Alles neu: Nürnberger Datenschutzbeauftragter im Interview

25.5.2018, 07:25 Uhr
Alles neu: Nürnberger Datenschutzbeauftragter im Interview

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Alles neu: Nürnberger Datenschutzbeauftragter im Interview

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Herr Schmidt, ab heute gilt die neue Datenschutzgrundverordnung. Wie groß ist die Angst in den Rathäusern der Region?

Jens Schmidt: Angst muss man keine haben. Aber man muss sich sehr gut darauf vorbereiten. Erst letzte Woche hatten wir eine ausführliche Informationsveranstaltung mit Vertretern aller 27 Gemeinden im Landkreis Nürnberger Land. Es war viel Arbeit, in sämtlichen Rathäusern einen Überblick darüber zu bekommen, welche Verarbeitungstätigkeiten anfallen, welche Daten gespeichert werden und welche Software verwendet wird.

Obwohl schon lange klar ist, dass die DSGVO nun eingeführt wird, hat man lange Zeit wenig davon gehört. In den vergangenen Wochen wurde es dann plötzlich hektisch. Hat man in vielen Bereichen verschlafen, sich rechtzeitig darum zu kümmern?

Schmidt: Ein großes Problem war, dass es sehr lange gedauert hat, bis konkrete Anwendungshinweise verfügbar waren. Das Bayerische Datenschutzgesetz, das vieles genauer erläutert, ist erst Ende April verabschiedet worden. Deshalb kann nicht alles sofort lückenlos umgesetzt werden.

Befürchten Sie dann nicht, dass gleich die Abmahnanwälte auf der Matte stehen und jedes Versäumnis anprangern?

Schmidt: Bußgelder wie im privaten und wirtschaftlichen Bereich gibt es ja bei öffentlichen Stellen nicht. Möglich sind aber Schadenersatzforderungen von geschädigten Bürgern. Da sehe ich aber keine große Gefahr. In den Kommunen erfolgt die Datenerhebung ja auf Basis gesetzlicher Vorgaben. Ob ich bei Amazon einkaufe oder nicht, ist letztlich meine eigene Entscheidung. Ob ich die Geburt meines Kindes melde dagegen nicht.

Bürger können künftig bei den Kommunen auch sämtliche über sie an dieser Stelle gespeicherten Daten zur Ansicht anfordern. Wie viel Arbeit kommt da auf die Gemeinden zu?

Schmidt: Ich hoffe, dass die Bürger nicht nur einfach deshalb nachfragen werden, weil sie jetzt das Recht dazu haben. Bei kleineren Kommunen gibt es ja noch mehr persönlichen Kontakt, da wird es wohl weniger Anfragen geben. Bei größeren Gemeinden könnten sich diese aber schon häufen.

Warum bedeutet das so viel Aufwand für die Kommunen? Haben sie nicht auf Knopfdruck alle Informationen über einen konkreten Bürger parat?

Schmidt: Nein, so einfach ist es nicht. Die Daten sind an verschiedenen Stellen gespeichert. Und das hat wiederum ebenfalls mit dem Datenschutz zu tun. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Landratsamt: Der Sozialhilfesachbearbeiter darf nicht einfach in der Kfz-Zulassungsstelle nachfragen können, welches Auto der betreffende Bürger fährt. In den Gemeinden gibt es neben Einwohnermeldedaten und Personenstandsregister auch Daten zur Wasserversorgung, zur Grundsteuer, zu Bauanträgen und vieles mehr. Das alles zusammenzutragen, kann sehr mühsam sein.

Warum könnte ich denn überhaupt als Bürger ein Interesse an diesen Daten haben? Dass die Kommune weiß, wie ich heiße, wo ich wohne und wann ich geboren bin, kann ich mir ja eigentlich denken . . .

Schmidt: Interessant wird es zum Beispiel, wenn man umgezogen ist und nach einigen Jahren wissen will, ob die eigenen Daten immer noch im ehemaligen Wohnort gespeichert sind. Da könnte man dann aufdecken, dass vielleicht bestimmte Löschfristen überschritten wurden. Da wollen die Bürger schon zu Recht Sicherheit haben, schließlich geht es auch um sehr sensible Daten, etwa aus dem Sozialbereich, oder zu Kindschaftsverhältnissen.

Anders als in den meisten Landkreisen gibt es im Nürnberger Land einen organisatorisch im Landratsamt angesiedelten Datenschutzbeauftragten, der von 27 Gemeinden gemeinsam finanziert wird. Warum hat man sich im Landkreis für dieses noch sehr unübliche Modell entschieden?

Schmidt: Weil man gerade in vielen kleinen Gemeinden gemerkt hat, dass es fast unmöglich ist, das selbst zu stemmen. Den Posten hat man schon lange vor der Datenschutzgrundverordnung im Jahr 2011 eingeführt, ich selbst habe die Stelle seit Mai 2014. Alle zwei Jahre überprüfe ich in jeder Gemeinde die Situation vor Ort auf Herz und Nieren. Sehr häufig kontaktieren mich auch Gemeindemitarbeiter, wenn es bei aktuellen Datenfragen Klärungsbedarf gibt. Der Vorteil ist, dass in vielen Kommunen sehr ähnliche Fragen auftauchen.

Viele Gemeinden in der Region hätten in ihren Landkreisen gerne ein ähnliches Modell wie im Nürnberger Land, gerade mit der Einführung der neuen DSGVO. Doch die Landratsämter sträuben sich, sagen teilweise sogar, der Landkreis könne eine solche Aufgabe gar nicht für die Kommunen übernehmen.

Schmidt: Rechtlich ist das überhaupt kein Problem, wie man bei uns sieht. Ich denke, die Entscheider zögern, eine neue Stelle zu schaffen, weil sie die Gefahr sehen, dass die Kosten der Landkreis tragen müsste. Dadurch, dass ich ausschließlich für die Gemeinden zuständig bin, übernehmen die Kommunen jedoch den kompletten Aufwand vollumfänglich. Somit ist das für den Kreis ein durchlaufender Posten.

Was ändert sich denn jetzt tatsächlich durch die DSGVO?

Schmidt: Die gravierendste Änderung sind die Infos, die man jetzt den Bürgern geben muss. Durch Merkblätter werden sie beim Ausfüllen eines Formulars künftig darauf hingewiesen, welche Daten zu welchem Zweck in welcher Form gespeichert werden. Online gibt es in solchen Fällen einen exponierten Link zu den Datenschutzhinweisen. Bei der Menge an Daten, die in Rathäusern erhoben werden, ist das schon eine echte Herausforderung. Nach dem großen Brocken in der Einführungsphase sollte das dann aber bald von selbst laufen.

Die DSGVO macht viel Arbeit. Aber wie sinnvoll ist sie wirklich?

Schmidt: Sie bringt viel mehr Klarheit ins System. Man muss aber eine gesunde Balance finden zwischen mehr Transparenz und dem Zuschütten der Leute mit Informationen. Denn wenn man die Bürger mit Infos überhäuft, die sie eigentlich gar nicht brauchen, erreicht man am Ende das Gegenteil und sie sagen: "Geht mir doch weg mit eurem Datenschutz!"

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