"Ich kündige morgen!"

Junge Geschwister wagen sich mit Frühstückscafe in die Selbstständigkeit

Jonas Werling

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18.10.2024, 14:14 Uhr
Den Traum vom eigenen Café haben sich die Jung-Gastronomen Annika und Oliver Fischkal schon mit gerade erst 21 beziehungsweise 23 Jahren erfüllt.

© Jonas Werling Den Traum vom eigenen Café haben sich die Jung-Gastronomen Annika und Oliver Fischkal schon mit gerade erst 21 beziehungsweise 23 Jahren erfüllt.

Es ist die erste Semesterwoche in Erlangen. Plakate weisen auf diverse Ersti-Partys hin und Kleingruppen tigern durch den Schlossgarten. Es gibt vermutlich schlechtere Zeitpunkte, um ein Frühstücks-Café in Erlangen zu eröffnen. Das merken auch die beiden Jung-Gastronomen und Geschwister Annika und Oliver Fischkal, deren Vater (erster Bürgermeister in Adelsdorf) an diesem Tag kurzerhand "schnell Milch holen musste", weil der Laden wieder voll und die Milch leider aus war.

Gestern, am erster Studientag, sei es noch krasser gewesen, skizziert Oliver Fischkal, "uns wurde wirklich der Laden eingerannt". Er habe 45 Minuten am Stück nur Kaffee gemacht, bis alle fürs erste versorgt waren.

Schon seit Frühjahr 2023 war das Adelsdorfer Geschwisterpaar mit ihrer mobilen Cocktail-Bar auf Firmenevents, Weihnachtsfeiern, Festivals und Hochzeiten unterwegs. Komplette Neulinge sind die beiden also nicht – auch wenn ein Café natürlich etwas anderes als eine Bar sei, gibt der 23-jährige zu.

Die Idee der mobilen Bar "Flavor Factory" kam dem gelernten Elektriker im Post-Corona-Urlaub in Kapstadt. Dort hatte er Leute getroffen, die selbst schon Erfahrungen mit ähnlichen Events hatten. Der Barkeeping-Kurs, den er vor Ort machte, war dann die endgültige Entscheidung. "Ich musste einfach wieder raus, wieder unter Leute", resümiert er diese Zeit. Davor sei er viel im Paisley und Haus33 feiern gewesen und nach der langen Zeit der Lockdowns sei diese Form der Selbstständigkeit genau das Richtige gewesen.

"Das Nachtgeschäft ist auf Dauer aber sehr anstrengend", erklärt Oliver Fischkal weiter, daher sei ihm – wieder im Urlaub – die Idee gekommen, ein Café zu eröffnen und dazu, wie bei "Falvor Factory", wieder seine 21-jährige Schwester mit ins Boot zu holen.

"Er hat mich aus dem nichts angerufen und ,Wir machen ein Café auf!‘ ins Handy gerufen. Nach kurzer Bedenkzeit sei die gelernte Verwaltungsfachangestellte überzeugt gewesen. Die Idee ihres Bruders habe sie "einfach in den Bann gezogen".

Anschließend haben sie sich nach Immobilien umgeschaut und auch leere Cafés in Bamberg und Höchstadt angesehen, doch hätten mit dem ehemaligen Hexenbäck in der Erlanger Universitätsstraße 12 "einen absoluten Glückstreffer geschossen". Die Lage sei natürlich "fast perfekt" in der Studierenden-Stadt zwischen Uni-Bibliothek, Kollegienhaus und Schlossgarten.

Beim Umbau hätte er mit seinen "Freunden vom Bau" fast alles selbstgemacht. "Da ist es dann von Vorteil, wenn man Leute kennt", erzählt der gelernte Elektriker. Ein "Kumpel" sei Maler, der andere Gas-Wasser Installateur und "hat uns das Bad reingebaut" und er selbst konnte sich natürlich um die gesamte Elektrik kümmern.

Ein Großteil des Konzepts des Cafés kam den Geschwistern auch erst beim Umbau, erzählen sie, "zum Beispiel, die schwarze Decke passend zum schwarzen Geschirr zu streichen". Nicht nur beim Umbau ergänzten sich die Fähigkeiten unterschiedlicher Menschen sehr gut, sondern auch im Tagesgeschäft des Cafés haben Oliver und Annika Fischkal klare Rollen. Während sich der Bruder vor allem um den Kaffee aber auch im Hintergrund beispielsweise um die Finanzen und Steuern kümmert, ist Annikas Arbeitsplatz im Café hauptsächlich in der Küche. Sie bereitet alle Gerichte zu, die auf der Karte stehen – die sie bewusst klein gehalten haben, um sich zu Beginn nicht zu überfordern. Außerdem hatte sie auch bei der Einrichtung, Dekoration und Gestaltung der Karte maßgeblich ihre Finger im Spiel.

"Ich kündige morgen!"

Bisher sind ihre Öffnungszeiten mit Freitag bis Sonntag, 9 Uhr bis 16 Uhr, noch recht zurückhaltend gewählt – beide arbeiten momentan auch noch Teilzeit in ihren Jobs. Nachdem das Café jetzt aber so gut angelaufen sei, verkündet Oliver im Gespräch, "aber ich kündige morgen", um seine ungeteilte Aufmerksamkeit seinem neuen Frühstückscafé widmen zu können.

Gemeinsam mit den zwei Angestellten im Minijob-Bereich, die sie inzwischen angestellt haben, verfolgen sie das Ziel, länger öffnen. Denn "sieben Tage die Woche zu öffnen wäre sonst nicht möglich", selbst wenn beide Vollzeit im Café arbeiten würden.

Und, scheinbar loht es sich. Oliver Fischkal zieht ein Fazit nach den ersten Wochen: "Die Resonanz ist geil!" Inzwischen kommen ihm die Gedanken, die er einige Minuten vor der Ladenöffnung hatte: "was ist, wenn jetzt einfach niemand kommt?", fast lächerlich vor. Lachend erzählt er, eine halbe Stunde später sei der ganze Laden voll gewesen.

Spannende Zukunftspläne haben die Gastro-Geschwister auch schon: Sie wollen, als junge Menschen, sowohl hinter dem Tresen, als auch beispielweise während des Umbaus, etwas für die jungen Menschen in Erlangen tun. Geplant sind unter anderem Events für und mit Studierenden, mehr Cocktails bei den abendlichen Events, und nächstes Jahr soll auch die Bestuhlung außen dazukommen.

Kurz nach Ladenschluss um 16 Uhr kommen noch einmal einige Kunden in das Café in der Universitätsstraße. Sie holen übriggebliebene Speisen zu einem vergünstigten Preis ab, die sie vorher in der App "To Good to go" reserviert haben. Das laufe richtig gut, überlegt Annika Fischkal, die die Tüten vorher gepackt hat. Es ist "eine Win-Win-Situation, vor allem an den Tagen wie heute, wenn wir die nächsten drei Tage zumachen", erklärt sie weiter. So müssen sie die verderblichen Rest-Gerichte nicht wegschmeißen und die Abholer bekommen ein günstiges Abendessen.

Wenn man die Geschwister fragen würde, dürfte es vermutlich öfter vorkommen, dass ihr Vater mal wieder schnell Milch holen gehen muss, weil der Laden schon wieder voll ist.

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