Auszeichnung durch "Feinschmecker"

Café Malina: „Eingeschlagen wie eine Bombe“ trotz Wegzug aus der Innenstadt

Jonas Werling

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4.12.2024, 14:48 Uhr
Die Betreiber stehen für die Qualität ihrer Produkte ein und wurden dafür schon mehrfach ausgezeichnet.

© Jonas Werling Die Betreiber stehen für die Qualität ihrer Produkte ein und wurden dafür schon mehrfach ausgezeichnet.

Was haben Bahnarbeiter, Kinder auf dem Schulweg, Senioren und asiatische Bloggerinnen gemeinsam? Sie alle kommen bei Malina im Rangierbahnhofviertel vorbei. Warum die Konditorei in Nürnbergs Süden durch die Bank beliebt ist, ist auch dem Magazin "Feinschmecker" nicht verborgen geblieben.

Neben dem White Bulldog, der Rösterei Machhörndl, dem Café Beer, der neef confiserie, dem Café Pique Nique, und dem Tafelzier, die sich alle in der Nürnberger Innenstadt tummeln, stechen die Konditorei Rittinghausen in der Südstadt, die Kaffeerösterei Rösttrommel auf AEG und eben das Malina im Tiefen Süden Nürnbergs aus der Liste des Magazins heraus.

Das Inhaber-Ehepaar Mario und Katharina Samancu "konnte es erst gar nicht glauben", erinnern sie sich in ihrem kleinen Café an die Auszeichnung des Magazins. Nach der Mail-Benachrichtigung, dass sie in der engeren Auswahl seien, hätten sie einen "Feinschmecker" gekauft und "nicht schlecht gestaunt".

Der erfahrene Patissier und die Konditor-Meisterin betrieben bis vor einem knappen Jahr das Café Dalvia in der Nürnberger Innenstadt parallel zum Malina am Rangierbahnhof. Das Vorgänger-Café in der Innenstadt wurde früher auch schon einmal ausgezeichnet, heute beheimatet es das Café Hype.

Der Hauptgrund des Rückzugs aus der Innenstadt und der Aufgabe des Dalvia war, so erklärt Katharina Samancu, dass sie in der Innenstadt nie eine Backstube vor Ort hatten. Ihre Backstube befand sich zuvor außerhalb von Nürnberg, als sie das Malina übernahmen, wanderte sie mit ins Rangierbahnhofviertel.

Das parallele Betreiben zweier Café sei zudem auf Dauer "purer Stress" gewesen, führt die Konditorin weiter aus. Vier Jahre hätten sie das geschafft, aber es sei der richtige Schritt gewesen, sich auf einen Ort zu beschränken.

"Wie eine Bombe eingeschlagen!"

Der Meinung sind auch sehr viele Menschen, die aus den umliegenden Dörfern und ganz Nürnberg auch zur neuen Adresse der Samancus kommen – denn Qualität ist dann vielleicht doch die viertel Stunde U-Bahn-Fahrt bis zur "Bauernfeindstraße" wert.

Zudem sei die Messe ein großer Faktor, pflichtet Mario Samancu seiner Frau bei. Denn das Café habe "wie eine Bombe eingeschlagen" im Speckgürtel Nürnbergs, erklären die zwei lachend. Regelmäßig kommen Messe-Gäste, gelockt von den sehr guten Google-Rezensionen und auch Autofahrer, die extra von der Autobahn abfahren, seien keine Seltenheit, erzählt der Patissier. Anscheinend würde auf Google Maps ihre kleine Konditorei als Raststätte "in der Nähe von Nürnberg" angezeigt werden, so ihr Erklärungsversuch.

Die Bewohner und Bewohnerinnen der kleinen Siedlung sind allenfalls froh um das Café. Und auch das Genuss-Handwerks-Ehepaar mag das "angenehme Viertel", sowie die "sehr gemischte Kundschaft" und vor allem den quasi nicht existenten Verkehr. Katharina Samancu bezeichnet das Viertel sogar als "ihre kleine Oase", ein Dorf mitten in der Stadt.

"Fühlen wie ein König"

Der Name des Cafés "Malina", "sei ein schöner Name für Kind gewesen", aber da das Wort auch "Himbeere" auf fast allen slawischen Sprachen bedeute, hätte sich das Ehepaar dazu entschieden, lieber nicht ihr Kind, sondern ihr neues Café so zu benennen.

Und nicht nur mit slawischen Sprachen kennt sich vor allem Mario Samancu aus. In Jugoslawien geboren – kurz vor dem Krieg, verbrachte er nach seiner Koch-Lehre in Serbien viel Zeit auf Luxus-Flusskreuzfahrt-Schiffen, auf denen er auch seine spätere Frau kennenlernte, die wiederum aus Nürnberg kommt.

Mario Samancu ist riesiger Fan der Backkunst der ehemaligen K&K-Monarchie. Diese Küche sei hier recht unbekannt, aber "da gibt es sau viele geile Sachen", schwärmt der Patissier.

Denn die K&K-Monarchie sei damals stark von der französischen Küche beeinflusst gewesen und durch Hochzeiten der verschiedenen Königshäuser hätten sich auch die Küchen zunehmend vermischt. Das habe eine "wunderschöne Mischung" ergeben, so Mario Samancu.

Und nicht nur ihn und seine Frau begeistert die Küche der damaligen Zeit. Immer wieder, so erzählen die beiden, kommen "rumänische Omas" und fragen nach bestimmten Kuchen ihrer Kindheit. Meistens weiß Mario Samancu nach kurzer Beschreibung, welcher Kuchen gemeint ist und setzt ihn auf die Karte – im Zweifelsfall studiert er seine mehreren Regalmeter voller Backbücher.

Das Geheimnis, damit der Kuchen dann auch so schmeckt, wie vor 60 Jahren in Rumänien oder Ungarn? Man muss sich daran halten, wie die Dinge früher gemacht wurden, erklärt der Genuss-Spezialist, zum Beispiel habe man früher nichts mit Speisestärke, sondern mit Mehl, Ei und Milch abgebunden. Und diese Details machen den Unterschied – und lösen nostalgische Geschmäcker bei rumänischen Omas aus.

Dabei möchten die Samancus explizit nicht elitär sein, im Gegenteil: Jeder und jede, soll sich bei ihnen "fühlen wie ein König" und die Kreationen probieren können, die früher tatsächlich nur dem Adel zugänglich waren. Auch weil sie "sozialverträglich" sein und nicht nur eine bestimmte Zielgruppe bedienen wollen, kommt ihnen das Rangierbahnhofviertel entgegen.

Klar hätten sie "die Wände vergolden können und das Dreifache für ein Törtchen verlangen können", das sei aber nie ihr Ziel gewesen. "Wir wollen für jeden da sein, der Essen liebt", betonen die beiden.

Während meines Aufenhalts in dem kleinen Café, kramt besonders Mario Samancu immer wieder holt er Anekdoten heraus. Er erzählt über den Kaffee- und Kakao-Anbau, lässt mich von seiner selbstgemachten Haselnuss-Creme probieren und zeigt Geburtstagstorten, die die beiden wie Hochzeitstorten auf Anfrage herstellen.

Katharina Samancu klingt sich immer wieder ein und ergänzt: "Als Meisterin irgendwo angestellt zu sein, das wär sicher einfacher", zudem bekomme sie dort vermutlich mehr Geld, und trage weniger Verantwortung, merkt die Meisterin beispielsweise an. Dennoch schätze sie allerdings die "absolute Freiheit und Kreativität" als Selbstständige.

Und zur Freiheit immer wieder neue Dinge auf die Karte zu setzen und auszuprobieren, gehören auch die Zukunftspläne der Betreiber: Mario Samancu möchte eine eigene Kaffeerösterei eröffnen und beide wollen "endlich" eine Frühstückskarte für das Café erstellen. Das sei schon lange geplant, aber bis jetzt sei es immer an der Zeit der beiden gescheitert, sich darum zu kümmern. Neben vielen Interessen, einem gemeinsamen Kind, einem Café, Torten-Aufträgen und anderen Cafés, die die beiden beliefern, kommt auch noch die dünne Personaldecke dazu.

Inzwischen setzten sie zunehmend auf Schüler und Studierende, die aber fast alle nur einen "Zwischenstopp" bei ihnen machen, bevor es im Berufsleben woanders hingeht. Und da ihre feste Backstubenleitung jetzt in Elternzeit ist, sind auch die Zukunftspläne noch nicht komplett in trockenen Tüchern.

Bevor ich am Ende selbst den Verkaufsschlager, die Dobos-Torte, probieren darf, hat Mario Samancu natürlich auch zu ihr noch eine Anekdote parat: Regelmäßig stünden asiatische Touristen, ohne Deutschkenntnisse – dafür mit einem Bild der Dobos-Schnitte ihrer Konditorei an ihrer Vitrine. Irgendwann sei ihm das so seltsam vorgekommen, dass er selbst recherchierte und schließlich über ein virales Posting einer asiatischen Bloggerin stolperte, die ihre Dobos-Torte empfohlen hatte. Und so kommt manch ein Touri nicht nur wegen des Christkindlesmarkts, sondern auch wegen einer ungarischen Torte in das kleine Rangierbahnhofviertel in Nürnberg.

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