Karteln im Lokal: Wo der Ober sticht
16.4.2015, 07:40 UhrRrrummms. Der Eichel-Ober sticht. Das tut er (fast) immer. Aber der Stich ist wichtig - und deshalb landet der höchste Trumpf so krachend auf dem Tisch, dass die Schaumkrone leicht über den Rand des Weizenglases schwappt und die Zwiebel vom Brot mit dem Obatzten rutscht. Garniert wird die gewonnene Runde mit einem herzhaften „Ha“. Das, sagt Fred Höfler, ist Schafkopf. Das, fährt der Leiter der Tucher-Brauerei fort, ist aber auch der Grund, warum das traditionelle Kartenspiel aus Gaststätten und Wirtshäusern in und um Nürnberg verschwindet. „Vielen Wirten ist es ganz einfach zu laut.“ Höfler weiß, wovon er spricht. Vor ein paar Jahren noch hat er bei sich vor der Tür karteln können. Inzwischen trifft er sich mit seinen Kartelfreunden in einem Hobbykeller. Zu dem er mit dem Auto fährt. Mehr als ein Bier beim Schafkopf geht nicht mehr.
Höfler findet: „Schafkopf soll wieder Trumpf werden - auch bei Wirten.“ Der Tucher-Chef ergreift die Initiative. Die heißt: „Schafkopffreundliche Gastronomie.“ Woran man eine solche erkennt? Künftig auch schon von außen. An einem Emaille-Schild mit eben diesem Slogan an der Wirtschaft. Dort steht der Zusatz: „Aus Liebe zur Tradition.“
Zum Karteln gibt’s Brotzeit
Aus Liebe zur Tradition, beteuert Höfler, sei auch die Initiative zu sehen. Denn auf den Schildern, zu denen es auch einen Satz Tischwimpel oder Spielkarten gibt, sucht man das Tucher-Logo vergebens. „Auch wer nicht unser Bier ausschenkt, kann trotzdem Schafkopfer bewirten“, sagt Höfler.
Der Fürther weiß, dass sein Schild nicht an jedem Restaurant zu sehen sein wird. Zu manchem trendigen Lokal passe es eben auch nicht, das Schafkopfen. Dass mit den Kartlern aber wenig Geld zu machen ist, weil die lange sitzen und wenig konsumieren, will er nicht gelten lassen. Denn „erst mal trinken sie dafür mehr“. Weswegen, das gibt Höfler zu, die Aktion nicht nur uneigennützig ist. Auch der Kartler isst. Nur eben anders, „eher vor sich hin, nebenbei, oft eine Brotzeit“. Der Tucher-Chef ist sich sicher: Die Lautstärke ist es, die viele Wirte abschreckt. Da sollen die Tischwimpel helfen. „So kann man Kartler steuern und eine Schafkopf-Ecke aufmachen.“
Doch liegt es nicht nur an den Gastronomen. Horst Dobler und Michael Dannreuther sind leidenschaftliche Schafkopfer aus Fürth. Sie wissen, wo sie bei sich hingehen müssen, um ihr Spiel zu spielen, kennen die entsprechenden Kneipen. Den „Goldfrosch“, die „Comödie“ zum Beispiel. Beide spielen fast täglich. Dobler, 66, laut Dannreuther „Fürths bester Schafkopfspieler“, hat früher in der Schule täglich gekartelt. Das gilt auch für Michael Dannreuther, 20 - „nur dass ich mit meinen Lehrern spielen musste“. Sonst konnte keiner Schafkopf.
Das wiederum bestätigen Marga Beckstein, Frau des früheren Ministerpräsidenten, und CSU-Stadträtin Barbara Regitz. Auch die beiden Frauen sorgen sich um die Tradition. „Die Gefahr, dass Schafkopf ausstirbt, ist da.“ Vor allem aus Mangel an Nachwuchs. Deswegen geben die beiden erfolgreich Schafkopf-Lehrstunden, speziell für Neulinge. Denn beim Karteln gilt (wissen Regitz und Höfler): „Die besten Spieler sind die schlechtesten Lehrer.“ Bei den Schafkopf-Pädagogen wird nicht groß Theorie gebüffelt, „bei uns hat jeder Karten in der Hand“ (Beckstein). Und: Es wird mit offenen Karten gespielt, erst mal im wahrsten Sinne.