Dialekt-Schatzkiste: das „Ostfränkische Wörterbuch“
21.11.2012, 11:00 UhrWer jemals fern der Heimat verzweifelt nach dem richtigen Wort in einer fremden Sprache gesucht hat, weiß den Wert eines Wörterbuchs zu schätzen. Warum aber nehmen Wissenschaftler die Mühe auf sich, ein solches Lexikon ausgerechnet in der Muttersprache der Franken zu erstellen? Mechthild Habermann, Professorin für Germanistische Sprachwissenschaften in Erlangen und neue Leiterin des „Ostfränkischen Wörterbuchs“, sagt: „Dieses Projekt ist auch ein Identifikationsobjekt der Franken. Wir wollen bewusst machen, dass Dialekt etwas ist, das erhalten werden muss.“
Sie weiß, dass die genaue Bezeichnung dieses Dialekts missverständlich klingt: „Ostfränkisch – da wird gerne gedacht, das sei etwas Randständiges, irgendwo im Osten Frankens.“ Das Gegenteil ist der Fall. Das Wörterbuch, ein Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg, soll den im 20. Jahrhundert geläufigen mundartlichen Wortschatz der Bezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken erheben und dokumentieren.
Ein Unternehmen mit Geschichte. Seit 1913 werden dafür Belege erfasst. Im Lauf der Jahrzehnte beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen an der Sammelarbeit. Keine Frage, die Aufbereitung der Daten, die zum größten Teil nur im handschriftlichen Original vorliegen, ist enorm zeit- und arbeitsintensiv. Seit 2005 wird an der Erstellung einer Datenbank gearbeitet, rund sechs Millionen werden Einzelbelege derzeit digitalisiert. 2013 soll dann jedermann via Internet Zugriff auf diesen Wörter-Schatz haben.
150 Quadratmeter groß ist das neue Büro der Arbeitsstelle in der Dr.-Mack-Straße. Hier arbeitet nun Alfred Klepsch, seit 2003 mit diesem Projekt betraut. Habermann freut sich: „Wir wurden in Fürth mit offenen Armen empfangen.“ FAU-Studenten der Masterstudiengänge in Germanistik und Linguistik können hier Praktika absolvieren. „Aber“, sagt die Leiterin, „wir brauchen Unterstützung. Es wäre zum Beispiel sehr gut, wenn die Metropolregion auf uns aufmerksam würde und vielleicht Mitarbeiterstellen sponsern könnte.“
Der Dialekt liegt der Wissenschaftlerin, die aus Bamberg stammt, aus vielen Gründen am Herzen. Anders als beim Hochdeutschen, das stark von den Menschen beeinflusst und genormt wurde, lässt sich an Dialekten erkennen, wie sich Sprache unter natürlichen Umständen entwickelt. Gerade weil das Image etwa des Fränkischen nicht gerade prächtig ist („Viele denken, der Dialekt sei so etwas wie eine gefallene Hochsprache“), freut sich Mechthild Habermann, wenn zum Beispiel Kabarettisten das Fränkische hoch halten. Lob gibt es von ihr unter anderem für Martin Rassau und Volker Heißmann alias Waltraud und Mariechen: „Die können das.“
Gut für Kinder
Habermann ist sich sicher, dass das Wörterbuch nicht zuletzt auch die Forschung anstoßen wird. Erkenntnisse unter anderem über den Sprachwandel können gewonnen werden. „Das Projekt ist zukunftsweisend.“ Dialekte, keine Frage, sind für sie nicht tot. Umso besser findet die Professorin, wenn Kinder damit groß werden: „Es wird ihnen sogar helfen, andere Sprachen zu lernen, letztendlich hat das auch etwas mit Persönlichkeitsbildung und Toleranz zu tun.“
Gibt es denn aus dem riesigen Fundus, der einmal das Ostfränkische Wörterbuch ausmachen wird, ein Wort, das ihr besonders gut gefällt? Mechthild Habermann muss nicht lange überlegen. Sie lacht: „Ich mag zum Beispiel Betzele, das Kosewort für kleines Schaf, sehr.“
Ein wunderbares Wort. Und ein unschlagbarer Beweis für die Tatsache, dass Dialekt intimer und authentischer ist als das Hochdeutsche. „Er berührt einfach unseres Inneres“, sagt die Professorin.