Advent in Rothenburg: Soviel Weihnachten wie nirgendwo
9.12.2011, 12:02 UhrWenn sich die Dämmerung über die Altstadt legt und die festlich geschmückten Holzbuden den Marktplatz in ein warmes Licht tauchen – dann entfaltet Rothenburg ob der Tauber seinen weihnachtlichen Zauber. Schließlich gilt die frühere Reichsstadt mit ihrem geschlossenen mittelalterlichen Stadtbild schon im Sommer als Hort der Romantik, der für Japaner und Amerikaner Pflichtstation auf Europa-Reisen ist.
„Rothenburg und sein Weihnachtsmarkt, das ist eben ein Ensemble, bei dem alles passt“, schwärmt Johann Kempter von der örtlichen Tourismuszentrale. Dabei lockt die mittelalterliche Stadt in der Adventszeit nicht nur mit der romantischen Kulisse seines Christkindlmarktes. Als Stammsitz des Weihnachtskaufhauses Käthe Wohlfahrt mit seinem „Weihnachtsdorf“ und seinem Deutschen Weihnachtsmuseum bietet Rothenburg soviel Weihnachten wie kaum eine andere Stadt. So ist denn auch der Bummel über den Reiterlesmarkt, wie der Weihnachtsmarkt hier heißt, für manche Touristen eher Nebensache.
Wer in der Weihnachtszeit Rothenburg besucht, kommt auch wegen Käthe Wohlfahrts „Weihnachtsdorf“: Auf rund 1000 Quadratmetern präsentiert sich hinter der festlich dekorierten Bürgerhausfassade die ganze Welt der Weihnachtsdekoration. Zwar macht das Ganzjahres-Weihnachtskaufhaus auch im Hochsommer sein Geschäft mit Christbaumkugeln, Weihnachtspyramiden und Krippen. „Aber jetzt an Weihnachten ist natürlich unsere wichtigste Zeit“, berichtet Filialleiterin Marianne Weinberger. „An den Wochenenden haben wir im Weihnachtsdorf einige tausend Besucher.“
Auf die Idee, das überbordende Angebot im Weihnachtskaufhaus könnte Konkurrenz für den Reiterlesmarkt nebenan sein, kommt Tourismusmann Kempter nicht. Im Gegenteil: „Käthe Wohlfahrt wirbt weltweit und hat einen weitaus größeren Marketing-Etat als die Stadt Rothenburg. Davon profitiert auch Rothenburg“, stellt Kempter klar. Eine bessere Werbung für die mittelfränkische Kommune könne er sich gar nicht vorstellen.
"Ein bissl viel Weihnachten"
Das sieht freilich nicht jeder Besucher so. Zu ihnen gehört etwa Petra Wapsus aus dem Schwäbischen, die zusammen mit Freunden einen Busausflug nach Rothenburg unternommen hat: „Das ist für meinen Geschmack ein bissel viel Weihnachten hier. In jedem zweiten Haus ist Käthe Wohlfahrt drin – und der Besuch des Weihnachtsdorfs und des Weihnachtsmuseums kostet auch noch Eintritt“, klagt sie.
Wer die Vorweihnachtszeit klassisch liebt, beschränkt sich daher auf den Reiterlesmarkt. 56 hübsch geschmückte Stände, darunter einige im Lichthof des Rathauses, andere im nahen Feuerwehrgewölbe, bieten neben weihnachtlichen Naschereien, Weihnachtsdekoration und Kunsthandwerk auch weißen Glühwein an; der ist eine Erfindung des örtlichen Gastronomen Karl Thürauf. Während andernorts in der Winterzeit roter Glühwein fließt, kredenzt er seit den 1970er Jahren auf dem Markt dampfenden Weißwein.
Die Sehnsucht nach Weihnachtsromantik zieht im Dezember Hunderttausende in die Stadt. Vor allem an den vier Adventswochenenden herrscht dichtes Gedränge in den engen Altstadtgassen. Das war freilich nicht immer so. In den 1960er Jahren stand der Reiterlesmarkt kurz vor dem Aus. 1964 fand sich keiner mehr, der Weihnachtsstände betreiben wollte, 1965 waren es gerade mal fünf Buden. Erst in den 1970er Jahren erlebte die „Alt-Rothenburger Weihnacht“ eine Wiederauferstehung – und dann ging es Schlag auf Schlag. 1977 legte die Firma Käthe Wohlfahrt in Rothenburg den Grundstein für ihr Stammhaus, und mit der Eröffnung der Autobahn Würzburg-Ulm wurde Rothenburg plötzlich auch für den Bus-Tourismus interessant.
In den vergangenen Jahren ging die Erfolgsgeschichte von „Weihnachten in Rothenburg“ weiter: Seit 1986 hat die Zahl der Übernachtungen im Dezember auf inzwischen fast 42 000 mehr als verdoppelt. Vor allem die Zahl der Touristen aus Japan hat kontinuierlich zugenommen. Dagegen profitiert die Stadt kaum noch von den Soldaten der US-Armee. An ihre Stelle seien in der Weihnachtszeit, so erläutert Kempter, Passagiere der Flusskreuzfahrtschiffe vom Main getreten. „Die kommen aus Nürnberg mit dem Bus ins vorweihnachtliche Rothenburg und schiffen später wieder in Würzburg ein.“
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