugier verbot es sich für Liebert, weiter zu schürfen. „Bei Bodendenkmälern gilt die Regel: Wo nicht gebaut wird, wird nicht gesucht.“ Außerdem drängte die Zeit. Die Betonblöcke zur Stabilisierung der Kirchenfundamente, in deren Kontext das Landesamt für Denkmalpflege die Grabung angeordnet hatte, mussten noch vor dem Frost gegossen werden. Die möglichen Verzögerungen für die Baustelle und daraus resultierende Mehrkosten hätte der Archäologe nicht verantworten wollen.
Doch Liebert und Künne sind auch so recht zufrieden mit den gewonnenen Einsichten. Waren sie bisher aufgrund archäologischer Funde davon ausgegangen, dass zwischen der zweiten Hälfte des 8. und dem 11. Jahrhundert auf dem strategisch äußerst günstig gelegenen Felssporn eine Festung stand, „ist jetzt wissenschaftlich untermauert, dass diese Anlage von Beginn an massiv bebaut war“, so Liebert. „Und wir haben den Beweis, dass Roßtal älter ist als Langenzenn und sogar Nürnberg“, frohlockt Künne.
Finanzkräftige Bauherren
Außerdem legten die Grabungen offen, dass die ersten Kirchenbauten keinesfalls einfache Dorfkirchen waren: „Hier wurde sehr sorgfältig gearbeitet, die Fundamente wurden sogar in den Fels getrieben, die Steine sind passgenau geschlagen, da waren Top-Handwerker zugange“, erklärt Liebert. Das wiederum konnte sich nur ein entsprechend finanzkräftiger Auftraggeber leisten, sicher kein kleiner Dorfadliger. Womit Künne einmal mehr die Bedeutung des frühmittelalterlichen „urbs horsadal“ als militärisches, wirtschaftliches, kirchliches und administratives Zentrum der Region belegt sieht — nur eben noch früher, als bisher vermutet.
Der Nachweis der Großburganlage bereits für die frühe karolinigische Zeit um 750 erklärt nach Einschätzung Lieberts auch, warum das kleine Roßtal so eine mächtige Kirche hat: „Für diese Zeit macht die Großburg strategisch Sinn, denn damals hatte Roßtal die Funktion eines östlichen Vorpostens des Fränkischen Reichs an der Grenze zum Herzogtum Baiern.“ Die Anlage von Kirchen gehörte zum Burgenbau dieser Zeit stets dazu.
Auch die Krypta, bei der man bisher immer davon ausging, dass sie um 1024 gebaut wurde, womit sie ohnehin schon den Rang des ältesten Gemäuers im Landkreis innehat, kann Liebert mit der Datierung der Knochen zeitlich neu einordnen. Denn im Kern stand die Krypta mit der längst vermauerten Außentreppe, die einst in das Gewölbe führte, höchstwahrscheinlich bereits, bevor die Person begraben wurde. „Also können wir auf die 1000 Jahre, die wir bisher glaubten, dass das Gewölbe alt ist, locker noch einmal 200 Jahre draufschlagen“, so Pfarrer Künne.
So haben die hochbetagten Gebeine zu einer Neubewertung diverser Details der Bau- und letztlich auch der Ortsgeschichte Roßals geführt, die für Liebert allerdings noch nicht abgeschlossen ist.
„Es bleibt spannend“
Unter anderem hat er den Beleg für eine Zwischenbauphase gefunden, während der die Kirche offensichtlich erweitert wurde, „von der wir aber noch gar nichts wussten“. Er wird noch eine ganze Weile mit der Auswertung der Fundstätte beschäftigt sein. „Es bleibt spannend“, meint der Mittelalterforscher.
Ende des Jahres ist eine Ausstellung im Heimatmuseum über die Grabung geplant. Dann werden Scherben und auch die sechs Münzen, die Liebert im Schutt aufgespürt hat, gezeigt. Und natürlich die Knochen des ältesten Roßtalers. Wo sie anschließend ihre allerletzte Ruhe finden, ist noch offen.
Die Sanierung der Kirche, die unter der Last des von der als schönen Else bekannten Elisabeth von Bayern Mitte des 15. Jahrhundert begründeten gotischen Dachs leidet, ist mit der Absicherung der Fundamente noch nicht abgeschlossen. Nach der Kirchweih im August sollen die dreischaligen Außenmauern mit Querstreben stabilisiert werden. Auch der Innenraum von St. Laurentius harrt noch der Restauration. Alles in allem, schätzt Künne, wird die Sanierung eine halbe Million Euro kosten. Für Spenden ist er dankbar.
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