Die Bismarckstraße in Schoppershof im Wandel der Zeit
7.11.2017, 10:21 UhrDas hatten sich die Nürnberger Ratsherren gewiss anders vorgestellt: Zum 1. Januar 1899 schluckte das große Nürnberg das kleine Schoppershof. Erst wenige Jahre zuvor hatte die kleine Gemeinde den jüngst verstorbenen Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898) mit einer Straßenbenennung geehrt. Die Nürnberger hingegen hatten den Anlass verpennt.
Nun, da die Schoppershofer Bismarckstraße zu Nürnberg gehörte, wuchsen in der Stadtspitze die Begehrlichkeiten, eine etwas zentraler gelegene Straße mit dem Namen des großen Staatsmannes zu versehen. Allein, der Aufwand erschien den Ratsherren dann wohl doch zu groß, und so blieb die Bismarckstraße in Schoppershof. Manch Einheimischer mag sich damals ins Fäustchen gelacht haben, hatten die Nürnberger doch 1870 noch ganz nach Gutsherrenart das Gesuch des Nachbarorts um Eingemeindung abgelehnt.
Damals erschien dem städtischen Magistrat das kleine Schoppershof zu abgelegen, und etwaige Schulden wollte man auch nicht übernehmen. Rund drei Jahrzehnte später waren Nürnberg und Schoppershof fast zusammengewachsen. Die Industrialisierung und ihre Begleiterscheinungen – Zuwanderung, Bevölkerungswachstum, Verstädterung – hatten dies möglich gemacht.
Tiefe Wunden im zweiten Weltkrieg
Immerhin, die Bismarckstraße erhielt in den Jahren nach der Eingemeindung eine Randbebauung, die dem "Eisernen Kanzler" zur Ehre gereichte. Bauunternehmer und Architekten wie Wolfgang Wiesnet, Konrad Merkl, Leonhard Flory und Georg Richter bereicherten den innenstadtnahen Teil der Straße um Mietspaläste im Jugendstil, im Nürnberger Stil und im Spätklassizismus.
1904 erbaute Michael Wießner am Olof-Palme-Platz ein gewaltiges Stirnhaus mit zwei Erkertürmen, das noch heute den südlichen Fluchtpunkt der Straße bildet. Im selben Jahr erhielt Schoppershof mit der von Georg Kuch und Karl Weber entworfenen Bismarckschule an der Ecke Bismarck- und Welserstraße seine eigene "Stadtkrone". Die alte Dorfschule aus dem Jahre 1874, auf der historischen Aufnahme links im Vordergrund zu sehen, blieb dennoch stehen.
Der Zweite Weltkrieg riss tiefe Wunden in das Ensemble. Das alte Dorfschulhaus ging in Flammen auf, und auch einige der Mietshäuser wurden zerstört oder schwer beschädigt. Auf der rechten Straßenseite stören in unseren Tagen zwei brutalistische Wohnblocks mit ihren kantigen Rasterfassaden das malerische Nebeneinander der ansonsten weitgehend erhaltenen verspielten Fassaden und Giebel.
Freie Parkplatzwahl um 1910
Nicht selten deckte nivellierender Putz die Kriegsschäden an den Sandsteinfassaden schamhaft zu, so geschehen etwa bei der Häuserzeile im Vordergrund rechts. Das Schulhaus wurde nach den Plänen von Architekt Adolf Kochherr in zeitgenössischen Formen wiederhergestellt; nur die alten Gewölbekeller blieben als steinerne Zeugen des 19. Jahrhunderts erhalten.
Für die heutigen Anwohner mit fahrbarem Untersatz wären die Zustände in der Bismarckstraße um 1910 ein Traum, zumindest, was die Parkplatzsuche angeht. Da ging es auch schon mal an, seinen Wagen gegen die Fahrtrichtung zu parken (seit 1910 galt im Deutschen Kaiserreich Rechtsverkehr).
Die meisten aber waren nach wie vor zu Fuß oder mit der Straßenbahn unterwegs, und einige auch mit dem neumodischen "Velociped", dem Fahrrad. Und auch die Anhänger des Drahtesels fanden ihr Dorado bei Krüninger & Weber in der Bismarckstraße 3 (auf der alten Ansicht im Vordergrund ganz rechts). Witzige Randnotiz: Konrad Gerstacker, der unsere historische Ansicht verlegte, eröffnete später ebenfalls eine Fahrradhandlung, und zwar in der Bayreuther Straße.
Ach ja, ihre Huldigung an den "Eisernen Kanzler", die haben die Nürnberger dann doch noch bekommen, und zwar an prominenter Stelle und gar nicht so weit von der Bismarckstraße entfernt: Anlässlich des 100. Geburtstags Otto von Bismarcks enthüllte man 1915 am noblen Prinzregentenufer, der architektonischen Vorzeigemeile der Stadt, ein hünenhaftes Denkmal des großen Staatsmannes hoch zu Ross.
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