Kaum zu kriegen
Hinterhof-Start-Up aus Nürnberg: Sie beliefern die Spitzengastronomie mit diesem besonderen Produkt
11.10.2024, 05:00 UhrEin Hinterhof nahe dem Humboldtplatz in der Nürnberger Südstadt, von außen unscheinbar - und doch verbirgt sich hier ein Start-Up, bei dem seit einiger Zeit die Spitzenköche der Region einkaufen. Erst war die Halle eine Druckerei, dann zeitweise das Atelier einer Künstlerin. Nun wächst hier etwas, was auch auf dem internationalen Markt kaum zu kriegen ist.
Schon seit zwei Jahren beschäftigen sich Marianna und Johann Jordan mit Microgreens, das sind junge, essbare Keimlinge. Sie sehen aus wie Sprossen, manche Sorten schmecken wie Sprossen, und doch sind Microgreens nicht dasselbe wie Sprossen. Während Sprossen im Wasser aufgezogen werden, benötigen Microgreens Erde, je nach Art ein anderes Substrat. Damit sind sie nicht nur deutlich weniger keimbelastet als Sprossen, sie wachsen auch bis zu sechs Wochen, Sprossen nur wenige Tage. Und tatsächlich kann man aus fast jeder Pflanze Microgreens ziehen, rund 100 Sorten kennen die Jordans: "Jede Sorte war ganz spannend großzuziehen und zu testen."
Schon seit zwei Jahren beschäftigt sich das Paar mit den kleinen essbaren Pflanzen, sie sind mit der Sprossenzucht gestartet, haben dann verschiedene Techniken ausprobiert, immer mehr Pflanzen herangezogen. Zu Hause hatten sie zwei kleine Regale, nun ist eine kleine Halle voll mit ihren Microgreens, das Prinzip nennt sich Vertical-Farming. Auf fünf Regalebenen wachsen hier die kleinen Keimlinge.
"Ich mag gesundes Essen einfach", erzählt Marianna Jordan. "Und ich mag Pflanzen", fügt sie hinzu und lacht. "Sie ist der Gesundheitsfreak", sagt ihr Mann Johann. Für ihr Start-up "Grün und Würzig" haben sie die besten Voraussetzungen: Marianna Jordan studiert digitales Gesundheitsmanagement, in der Ukraine studierte sie Medizin. Johann Jordan ist Ingenieur, kennt sich bestens mit Technik und Beleuchtung aus.
Und gesund sind die kleinen Pflanzen wirklich: Microgreens haben bis zu 40 Mal mehr Nährstoffe als die ausgewachsenen Pflanzen. Nur 100 Gramm Microgreens - das sind etwa ein bis zwei kleine Schälchen - haben so viele Nährstoffe wie vier bis fünf ausgewachsene Brokkoliköpfe. Und: Der Geschmack ist deutlich intensiver.
Vom Start-up in die Sterneküche
Und das blieb auch von der Spitzengastronomie nicht unbemerkt. Mittlerweile beliefert "Grün und Würzig" über 50 regionale Restaurants und Cafés, Caterer und Supermärkte bis in den High-End-Bereich. Spitzenköche und Restaurants wie Alexander Herrmann mit seinen Restaurants, dasPaul, die Brasserie Nitz, das Jøwåy, das 1515 Rhinocervs sowie der Holzgarten und das Herzstück in Erlangen verwenden die Microgreens von "Grün und Würzig" - das "Who is Who" der regionalen Spitzengastronomie. Ständig stehen die Jordans im Austausch mit den Köchinnen und Köchen, beraten sie und überlegen gemeinsam, welche Microgreens auf welchen Gerichten funktionieren, was gerade saisonal passt. Während im Sommer zum Beispiel eher Melonenkresse gefragt ist, kommt im Winter Fenchel, Karotten und Zwiebel auf den Tisch. Manchmal schicken Spitzenköche auch einfach nur ein Bild per WhatsApp oder beschreiben, was sie in einem anderen Restaurant gesehen haben.
Und natürlich muss die Qualität passen: "Es ist etwas anderes, als einfach irgendetwas zu verwenden", sagt Johann Jordan. "Uns war von Anfang an die Qualität am wichtigsten." Damit die Qualität am Liefertag auch wirklich perfekt ist, kommt es auf das richtige Timing an. Dienstags und freitags wird geliefert - und damit stellen sich jeden Tag bei der Aussaat wieder aufs Neue die Fragen: Was, wie viel und wann? Werden die Samen auch nur einen Tag zu spät gesät, ist die Qualität schon schlechter. Werden sie einen Tag zu früh gesät, sind die Sprossen noch nicht richtig geöffnet. Das benötigt ein ausgeklügeltes System.
"Die Sonne leuchtet, solange wir wollen"
Und trotz aller Erfahrung: Der Anbau neuer Sorten bleibt "tricky". Bevor eine neue Sorte wirklich in die Produktion gehen kann, wird erstmal herumprobiert. Denn die Qualität der Samen ist abhängig von den äußeren Bedingungen, der Temperatur, wann sie gesammelt wurden. Es könnte so einfach sein: "Erde, Samen, Wasser und vor allem: Zeit", erklärt Marianna Jordan. Und an (fast) jeder diese Stellschrauben dreht das Paar. Sie verwenden Bio-Erde, gemischt mit Kokos-Erde in verschiedenen Verhältnissen, Granit und Vulkangestein. Sie säen täglich nach System aus, ausschließlich Bio-Samen, keine Pestizide, nur Bio-Dünger. Für die Bewässerung haben sie eine App programmiert, mit der sie die Bewässerung bis ins kleinste Detail steuern können. Der Vorteil beim Vertical Farming: Jede Etage, jedes Tablett kann einzeln gesteuert werden. Und doch gießen sie noch viel von Hand, denn keine Maschine, keine App kann ihr Gefühl für die Keimlinge ersetzen. Sie arbeiten mit einem geschlossenen Wassersystem, das spart ihnen nicht nur 90 Prozent des Wassers, sondern auch die Nährstoffe bleiben erhalten.
Im Anbau soll die Natur imitiert werden, nur eben mit einer "künstlichen Sonne". Vor allem zwei Vorteile hat diese Art des Anbaus, erzählen die beiden: Einerseits ist das das Lichtspektrum der Lampen abgestimmt, sie senden nur das aus, was die Pflanzen brauchen - und das spart nebenbei noch Energie. Der zweite Vorteil: "Die Sonne leuchtet, solange wir wollen", erklärt Johann Jordan, jeden Tag bei jedem Wetter. Für künstlichen Wind sorgen Ventilatoren. Marianna Jordan fasst zusammen: "Es ist wie ein Baby, da muss man jedes Mal aufpassen."
Sonst gibt es die Microgreens in Deutschland kaum zu kaufen. Viele Restaurants bestellen ihre Keimlinge in den Niederlanden. Doch da ist nicht nur die Qualität schlechter, so Johann Jordan, ebenfalls gibt es dort viele Sorten nicht. Sorten, die sich hier großer Beliebtheit erfreuen, zum Beispiel Mizuna, japanischer Senf.
Mittlerweile beschäftigt das Paar fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle aus der Ukraine, Mariannas Heimat: "Sie haben Probleme, Arbeit zu finden", erklärt sie. Auf der Arbeit sprechen sie fast ausschließlich deutsch, denn so lernen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Sprache am besten.
Und natürlich dürfen auch zu Hause die Microgreens auf kaum einem Essen fehlen. Die Lieblingskresse der beiden: Koriander. "Das ist das, was wir am meisten essen", erklärt Johann Jordan. "Es passt zu vielen Speisen", fügt seine Frau Marianna hinzu. Doch nicht jeder mag das Gewürz: "Zumindest, wenn man das richtige Gen hat", sagt sie und lacht.
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