Mit Kurier und Webshop: Ansbacher zog gigantischen Drogenring auf
14.3.2019, 16:35 Uhr"Spektakulär" sei der Erfolg, der den Ansbacher Kripoleuten um Walter Bogenreuther und den Spezialisten beim Landeskriminalamt gelungen ist, sagt Jörg Beyser, Chef des Rauschgiftdezernates beim LKA. Mindestens 1,2 Tonnen der Droge sollen die Verdächtigen übers Internet verkauft haben. Stoff, den sie mit geringstem Aufwand selbst produzierten und mit gigantischem Gewinn unters Volk brachten. Gegen 42 Verdächtige ermitteln die Fahnder; fünf sitzen in Untersuchungshaft, darunter auch der mittlerweile 32-jährige Ansbacher, der sich selbst als Kopf der Bande outete.
Spektakulär ist freilich auch, wie professionell die Dealer vorgegangen sind. Ihre Mitarbeiter betreuten mehr als 30 Online-Shops, führten 20.000 Kunden in der Kartei. Servicekräfte pflegten die Webseiten, nahmen Reklamationen entgegen, organisierten Werbeaktionen ("kauf zwei für drei"). Wieder andere schleusten als Finanzagenten das Geld in kleinen Tranchen à 25 Euro über ihre Konten und über Dutzende weitere Bankhäuser, bis sich der Weg kaum noch zurückverfolgen ließ. Manche brachten es auf gut zehntausend Geldbewegungen im Monat.
Helfer hatte der 32-Jährige viele. Er sei "überrascht vom Ausmaß der Arbeitsteilung", sagt LKA-Mann Beyser, dem in der Welt der Drogenkriminalität an sich nur noch wenig fremd ist. Etliche der Helfer hatten wohl nicht im Blick, auf was sie sich eingelassen hatten. Bis vor wenigen Jahren fielen die Kräutermischungen unter das Arzneimittelgesetz, war ihr Verkauf nur strafbar, wenn ihr Wirkstoff im Gesetz stand.
Schon feine Veränderungen reichten, damit die Dealer aus dem Schneider waren – ein Wettrennen, das die Polizei verlieren musste. Doch die Drogen haben es in sich, weil ihre Wirksamkeit extrem schwankt. Allein zwischen 2016 und 2018 sind fast 90 Menschen in Bayern daran gestorben. Seit wenigen Jahren fallen die psychoaktiven Stoffe aus den Kräutermischungen als Stoffgruppe pauschal unter das Betäubungsmittelgesetz. Was den Gerichten mehr Freiraum bietet. Den 32-Jährigen Ansbacher etwa drohen bis zu 15 Jahre Haft. Nach altem Recht wären es maximal zehn gewesen.
Der Mann weiß, was ihn erwartet. 2013 hatte ihn schon einmal ein Ansbacher Gericht verurteilt wegen des Handels mit Kräutermischungen, zu zweieinhalb Jahren, die er nur zum Teil absitzen musste. "Großspurig" sei er damals schon aufgetreten, sagt Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger. Etwa, als er sich von den Kripobeamten verabschiedete mit den Worten: "Ihr werdet schon sehen, ich werde ein ganz Großer."
Zumindest kurzzeitig durfte er sich auch so fühlen. Spätestens ab November 2016 zog der Ansbacher seinen Dealerring auf und zog nach München um. In Spitzenzeiten, hat er ausgesagt, verdiente er locker 60.000 Euro im Monat. Geld, das er in in sündhaft teure Klamotten, ein edles Geschirr, Luxusfahrräder, und erlesenen Whiskey steckte. Dass ihm die Polizei dabei längst im Visier hatte, ahnte er nicht.
Der Ansbacher hatte einen einfachen Weg gewählt, um die Drogen an den Mann zu bringen: Er verschickte sie in Paketen per Post und Nachnahme. Die Boten kassierten ahnungslos für ihn auch noch das Drogengeld. Mehrere solcher Pakete strandeten in Nordrhein-Westfalen in einem Paketshop. Sie verströmten einen derart auffälligen Geruch, dass eine Mitarbeiterin die Polizei verständigte.
Die verfolgte den Weg der Pakete zurück bis nach Ansbach. Und dort erinnerten sich die Kripobeamten um Walter Bogenreuther an den Mann, der ihnen vier Jahre zuvor gegenüber so geprahlt hatte. Tatsächlich fand sich seine DNS auf einem Paket.
Er hatte ein Drogenlabor in Dinkelsbühl
Monatelang beobachteten die Ansbacher und das LKA fortan den Mann. Dann griffen sie zu. Sie hoben sein Labor aus, das er in Dinkelsbühl auf einem Dachboden eingerichtet hatte, sicherten vier Terabyte an Daten auf Computern – das entspricht mehr 200 Millionen bedruckten Seiten, und Hunderttausende Mails. Dutzende Spezialisten werteten über ein Jahr lang alles aus und deckten das System des 32-Jährigen auf. Der legte ein umfassendes Geständnis ab.
Sein Fall zeigt freilich, wie einfach der Einstieg in die Szene sein kann. Zentnerweise orderte der Mann die Zutaten im Ausland, vor allem in China, mischte sie in einem Küchenmixer und verdiente das Hundertfache seines Materialeinsatzes. Für ihn endet das Geschäft wohl im Gefängnis. Für seine Lieferanten nicht. "Unser Arm reicht nicht so weit", sagt Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger. Und LKA-Mann Jörg Beyser weiß, dass "da noch Hunderte von diesen Typen draußen sind, die wir fangen müssen".
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