Achtung, heiß!

"Abenteuer Chili": Wer's scharf mag, wird in Heroldsberg fündig

Stefan Gnad

"Leben"

E-Mail zur Autorenseite

1.10.2021, 08:00 Uhr
Willkommen bei "Abenteuer Chili": In ihrer Manufaktur mitten im Ortskern von Heroldsberg stellen OIiver und Wilma El Daly leckere Saucen, Öle, Pestos, Pulver und Fruchtaufstriche mit schöner Schärfe her.

© Michael Matejka Willkommen bei "Abenteuer Chili": In ihrer Manufaktur mitten im Ortskern von Heroldsberg stellen OIiver und Wilma El Daly leckere Saucen, Öle, Pestos, Pulver und Fruchtaufstriche mit schöner Schärfe her.

Rund um die scharfe Frucht findet sich dort alles, was das Herz begehrt: Pesto, Pulver, Öle, Senf, Fruchtaufstriche (bis auf die klassischen Chutneys und Relishs, die bewusst ausgeklammert bleiben) und natürlich Saucen aller Art, von Mango bis Schwarzbier.

"Alles, was Sie hier sehen, sind Unikate, die es nur bei uns gibt", sagt Wilma El Daly stolz. 2014 starteten die heute 51-Jährige und ihr Mann Oliver als Garagenfirma in Heroldsberg, bevor sie nach Zirndorf und Igensdorf umzogen und das anfängliche Hobby immer weiter professionalisierten. Seit 2017 residiert man wieder in Heroldsberg, in einem ehemaligen Spielzeuggeschäft an der Hauptstraße, das mit neu eingezogenen Zwischenwänden in Showroom/Verkaufsfläche, Küche und einem Bereich für Büro und Versand unterteilt wurde.

Chili-Piraten als Marketing-Gag

Zuletzt während der Pandemie ging viel online, doch eigentlich findet das "Abenteuer Chili" schon direkt und ungefiltert statt – im Heroldsberger Ladengeschäft, aber regelmäßig auch auf Märkten in ganz Deutschland, vor allem thematischen wie Mittelaltertreffen. Wenn die El Dalys da schick gewandet als Piraten auflaufen, herrscht in der Regel ein großes Hallo. Als das Paar seinen Stand kürzlich auf einem reinen Piratenmarkt aufbaute, wurde es quasi ausgeräubert im Sinne von ausverkauft. Die Inszenierung als Chili-Piraten ist ein Marketing-Gag, in Wirklichkeit aber gar nicht so weit hergeholt. Südamerika und Seefahrt hängen eng mit dem Thema zusammen, schließlich sind die scharfen Früchte ursprünglich in der Karibik daheim. Und die diversen Obstsorten aus diesem Teil der Welt wie Ananas, Mango und Kokosnuss dienen sich als perfekte Begleiter bei diesen lukullischen Abenteuern an.

Die kleine Manufaktur "Abenteuer Chili" befindet sich in der Hauptstraße 119 in Heroldsberg.

Die kleine Manufaktur "Abenteuer Chili" befindet sich in der Hauptstraße 119 in Heroldsberg. © Michael Matejka

Was scharf essen angeht, steckt Deutschland noch immer in den Kinderschuhen. Gerade mal zwölf Chili-Sorten gibt es hierzulande in der Regel im Großhandel zu kaufen, die meisten aus Asien und den USA importiert. "Chili hierzulande ist immer rot, immer scharf und immer Chili Con Carne", schüttelt Oliver El Daly den Kopf. "Das kriegt man aus den Köpfen einfach nicht raus! Dabei sind auch Paprikas Chili ..."

Und schon ist der 48-Jährige mitten im leidenschaftlichen Erzählen. Etwa, dass Paprika einst von den Holländern unscharf gezüchtet wurde und erstmals in den 1950er Jahren auftauchte. Und dass es den Gelben Paprika gar erst seit den 1970er Jahren gibt. "Um uns herum essen alle scharf, nur in den deutschsprachigen Ländern nicht", sagt Oliver El Daly und fügt hinzu, dass das wohl an den Kolonien läge: Nach England kam’s über Indien, nach Skandinavien über Holland, die es ihrerseits aus Indonesien hatten. Spanien als alte Seefahrernation – selbsterklärend. Vorher war Schärfe in Europa eine Pfefferschärfe, wohingegen spanischer Pfeffer schon immer Chili-bassiert war. Am Ende hängt auch hier alles zusammen, man muss global denken und schmecken.

Weltweit über 3900 Sorten

© Michael Matejka

Wer bei "Abenteuer Chili" ein Seminar besucht, erfährt viel über die Herkunft der weltweit über 3900 Sorten und über ihre Verträglichkeit, was zum Teil bis in die Medizin hinein reicht. Auch Tipps für den eigenen Anbau reicht das Ehepaar gerne weiter.

Statt in den vielzitierten Scoville ist der jeweilige Schärfegrad bei "Abenteuer Chili" in Zahlen von eins und zehn angegeben. Wilma El Daly reicht die ersten Probierlöffelchen – jawohl: Eine richtig schöne, runde, warme, wohltuende Schärfe! Scharf essen muss man bekanntlich trainieren, doch selbst die Zehn transportiert hier immer noch Geschmack – im Gegensatz zu den vielen marktschreierisch-scharfen Industriesoßen, die auf dem Markt sind und bei denen alles nur noch undifferenziert brennt und schmerzt.

"Die Frage ist immer: Was will ich erreichen?", sagt Oliver El Daly. "Will ich, dass die Schärfe schnell da ist wie eine Watschn oder soll sie zeitverzögert kommen? Das Schärfeverhalten kann ich steuern – über die Chilisorten oder indem ich Chilis über die Zugabe von Öl oder Nüssen milder mache. Über Fruchtsäure hingegen kriegen sie mehr Power."

© Michael Matejka

Manch eine Chilisorte, die in Heroldsberg verarbeitet wird, ist gar nicht so leicht herzukriegen. Die El Dalys stehen in Kontakt mit Biobauern in Göppingen und in der Eifel, die seltene Chilis anbauen. Im Großhandel schwanken die Einkaufspreise mitunter wie an der Börse – zum Teil zwischen 15 und 85 Euro pro Kilo. Auch ein Grund, warum das Ehepaar längst immer mehr selbst züchtet und anbaut.

Wichtig ist den El Dalys, dass bei ihrem "Abenteuer Chili" keine Geschmacksverstärker, keine Farbstoffe, keine Verdickungsmittel und – auch das eher ungewöhnlich – so wenig Essig wie möglich verwendet werden. Über ihre Rezepte bewahren sie selbstredend Stillschweigen, trotzdem dürfen wir einen Blick in die Küche werfen, die eher einem aufgeräumten Labor gleicht: Waage, Trockner, Häcksler, Herd – allzu viel mehr braucht es gar nicht an Maschinen für all das, was bei Abenteuer Chili in enthusiastischer Handarbeit entsteht.

© Michael Matejka, NNZ

Einmal im Jahr bietet "Abenteuer Chili" die schärfste natürliche Chilisauce der Welt an, aber damit hat es sich auch schon in Sachen "Schärferekorden". Die Jagd nach immer fieseren, in ihrer Extremheit sich ständig gegenseitig überbietenden Höllensaucen interessiert die El Dalys nicht. "Unser Ziel", sagt Oliver El Daly, "ist es, Rezepte zu bauen, die uns Europäern schmecken – was natürlich immer ein individueller Eindruck ist."

Verwandte Themen


Keine Kommentare