40 Jahre "Käthe Wohlfahrt" in Rothenburg
14.12.2017, 17:02 UhrMit Rothenburg, ebenfalls eine Weltmarke, besteht eine Art Symbiose: man profitiert voneinander, auch wenn dabei nicht immer eitel Sonnenschein herrscht. Jetzt zur Adventszeit wird besonders deutlich, wie sehr das ganzjährige Weihnachtsgeschäft mit dem saisonalen Weihnachtsrummel verbunden ist. Rothenburg befriedigt immer mehr Sehnsüchte in der heutigen Zeit, verklärt durch Romantik, die offenbar gesucht wird, propagiert als Weihnachts- oder Märchenstadt. Übernachtungs- und Besucherzahlen zeigen, dass die Richtung stimmt, wenn es um den Tourismus geht. Und Firmenchef Harald Wohlfahrt, 63, kann sich zugute halten das 1964 von den Eltern gegründete Unternehmen trotz vieler Widrigkeiten bis heute auf Erfolgskurs zu halten.
Verrücktes Konzept
Als Wilhelm und Käthe Wohlfahrt 1977 in der Herrngasse 2 ihren Christkindlmarkt als ganzjähriges Weihnachtsfachgeschäft eröffneten, hielten das einige für ziemlich verrückt. Aber die Familie verstand es, Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen, zu expandieren und vor allem hartnäckig Kurs zu halten. Wer über den Reiterlesmarkt schlendert findet die direkt anschließenden Wohlfahrt-Geschäfte in der Herrngasse wie zugehörig. Es ist das Eintauchen in eine Glitzerwelt aus rund 30000 Artikeln von handgeschnitzten Miniaturfiguren über Räuchermännchen, Engel und Spieluhren, Glas-Baumschmuck bis zu Pyramiden, Nussknackern oder einem großen Kuckucksuhren-Sortiment.
Harald Wohlfahrt, Familienvater von drei Kindern, versteht es zusammen mit seiner Frau Humiko die Handels-Marke trotz kräftigen Gegenwinds zu behaupten. "Als wir begonnen haben gab es höchstens 500 Weihnachtsmärkte in Deutschland, heute sind es bis zu 3000", erläutert er. Die offenen Grenzen, der Online-Handel und periodische Einbrüche durch Wirtschaftskrisen und Terrorismus, besonders der Rückgang japanischer Gäste, nicht nur in Rothenburg, wirken sich aus. Wenn man gegensteuern will braucht man ein gutes Marketing-Konzept. Qualität, Exklusivität und Leistung sind der Anspruch. Wohlfahrt: "Wir sind kein Hersteller, haben aber eine Designer-Abteilung und lassen Exklusivmodelle handwerklich fertigen".
Trotzdem gibt es im Sortiment einen "Grenzbereich" mit gängigen Souvenirartikeln, an dem man nicht vorbeikomme, denn dies erwarteten die Touristen, so Harald Wohlfahrt. In Felicitas Höptner hat er eine erfahrene Marketingmanagerin zur Seite, die zugleich das zugehörige Deutsche Weihnachtsmuseum leitet.
Erzgebirgskunst
Die Eltern Wilhelm (2001 verstorben) und Käthe Wohlfahrt waren 1956 aus Sachsen in den Westen geflüchtet. Eine mitgebrachte Spieldose aus dem Erzgebirge und das Interesse amerikanischer Freunde, war Ausgangspunkt einer ungeahnten Entwicklung. Zunächst bei Basaren der US-Armee vertreten, eröffnete man 1970 einen kleinen Laden in Herrenberg im Schwarzwald, 1977 führte eine Empfehlung zum Umzug nach Rothenburg.
Wenn einer so erfolgreich agiert wie Wohlfahrt und dann noch eine Legiaslaturperiode kommunlpolitisch als Stadtrat seine touristischen Konzepte einbringt, dann ruft dies Neider hervor. Dass der Firma zahlreiche Immobilien gehören und man weitere Fachgeschäfte wie zum Beispiel das Uhrenhaus mit Geschenkartikeln betreibt, wirkt dem Leerstand in der Altstadt entgegen und erhält alte Bausubstanz - bis hin zu Mühlen im Taubertal, die genutzt werden.
Am Weltmarkt tätig
Längst geht es nicht nur um die Ladengeschäfte in der Tauberstadt, sondern um den Anteil am internationalen Markt im Weihnachtshandel, in dem Milliarden umgesetzt werden. Ganzjährige Wohlfahrt-Weihnachts-Fachgeschäfte existieren im belgischen Brügge, im französischen Riquewihr, im englischen York und in den USA. In Deutschland gilt es 45 saisonale Weihnachtsmarkthäuser und in 36 Städten Marktstände zu versorgen. In 16 ausländischen Orten in USA (von Chicago über Arlington bis Baltimore), Kanada, Italien, Frankreich, der Schweiz und Japan (Tokio und Sapporo) ist man präsent.
Von 320 Mitarbeitern in Deutschland sind 230 in Rothenburg tätig, aber jetzt zur Saison zählt Wohlfahrt insgesamt 1500 Beschäftigte. Felicitas Höptner: "Wir wollen den Weihnachtszauber für die Kunden erlebbar machen und haben dazu auch 21 ganzjährige Geschäfte in Deutschland". Berlin, Oberammergau oder Heidelberg sind unter anderem Standorte. Allein in den Ausbau des Logistik-Zentrums in Neusitz hat die Firma dieses Jahr 1,9 Millionen Euro investiert, zum Firmenumsatz hält man sich bedeckt. Besucherzahlen in der Saison sind schnell an einzelnen Tagen in Zehner- und weltweit in Hundertausender-Schritten für manche Wochen zu messen.
"Internationale Strahlkraft"
Für Tourismuschef Dr. Jörg Christöphler ist Wohlfahrt "das einzige Wirtschafts-Unternehmen, das als Global Player mit Rothenburger Wurzeln gelten darf". Von dessen "internationaler Strahlkraft" profitiere die Stadt, denn bei allen Firmenauftritten weltweit bewerbe Wohlfahrt zugleich Rothenburg mit. Dies sehe man als „positive Ergänzung der touristischen Kernpositionierung!” BrandTrust (Managementberatung für markenzentrierte Unternehmensführung) urteilt, die Nischenmarke Käthe Wohlfahrt habe sich eine große Fangemeinde erobert und sei "eine Marke nationaler Bedeutung". Dies liege an der "harten Markenspezialisierung", das Geschäft in Rothenburg sei "Touristenattraktion".
Auf das persönliche Einkaufserlebnis setzt Wohlfahrt weiterhin - trotz oder gerade wegen der Online-Konkurrenz und vieler Nachahmer! Ihm ist der Kundenkontakt im Laden und das persönliche Einkaufserlebnis wichtiger als der Internethandel, der zirka zehn Prozent ausmacht.
Tradition bewahren
Die erzgebirgische Volkskunst bleibt traditionell wichtiger Partner. Stolz ist man auf die von eigenen Künstlern designten Produkte der "Rothenburger Weihnachtswerkstatt" mit Kunstwerken aus Holz, Glas oder Zinn sowie Miniaturmalerei oder die limitierte bei Sammlern gefragte Edition "Kindertraum". "Unverwechselbar und Botschafter deutscher Weihnachtstradition" lautet das Credo. Was man darunter versteht zeigt ein Gang durchs Weihnachtsdorf, in dem 130.000 Lämpchen (mit Ökostromzertifikat) leuchten, ein 5,70 Meter hoher weißer Christbaum und die riesige Weihnachtspyramide faszinieren.
Der Reiterlesmarkt sollte viel früher beginnen, meint Harald Wohlfahrt. Der Einzelhandel und die Gastronomie würden davon profitieren. Aus dem Stadtrat hat sich der Unternehmer enttäuscht zurückgezogen, aus seiner Sicht fehlt es der Stadt am klaren Zukunftskonzept, wenn es um den Handel gehe sei "der Zug schon abgefahren". Andere würden ihre Innenstädte intensiver beleben, böten freies Parken und Zubringerbusse. Rothenburg sei kein Selbstläufer ergänzt Felicitas Höptner und lobt Tourismusdirektor Dr. Christöphler. Der zeige "unglaublichen Einsatz" bei der Stadtvermarktung.
Harald Wohlfahrt sieht sich im schwierigen Marktumfeld extrem gefordert und hofft die Firmentradition auch in der nachfolgenden Generation fortsetzen zu können.
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