"Planet Gulasch"
Das beste Gulasch der Welt: Wie ein Nürnberger Restaurant in Ungarn den ersten Platz machte
17.10.2024, 15:54 UhrAls Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem... Weltmeister verwandelt! Was wie ein Traum klingt, ist für das nach dem Protagonisten des Kafka-Romans benannte Restaurant Realität geworden: Das Gregor Samsa am Stadtpark macht offiziell das beste Gulasch der Welt. Und doch bekam die Gulasch-Krone ein anderer.
Marcel Hoyers Reise auf das Gulasch-Podium begann vor vielen Jahren, Anfang 2019, mit einem Anruf einer niederländischen Nummer. Am anderen Ende der Leitung: Tamas Paszto, er schreibe das erste englischsprachige Buch über Gulasch.
Und da Marcel Hoyer angeblich in der Gegend das Gulasch-Monopol halte, würde Paszto gerne ein Interview mit ihm führen. Und so führten die beiden einige Zeit später ein Gespräch, etwa zwei Stunden lang, auf Englisch. "Bis wir darauf kamen, dass er gebürtig aus der Slowakei kommt und Slowakisch kann. Ich kann Tschechisch, das ist nicht mehr weit zueinander, quasi wie ein starker Dialekt. Der Abend endete um vier Uhr früh", erzählt Hoyer lachend. Paszto erzählte von der Gulasch-Weltmeisterschaft, dem größten und ältesten Gulasch-Wettbewerb Ungarns, bis zu 180 Teams mit bis zu 25 Personen treten hier an. Paszto fragte, ob Hoyer nicht mitkommen wolle. Der buchte einen Flug.
Dort trafen sie sich also drei Wochen später, Paszto stellte Hoyer als "führenden Kopf der deutschen Gulasch-Bewegung" vor. "Ich wusste bis dahin weder, dass es eine Gulasch-Bewegung gibt, noch dass ich der führende Kopf bin" - den Beweis hat er nun, fünf Jahre später - und prompt wurde beiden eine Schürze mit der Aufschrift "Jury" in die Hand gedrückt: "Und auf einmal wollen dir alle Schnaps geben, alle wollen, dass du probierst."
Für Hoyer war klar: Da möchte er auch mitmachen. Im September 2024 war es dann soweit. Ein Freund schenkte ihm einen großen Kochlöffel und sagte: "Mit diesem Löffel wirst du den ersten Platz machen." Und Tamas Paszto musste natürlich in Hoyers elfköpfigem Team sein: "Wir sind mittlerweile Freunde, wir sind Gulasch-Freunde - das gibt es."
"Planet Gulasch"
Das Gulasch-Festival in Szolnok - das sei eine ganz andere Welt, quasi "Planet Gulasch", erzählt Hoyer. Die Stimmung sei wie auf einem Rockfestival, auf zwei Bühnen ist an zwei Tagen Programm, von ungarischem HipHop über Folklore und Metal, traditionellem Stepptanz und Theater, bis hin zu Irish-Folk-Rock - nur eben auf ungarisch. Viele kennen sich hier seit Jahren, freuen sich über das Wiedersehen, "fallen sich in die Arme". Hoyer erzählt, seine Zeltnachbarn hätten 40 Liter Schnaps dabei gehabt. Für 20 Personen. Und einen Tag.
"Die sind alle so nett und wollen dir was anbieten", sagt Hoyer und lacht. Mal boten die Nachbarn Gebäck und Schnaps an, dann half Hoyer mit Holz aus. Denn seine Nachbarn hatten sich verschätzt und brauchten mehr Holz für ihren Grill - 1,80 Meter lang, 50 Zentimeter breit, zwei Ebenen -, sie machten zusätzlich zum Gulasch traditionelles Schaschlik. Und dafür wurde Hoyer mit seinem Team zum Schaschlikessen eingeladen.
Das Gewinner-Gulasch oder: "Goulash to Glory"
Für sein preisgekröntes Gulasch mit dem Projektnamen "Goulash to Glory" wählte Hoyer Wildschwein, seines Erachtens nach das beste Fleisch für Gulasch. Doch kurz vor dem Festival wäre beinahe alles schiefgegangen, denn als Hoyer abends das Fleisch vom Jäger seines Vertrauens abholen wollte, hatte er einen Motorschaden. Also rief Hoyer einige Freunde an, der letzte auf seiner Liste war noch wach und fuhr 110 Kilometer, um das Fleisch abzuholen. Der Kommentar des Jägers: "Wenn Marcel damit nicht den ersten Platz macht, kriegt er eine Watschen." Und auch benannter Freund wollte kein Spritgeld: "Ich will nichts dafür, aber mach den ersten Platz. Sonst kriegst du von mir auch eine Watschen."
Hoyers Idee für das Gewinner-Gulasch: ein Wildschweingulasch nach Art eines Stews mit einem sehr malzigen Schwarzbier, Brühe eines ausgekochten Hähnchens, wenig Paprika, viel Butter und dazu Kartoffelstampf. Zum ersten Mal kochte Hoyer auf offenem Feuer, zufrieden war er selbst nicht. Für sein Empfinden hatte er das Fleisch zu lange angebraten. Die Konkurrenz war stark: Einige kamen mit Dry-Aged Fleisch, einer ließ sich extra eine Kuh züchten, ein anderer goss sich seinen Topf selber. Und ein anderer übte jahrelang jeden Sonntag Gulasch kochen im Garten, bis seine Frau mit der Scheidung drohte.
Und doch hieß es am Ende von der Jury: "Erster Platz: Gregor Samsa!" Doch dann mussten sie noch einmal runter von der Bühne, denn die Krone bekam ein anderer. Wie das passieren konnte, den ersten Platz aber nicht die Krone zu gewinnen - das kann sich auch Hoyer nicht erklären. Hoyer sieht das als Ansporn: "Die Krone wollen wir uns nächstes Jahr noch holen."
Wo Künstler ein und aus gingen
Zuhause in Nürnberg kocht Marcel Hoyer sein Gulasch in der Traditionskneipe Gregor Samsa, das Gewinner-Gulasch der Weltmeisterschaft gab es seitdem einmal als Special. Früher war der "Gregor", wie Stammgäste das Lokal nenne, eine Künstler- und Literaturkneipe. Ikonen wie Peter Angermann oder Harry Schemm gingen hier ein und aus, teilweise zahlten Künstler ihre Zeche mit Kunstwerken. Heute ist das anders, viele kommen zum Essen, auf Tripadvisor zählt das Restaurant zu den beliebtesten der Stadt.
Doch das Gregor Samsa hat nicht nur eine lange Vergangenheit, Hoyer freut sich auf alles, was noch kommt. Insbesondere die Gulasch-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr: "Gulasch ist die Zukunft."
Hoyer könnte vermutlich stundenlang erzählen, wie die einzelnen Gulasch-Komponenten zusammenwirken, welche Zutat welche Funktion erfüllt, wie es zubereitet wird. Doch was ist das Geheimnis hinter dem perfekten Gulasch? Hoyer beschreibt: "Liebe. Du spürst es einfach beim Kochen." Mehr dazu bald auf nordbayern.de.