Jahreshauptversammlung der „neuen“ EVG-Gewerkschaft

29.11.2011, 07:29 Uhr
Jahreshauptversammlung der „neuen“ EVG-Gewerkschaft

© Hedwig

Als „Uraufführung“ bezeichnete der einstige Transnet-Ortsvorsitzende Ulrich Stange die Zusammenkunft der EVG. Die Bereiche Donauwörth und Treuchtlingen waren schon vorher im Transnet-Ortsverband Donauwörth zusammengefasst worden und flossen so nun in die jetzige örtliche EVG mit ein – gemeinsam mit den Mitstreitern der GDBA.


In seinem Bericht räumte Stange ein, dass es viele Sitzungen gebraucht habe, um auch auf örtlicher Ebene den Zusammenschluss und die Umstrukturierung zu bewerkstelligen. Die EVG zählt in seinem Zuständigkeitsbereich aktuell über 700 Mitglieder. Die Bereiche Donauwörth und Treuchtlingen liegen nach seinen Worten mit Blick auf die Gesamtzahl etwa gleichauf. Er dankte allen Helfern und Unterstützern für die Mitarbeit. Nachdem noch kurz auf die Brief- bzw. Urnenwahl der Eisenbahnervertretung bei der Sparda-Bank am 15. Dezember hingewiesen worden war, bot der frühere örtliche GDBA-Vorsitzende Karl Stöhr einen kurzen Rückblick auf den Werdegang „seiner“ Gewerkschaft.


EVG-Geschäftsführer Peter Weinzierl ließ als Hauptredner ebenfalls nochmals die Anstrengungen auf dem Weg zur bundesweiten „EVG-Heirat“ Revue passieren, die er jedoch letztlich begrüßte sowie als vernünftig und folgerichtig bezeichnete. In diesem Zusammenhang dankte er den beiden Vorsitzenden Stange und Stöhr für ihr Tun.


Der Gewerkschafter zog nach einem Jahr EVG zudem eine erste Bilanz. Sein Fazit: „Wir sind jetzt gut aufgestellt und näher dran an der Basis.“ Gerade letzteres sei ein besonderes Anliegen gewesen, weswegen bundesweit Betriebs- und Dienststellengruppen gegründet worden seien. Dass die EVG für künftige Aufgaben gut gerüstet sei, habe auch der erste kleine Gewerkschaftstag kürzlich in Fulda gezeigt. Dort seien unter anderem ein erster Entwurf für ein Grundsatzprogramm sowie ein Arbeitsplan für 2012 diskutiert und verabschiedet worden. Dabei sei auch deutlich geworden, dass die 2011 erstmals durchgeführten Aktionstage erfolgreich gewesen und unbedingt fortzusetzen seien.


Auf dem Weg in eine Service-Wüste?


Dann wandte Weinzierl sich den Sorgen zu, die ihn nach eigenem Bekunden umtreiben. So sei die von der Bahn AG propagierte „Service-Offensive“ zwar lobenswert, jedoch bei näherer Betrachtung in ihrer Umsetzung „blanker Hohn“. In Wirklichkeit sei der Konzern eher auf dem Weg hin zu einer „Service-Wüste“. Statt offenkundige Mängel im Service-Bereich zu beseitigen und sich dem Ziel einer zeitgemäßen, kundennahen und komfortablen Personenbeförderung weiter anzunähern, werde der Dienstleis­tungsbereich zunehmend beschnitten. Eine Befragung von Gewerkschaftsmitgliedern mit Blick auf den Status quo der Servicequalität habe ein ernüchterndes Resultat gebracht und diesen Negativ-Trend bestätigt.


Als Beispiele für diese in seinen Augen falsche Strategie nannte der Funktionär den geplanten Abbau von rund 700 Arbeitsplätzen in den Reisezentren der Bahn bis 2016. Auch soll die Grundreinigung der ICE-Züge künftig seltener erfolgen. Hierbei stünden weitere 150 Arbeitsplätze zur Disposition. Darüber hinaus will der Konzern die Arbeit des Aufsichtspersonals auf den Prüfstand stellen. „Wir brauchen nicht weniger Servicepersonal, sondern mehr“, ist sich Weinzierl sicher.


Ein weiteres Augenmerk richtete der EVG-Geschäftsstellenleiter auf die aktuellen tarifpolitischen Vorhaben „seiner“ Gewerkschaft. Sie verhandle derzeit mit der Deutschen Bahn einen Zukunftstarifvertrag, der auch den künftigen Herausforderungen durch den demografischen Wandel und den sich daraus ergebenden Veränderungen in der Arbeitswelt Rechnung trage. Dabei gehe es um Beschäftigungssicherung, aber auch um Konzepte für diejenigen Mitarbeiter, die ihren schweren körperlichen Job nicht bis 65 oder gar 67 ausfüllen können. Zudem brauche es Konzepte für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für den Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand. Der Zukunftstarifvertrag soll nach Weinzierls Worten Ende 2012 abgeschlossen werden.


Bis dahin gilt die derzeit tarifvertraglich abgesicherte – und in seinen Augen erfolgreiche – Beschäftigungssicherung im DB-Konzern weiter. So sei die Zahl der Beschäftigten im DB-Konzern seit Einleiten der Bahnreform 1994 auf rund 190.000 mehr als halbiert worden, ohne dass es betriebsbedingte Kündigungen gegeben hätte. Dies führt Weinzierl auf das gute Funktionieren des sogenannten Konzernweiten Arbeitsmarktes zurück. Damit ist eine Reihe von Regularien gemeint, mit denen Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder ihre Arbeit nicht mehr ausüben können, qualifiziert und in andere Bereiche des Konzerns weitervermittelt werden. Insbesondere infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise habe der Konzernweite Arbeitsmarkt dafür gesorgt, dass die Krisenfolgen im Bahnbereich beherrschbar geblieben seien.


Insofern zeigte sich der Gewerkschafter erleichtert, dass der Angriff auf den integrierten Konzern auf europäischer Ebene erst einmal habe abgeschmettert werden können. Er spielte damit auf die aktuelle Entscheidung des EU-Parlaments zur Neufassung des ersten Eisenbahnpaketes an. Die EU-Kommission habe in diesem Zusammenhang verschärfte Regeln zur Trennung von Netz und Betrieb einführen wollen, wodurch nach den Worten Weinzierls auch der Konzernweite Arbeitsmarkt am Ende gewesen wäre, der nur in einem integrierten Konzern mit Netz und Bahnverkehr unter einem Dach funktionieren könne.


Er nannte als Beispiel Lokführer, die zu Fahrdienstleitern umgeschult werden. „Das wäre nicht möglich, wenn man das Netz aus dem Bahnkonzern herauslösen würde. Deswegen muss diese Debatte aufhören.“ Der EVG-Vertreter äußerte sich jedoch besorgt darüber, dass die EU-Kommission die Diskussion im kommenden Jahr offenbar weiterführen will. Und zwar mit der Begründung, dies führe zu mehr Wettbewerb auf der Schiene. Das bisherige deutsche Modell mit integriertem Bahnkonzern und scharfer Regulierung durch eine Bundesbehörde stelle diesen vermeintlichen Handlungsbedarf jedoch infrage. Denn: „Nirgendwo sonst ist der Wettbewerb auf der Schiene so weit entwickelt und nirgendwo haben die privaten Bahnunternehmen so viele Marktanteile gewonnen wie in Deutschland. Mehr als 300 Bahnunternehmen sind auf dem deutschen Schienennetz unterwegs.“


Ungleicher Wettbewerb


Diese intensive Debatte lenkt laut Weinzierl lediglich von den wirklichen Problemen ab. Dabei nannte er z.B. die ungleichen Wettbewerbsbedingungen unter den Verkehrsträgern. So werde die Bahn „als der ökologisch sinnvolls­te Verkehrsträger“ mit allen möglichen Steuern und Abgaben belastet, die andere Verkehrsträger wie Straßen- und Flugverkehr nicht zu tragen hätten – bis hin zur Ökosteuer.


Zum Schluss seiner Ausführungen hob der Redner die vielen sozialen Errungenschaften hervor, die ohne gewerkschaftliches Engagement undenkbar gewesen wären. Da Solidarität und gemeinschaftliches Handeln die Grundelemente gewerkschaftlichen Handelns seien, betonte er die Bedeutung eines jeden einzelnen Mitstreiters. Daher sei eine langjährige Treue zur Gewerkschaft besonders zu würdigen, womit der Funktionär auch schon bei den Ehrungen angelangt war.


Bereits 25 Jahre der Gewerkschaft treu sind Else Grimm und Peter Völkel. Auf 40 Jahre bringen es Helmut Achleitner, Karl Bock, Helmut Czech, Gerhard Färber, Oskar Gagstetter, Helmut Geiselsöder, Gerhard Hornn, Helmut Hüttinger und Peter Kess. Ebenfalls vier Jahrzehnte mit von der Partie sind Hilmar Malecha, Peter Neumann, Ludwig Oberndorfer, Manfred Regnath, Herbert Reither, Günther Ronneberger, Rolf Schaffelhofer, Werner Schultheiss, Walter Vorbrugg, Johann Jungmeier, Peter König, Günther Frey, Karl Guthmann, Karl Lechner, Xaver Ruff sowie Herbert Benzinger und Günter Müller. Ein halbes Jahrhundert mit dabei ist Karl Uebelacker, und auf stolze 60 Jahre können Walter Dietrich und Erwin Pfeifer zurückblicken.


Im Weiteren standen mit Blick auf die Betriebsgruppen, Seniorengruppen und den Ortsverband noch diverse vorbereitende Wahlen auf dem Programm. Endgültige Ergebnisse hierzu gibt es jedoch erst nach einer separaten, konstituierenden Versammlung (Bericht folgt).

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