Aiwanger will 300 neue Windkraftanlagen für Bayern
3.11.2019, 06:40 UhrWenn Hubert Aiwanger über seine Windkraft-Offensive spricht, klingt alles ganz simpel. "Wir nehmen einfach eine Bayernkarte her", sagt er, "schauen, wo wenig besiedelt ist und gleichzeitig der Wind bläst. Und definieren dort die neuen Standorte für Windräder."
So sieht sie aus, die neue Windkraftoffensive des bayerischen Wirtschaftsministers und Chefs der Freien Wähler. Mindestens 300 Windkraftwerke will Aiwanger so über das Land verteilen – ein Land, in dem die Windkraft nicht das beste Image hat.
Das spüren auch die Betreiber, vor allem aber die Hersteller. Beide reagieren mit Personalabbau. Allein im Jahr 2017 haben sie nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums deutschlandweit rund 26.000 Stellen gestrichen auf 135.000 Posten. Seitdem dürfte sich der Trend fortgesetzt haben. Und Bayern ist daran nicht unschuldig. 2018 errichteten die Betreiber noch ganze acht Windkrafträder. Im ersten Halbjahr 2019 dann kein einziges mehr.
10H-Regel sorgt für Ärger
Schuld sei die sogenannte 10H-Regel, sagen Fachleute wie Politiker. Aiwanger bestreitet das nicht. "Ohne sie würde manches einfacher sein", sagt er. Aber sie sei nun mal da, stehe auf Wunsch der CSU auch im Koalitionsvertrag und sei damit auch für ihn verbindlich.
So verbindlich etwas für Hubert Aiwanger eben sein kann. Auch wenn das Gesetz einen Mindestabstand der Windräder zum nächsten Haus vom Zehnfachen ihrer Höhe vorschreibt, könnten die Gemeinden doch Ausnahmen machen, sagt er. Teams aus Technikern, Juristen und Betreibern sollen übers Land tingeln und in jenen Dörfern für Windkraftanlagen werben, die Aiwangers Beamte im Ministerium als neue potenzielle Standorte ausgemacht haben.
"Klinken putzen hilft nicht"
Für den Grünenpolitiker Martin Stümpfig eine rührende Vorstellung. Der Landtagsabgeordnete aus Feuchtwangen spricht Aiwanger gar nicht die Ernsthaftigkeit ab. "Ich glaube schon, dass er wirklich dran ist", sagt Stümpfig. "Aber er hätte das bei den Koalitionsgesprächen mit der CSU verhandeln müssen." Das hat Aiwanger nicht getan. "Wenn er jetzt klinkenputzend über die Dörfer zieht, wird er es nicht schaffen", sagt der Grünen–Politiker.
Aiwanger setzt nicht nur auf Überzeugungsarbeit. Er setzt auch auf Geld. Betreibermodelle, an denen die Gemeinde wie Anlieger verdienen könnten, sind für den Wirtschaftsminister der Schlüssel. "Der Investor zahlt ein paar Tausend Euro aus", sagt er. "Da sind Renditen von bis zu fünf Prozent möglich." Aiwanger ist sich sicher, dass das manche Widerstände brechen könne.
"Finden sich immer Leute, die massiv dagegen agitieren"
Vom Sinn der Windräder ist er überzeugt. Moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 Metern und darüber produzierten so viel Strom, sagt er, "dass das leicht für eine Gemeinde mit 10.000 Einwohner ausreicht". Energienutzungspläne für die einzelnen Gemeinden sollen den Politikern wie den Bürgern vor Ort zeigen, was möglich wäre. Und was erstrebenswert.
Aiwanger glaubt, dass ohnehin "die Mehrheit der Bevölkerung abstrakt dafür" sei. Wenn entsprechende Pläne konkret werden, "finden sich immer Leute, die massiv dagegen agitieren". Sinnvoll sei dann ein Bürgerentscheid, "der Klarheit schafft". Ginge es nach Aiwanger, Bayern könnte für die Gemeinden die Genehmigungsverfahren so vereinfachen, dass ein Ratsbeschluss genügte. "Damit ließe sich ein jahrelanges Gezerre mit Klagen vermeiden", glaubt der Wirtschaftsminister.
"300 Windräder sind Tropfen auf dem heißen Stein"
Anders als die CSU kämpft Hubert Aiwanger für eine möglichst dezentrale Energieversorgung mit neuen Windrädern und Tausenden kleineren Kraftwerken, die aus Gas oder regenerativen Energien nicht nur Strom, sondern auch Wärme erzeugen. So hofft er, dass er die großen Megastromtrassen aus dem Norden überflüssig machen kann.
Für die Opposition bleibt das ein frommer Wunsch. "Sonntagsreden" nennt es Annette Karl von der SPD. "Ermunterungsversuche bringen nichts. Wenn, muss er den Koalitionspartner dazu bringen, dass er die 10H-Regel einstampft."
Für Martin Stümpfig von den Grünen ist Aiwangers Vorstoß ohnehin nur ein halbherziger. "300 Windräder sind ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt er. Wollte Bayern die selbst gesteckten Ziele bei den regenerativen Energien erreichen, müsse es seinen Bestand an Windkraftanlagen mindestens verdoppeln, eher verdreifachen. Aktuell zählt das Land rund 1120 Anlagen. Gut 2000 neue wären laut Stümpfig nötig. "Ich sehe das schon kommen", sagt er: "In zwei, drei Jahren werden sie mit 20, 30 neuen Anlagen sagen, dass es doch nicht geklappt habe." Die Zeit aber, warnt Stümpfig, habe Bayern nicht mehr. "Wir müssen das jetzt angehen. Und zwar richtig."
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